Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

U-Boot-Bunker Valentin
Eine Rüstungsaltlast wird Gedenkort

Am Weserufer nördlich von Bremen ragt der Valentin-Bunker ans Wasser heran. Eine Rüstungsaltlast, die wie ein riesiger Fremdkörper in der Flusslandschaft liegt - fast 500 Meter lang und 100 Meter breit. Dort sollten im Krieg U-Boote gebaut werden. Doch soweit kam es nicht. Der Bau wurde nie fertiggestellt - im Gegensatz zur Gedenkstätte und zur Ausstellung. Beides wird am heutigen Sonntag eröffnet.

Von Godehard Weyerer | 08.11.2015
    Die Westseite (Weserseite) des Bunkers.
    Die Westseite (Weserseite) des Bunkers. (Harald Schwörer / photein.de)
    Allein die schiere Größe des Betonklotzes lässt die Betrachter erschaudern. Der Weg zur Gedenkstätte, die zusammen mit einer Dauerausstellung heute eröffnet wird, führt die Besucher direkt an den Fuß des Bunkers heran. Auf einer Länge von 490 Metern ragt die graue, monotone Beton-Front bis zu 35 Meter in die Höhe.
    "Der Bunker ist ein erklärungsbedürftiges Objekt und diese Erklärung muss man drinnen und draußen liefern. Deswegen gibt es im Außengelände einen Rundweg mit Informationen, mit historischen Bildern aus der Baustellenzeit, die relativ gut zeigen, unter welchen Bedingungen hier gearbeitet worden ist."
    Der Bau des Bunkers, sagt Gedenkstättenleiter Marcus Meyer, begann 1943. U-Boote sollten hier unter dem Schutz einer sieben Meter dicken Betondecke montiert und zu Wasser gelassen werden – alle 56 Stunden ein fertiges U-Boot. So war es geplant. Dazu kam es aber nicht. Im März 1945 durchschlug eine britische Bombe die geschlossene Bunkerdecke im vorderen Bereich, dort war die Decke erst 4,5 Meter dick. Eine Woche später wurden die Arbeiten am Rohbau eingestellt.
    "Der Bunker ist tatsächlich relativ schnell in erster Linie als technische Meisterleistung begriffen worden. Das liegt daran, dass die meisten Häftlinge schon nicht mehr da waren, die meisten sind auf Todesmärsche geschickt worden. Das heißt, als die Briten hierher kamen, war es im Prinzip eine leere Baustelle."
    Einen Teil des Bunkers nutzte bis 2011 die Bundesmarine. Vier Jahre lang dauerte es, bis Marcus Meyer und sein Team aus der Bremer Landeszentrale für politische Bildung das ehemalige Depot in ein öffentlich zugängliches Museum umgestalteten. Draußen auf dem Rundgang warten auf die Besucher 22 Informationsstationen, drinnen fußballplatzgroße Hallen mit blanken Betonwänden und -decken.
    Spuren der Fliegerbombe: ein Krater von acht Metern Durchmesser
    "Das ist der Bereich, den die Bundesmarine benutzt hat seit den 60er-Jahren als Material-Depot, den sie soweit in Stand gehalten hat. Das, was noch original ist, sind alle Stahlträger, die aus den Wänden ragen. Und das ist auch die Decke. Der Bereich, den wir zentral für den Denkort nutzen, liegt jetzt direkt vor uns, hin zum Ruinenteil, der auch die Informationselemente besitzt.Sie sehen dort einen Deckenträger, der mitten in die Halle ragt. Darüber liegt ein Krater von acht Metern Durchmesser, der von der britischen Fliegerbombe gerissen worden ist."
    Wasser läuft an den Pfeilern herunter, im Winter sind sie häufig vereist. Korrosion und Frost nagen am Beton. Immer wieder fallen kleine Steinbrocken aus 22 Metern in die Tiefe. Marcus Meyer steht im Ausstellungsraum vor einer Glasfront, der den Blick in den gesperrten Ruinenteil freigibt.
    "Wir werden hier eine Ausstellung zeigen, die die Informationen auf dem Rundweg ergänzt anhand von sechs verschiedenen Themenstationen. Daneben haben wir klassische Führungen, 90 Minuten lang. Wir haben drei- bis fünfstündige Seminare für Schulklassen, aber auch für Erwachsenengruppen in Zusammenarbeit mit den Volkshochschulen."
    Die Ruine von innen
    Die Ruine von innen (Harald Schwörer / photein.de)
    Der Rundgang der neu eröffneten Gedenkstätte führt die Besucher aus dem gesicherten und begehbaren Teil des U-Boot-Bunkers auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinaus ins Freie. Büsche und Bäume haben sich hier breit gemacht. Der wuchtige Betonquader verliert im grünen Dickicht seine gewaltigen Ausmaße. Nicht zu übersehen aber ist die offene und 20 Meter hohe Rückwand des Schleusenbeckens. Drinnen tropft es von der Decke, Pfützen bedecken den Betonboden.
    "Das hätte noch geschlossen werden müssen, um dann die Kammer dahinter fluten zu können, das war einerseits als Schleuse gedacht, um die Boote in die Weser laufen zu lassen. Andererseits als Testkammer, um auf Dichtigkeit zu testen, ob die Maschinen laufen und solche Dinge. Ist auch nie fertig geworden."
    Selbst aus den Rissen der Betonmauer und an der Dachtraufe sprießen kleine Birken empor. Die Idylle trügt. Ein paar Schritte weiter liegen die freigelegten Fundamente einer Betonmischanlage.
    "Hier ist ein Foto von Mai 1944, wo man die Anlage sehen kann. Wir haben eine sehr präzise und eindringliche Beschreibung eines französischen Überlebenden. Da beschreibt er, wie man eine Treppe rauf musste mit einem 50-Kilo-Sack Zement auf der Schulter. Er sagt, in so eine Maschine gingen 300 Sack a 50 Kilogramm pro Stunde. Er nennt diese Maschine eine Bestie, deren Hunger nie gestillt wird. Er beschreibt, wie links und rechts Kapos und Wachen gestanden haben, dass er weniger gewogen hat als diese 50 Kilogramm."
    Rund 10.000 Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge, genaue Zahlen kennt Marcus Meyer nicht, arbeiteten am Bunker. Mindestens 1.400 Menschen kamen auf der Baustelle zu Tode. Über deren Schicksal wurde nach dem Krieg kaum ein Wort verloren. Stattdessen sollte im Kalten Krieg der U-Boot-Bunker als Atombunker fertiggestellt werden. Zwar wurde der Plan fallengelassen. Doch der monströse Schandfleck galt bald als High-Tech-Produkt deutscher Ingenieurskunst. Gedenkstättenleiter Marcus Meyer will das geraderücken. Die Bedingungen, unter denen hier Sklavenarbeit verrichtet wurde, seien mit einer wie auch immer gearteten Technikfaszination nicht zu vereinbaren.
    "Vielleicht gibt es Menschen, die das auch noch hinkriegen, aber da sind wir dann auch am Ende dessen, was wir leisten können."