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Typhus
Resistenz ungehindert auf dem Vormarsch

Medizin. - Typhus ist in Entwicklungsländern weiterhin eine reale Bedrohung. Jedes Jahr gibt es um die 21 Millionen Infektionen, ohne Behandlung würde jeder fünfte Erkrankte sterben. Glücklicherweise lässt sich Typhus gut mit Antibiotika behandeln, doch die Frage ist: wie lange noch? Immer mehr Typhuserreger werden gegen die Antibiotika resistent.

Von Marieke Degen | 16.01.2014
    In der Ortschaft Luvungi in der Provinz Nord-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo wurden 2010 mindestens 242 Frauen, darunter auch 20 Kinder von den FDLR-Rebellen (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) vergewaltigt. Einige von ihnen mehrfach. UN-Soldaten waren im Nachbardorf stationiert und griffen nicht ein.
    Vor allem in den ländlichen Gebieten der Entwicklungsländer, wie hier im Osten Kongos, ist Typhus noch eine Bedrohung. (dpa/Yannick Tylle)
    Wenn ein Mensch an Typhus erkrankt, braucht er Antibiotika. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt so genannte Fluorchinolone, denn die wirken gegen Typhusbakterien am besten. Doch die Waffe droht stumpf zu werden, denn immer mehr Bakterienstämme sind gegen Fluorchinolone resistent.
    "Wir sind alarmiert: Fluorchinolone helfen nämlich nicht nur dabei, die kranken Menschen wieder gesund zu machen. Sie verhindern auch, dass die Infizierten weiter Typhusbakterien in ihrer Umgebung verbreiten. Es gibt zwar auch Impfstoffe, aber die werden nur selten eingesetzt."
    Stephen Baker ist Mikrobiologe an der Universität Oxford, er forscht in Vietnam, in einer Tropenklinik in Ho Chi Minh Stadt. Er und seine Kollegen haben sich die resistenten Typhusbakterien genauer angeschaut, sie im Labor diversen Tests unterzogen. Ihr Fazit: Die resistenten Stämme werden so schnell nicht wieder verschwinden. Sie sind nämlich ungewöhnlich fit.
    "Was wir bei unseren Experimenten im Labor gesehen haben ist, dass die resistenten Bakterien die nicht-resistenten Bakterien regelrecht überflügeln."
    Dieses Ergebnis ist ziemlich überraschend. Denn normalerweise müssen Bakterien, die gegen Antibiotika resistent werden, einen hohen Preis dafür zahlen: Durch die notwendigen Veränderungen in ihrem Erbgut können sie sich nicht mehr so gut vermehren. Resistente Bakterien haben also nur einen Vorteil, wenn Antibiotika im Spiel sind – weil sie dann die einzigen sind, die überleben. Ohne Antibiotika behalten die nicht-resistenten Stämme die Oberhand – weil sie sich besser vermehren und die resistenten Stämme einfach verdrängen. Doch bei den Typhusbakterien, sagt Stephen Baker, ist es möglicherweise genau umgekehrt.
    "Wir vermuten, dass sich die resistenten Stämme durch die Veränderungen im Erbgut jetzt noch besser vermehren können als die normalen – zumindest war das bei unseren Laborexperimenten der Fall."
    Wenn sich die Ergebnisse ins echte Leben übertragen lassen, bedeutet das: Die resistenten Bakterien würden einfach nicht mehr verschwinden – auch dann nicht, wenn Fluorchinolone streng kontrolliert, also nur noch ganz gezielt eingesetzt würden.
    Baker: "Möglicherweise verbreiten sich die resistenten Stämme ungehindert weiter. Und das würde bedeuten, dass Fluorchinolone auch in Zukunft immer weniger gegen die Typhusbakterien ausrichten können, weil die resistenten Stämme dominieren."
    Der Mechanismus, den die Forscher jetzt entdeckt haben, könnte auch erklären, warum andere resistente Bakterien seit Jahren auf dem Vormarsch sind.
    "Zum Beispiel methillicin-resistente Staphylococcus-aureus-Stämme, kurz MRSA: niemand weiß, warum sie so gut in Krankenhäusern überdauern. Oder multiresistente E.-coli-Bakterien, die in westlichen Ländern hauptsächlich Harnwegsinfekte auslösen. Vielleicht können wir von den Typhusbakterien lernen, wie sie entstehen, und warum sie so erfolgreich sind."
    Der Kampf gegen Typhus, sagt Stephen Baker, könne in den betroffenen Ländern aber trotzdem noch gewonnen werden.Vor allem durch bessere Hygiene. Infizierte Menschen stecken andere nämlich über ihre Fäkalien an.
    "Typhusbakterien sind gerade deshalb so interessant, weil sie nur Menschen infizieren. Das heißt: Wenn man die Infektionskette von Mensch zu Mensch unterbricht, etwa durch bessere sanitäre Anlagen, dann kann man die Verbreitung von Typhus stoppen."
    In Vietnam, wo Stephen Baker arbeitet, haben sie in den letzten Jahren viel ins Abwassersystem investiert. Seitdem ist der Typhus auf dem Rückzug.