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Coronavirus in Großbritannien
Isle of Wight testet Corona-App

Testen, Fahnden, Aufspüren: Auf der Isle of Wight startet in dieser Woche ein Test für die Kontaktverfolgungs-App der britischen Gesundheitsbehörde NHS. Die Teilnahme ist freiwillig, doch Datenschützer sind in Sorge.

Von Friedbert Meurer | 05.05.2020
Die Südküste der Isle of Wight
Südküste der Isle of Wight - die Bewohner der Insel sollen die NHSX-Tracing-App diese Woche testen, nächsten Monat soll sie ganz Großbritannien eingeführt werden (pa/Zoonar/Steven Slater)
Die lsle of Wight ist ein kleines Ferienparadies direkt vor der Südküste Englands. Schon Queen Victoria kam im 19. Jahrhundert immer wieder hierher. Doch in diesem Jahr stehen Hotels und Bed & Breakfast-Unterkünfte leer. Stattdessen rücken die Datenexperten von NHSX an, dem digitalen Ableger des nationalen Gesundheitssystems NHS. Gesundheitsminister Matt Hancock:
"Wir starten auf der Isle of Wight ein Pilotprojekt 'Testen, Fahnden, Aufspüren‘. Die Bewohner der Insel sind vorne dabei, Großbritannien wieder auf die Beine zu verhelfen. Wohin die Isle of Wight geht, dorthin folgt Großbritannien nach."
Will sagen: Heute können zunächst Ärzte und Pfleger die App des NHS downloaden, ab übermorgen dann alle 140.000 Bewohner der Isle of Wight und in wohl knapp zwei Wochen alle 66 Millionen Einwohner des Vereinigten Königreichs.
Wie eine Corona-Tracing-App funktioniert
Eine Corona-App könnte dabei helfen, die Verbreitung des Coronavirus zu verhindern. Man spricht dabei von Tracking- oder Tracing-Apps. Was ist der Unterschied, wie funktioniert diese Verfolgung Infizierter? Ein Überblick.
Eine eigens vom NHS entwickelte App
Das System ist eine Eigenentwicklung des NHS, nicht von Apple und Google, wie es für Deutschland geplant ist. Über Bluetooth werden im Handy alle Kontakte gespeichert, die sich näher als im Umkreis von zwei Metern aufgehalten haben – und zwar für mindestens 15 Minuten. Wenn der Handybesitzer befürchtet, an Corona erkrankt zu sein, tippt er das in die App ein. Damit benachrichtigt er zentral den NHS, der anschließend alle fraglichen Kontakte alarmiert. In Großbritannien hält man die zentrale Lösung für effektiver.
"Die App weiß zu diesem Zeitpunkt nicht, wer Sie sind", erläutert Matthew Gould von NHSX. "Sie weiß nicht, wer die anderen Kontakte sind. Sie weiß auch nicht, wo Sie sich aufgehalten haben. Wir fragen beim Downloaden der App ausschließlich, wie die erste Hälfte der Postleitzahl heißt, wo Sie wohnen."
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Verdächtige Virusträger werden ge-"traced"
Wer von den Kontakten alarmiert wird, begibt sich sofort in Isolation und beantragt, getestet zu werden. Außerdem wird im Auftrag des NHS eine Armee an Mitarbeitern - 18.000 sollen es sein - die Betroffenen landesweit anrufen. 'Wo haben Sie sich letzten Freitagabend um 20 Uhr aufgehalten? Wer saß noch mit am Tisch?' Jeder und jede, die mit dem Erkrankten zusammenstießen, sollen ge-"traced", also aufgespürt werden. Datenschützer wie Michael Veale haben da ihre Bedenken.
"Es ist nicht so, dass ich dem NHS bei den Daten misstraue. Nur, wo führt diese Technologie hin? Schleicht es sich in weitere Funktionen des Handys ein? Wir würden am Ende noch mehr überwacht werden und sagen, hätten wir besser damit erst gar nicht angefangen."
Der Download ist freiwillig
Niemand kann vorhersagen, wie viele die App freiwillig downloaden werden. Auf der Isle of Wight sei die Motivation aber groß, berichtet Dave Steward vom Bezirksrat der Insel.
"Wir auf der Insel sind stolz, dass wir hier eine solche Rolle spielen. Ich möchte, dass wir alle gesund bleiben. Die Isle of Wight spielt eine Schlüsselrolle in der Entwicklung einer digitalen Lösung."
Wenn am Ende 50 bis 60 Prozent die App freiwillig downloaden, gilt das als großer Erfolg. Gesundheitsminister Matt Hancocks Appell an die Inselbewohner könnte schon in zwei Wochen dann im ganzen Vereinigten Königreich zu hören sein:
"Bitte, laden Sie die App herunter. Schützen Sie den NHS und retten Sie Menschenleben!"