Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Uckermarkleitung
Energiewende contra Vogelschutz

Was ist wichtiger: Vogelschutz oder die Energiewende? Um diese Frage gibt es immer wieder Streit. Beispielsweise beim Ausbau der Starkstrom-Leitungen, mit denen Wind- und Solarenergie durch die Republik transportiert werden soll. Ein wichtiges Bauprojekt ist dabei die sogenannte Uckermarkleitung in Brandenburg, die auch durch Vogelschutzgebiete führt.

Von Sandra Voß | 12.07.2016
    Starkstrommasten in Bayern
    Starkstrommasten können Vögeln zum Verhängnis werden (Karl-Josef Hildenbrand, dpa picture-alliance)
    "Wir sind hier am Karpfenpul, in der Nähe von Landin. Und hier brütet eine Kolonie der Trauerseeschwalbe. Das ist eine sehr seltene Art in Brandenburg."
    Durch ein dunkelgrünes Fernglas beobachtet Beate Kalz die möwenartigen, schwarzen Trauerseeschwalben. Die Biologin zählt und kartiert die hier lebenden Vögel. Neben Art und Anzahl geht es auch um das Flugverhalten: Können die Vögel, wenn sie in den Süden ziehen, gegen eine neu geplante Höchstspannungsleitung prallen oder nicht.
    Für die Biologin ist klar: Die Trauerseeschwalbe sei ein guter Flieger, sie wird die höhere Leitung gut umfliegen können. Besonders betroffen seien Gänsen oder Schwänen, die können schlecht ausweichen, erklärt Hartmut Linder, Sprecher der Bürgerinitiative "Biosphäre unter Strom". Hinter Lindners Garten in Senftenhütte, 30 Kilometer südwestlich vom Beobachtungspunkt, ist zu ahnen, was eine neue Trasse optisch ausmacht.
    "Sehen sie da den die Leitung? Und etwas daneben soll die 380 KV Leitung errichtet werden, die Masten sind aber doppelt so hoch, die sind 60 Meter hoch die Masten. Und das ist ein Punkt, der dann schon beängstigend ist. Also für mich als Anwohner, wenn ich hier diesen Mast sehe. Das ist also doch eine visuelle Beeinflussung, die ist doch erheblich. "
    Neben der optischen Veränderung der Landschaft fürchten die 150 Anwohner aus Senftenhütte auch den wirtschaftlichen Verlust der Grundstücke und gesundheitliche Risiken. Doch mit all dem kommen sie vor dem Gericht nicht durch, liegen doch alle messbaren Werte deutlich unter den Belastungsgrenzen. Darum versucht die Bürgerinitiative seit Jahren, die Trasse über den Vogelschutz zu verhindern.
    Kabel sollen zum Teil unter die Erde
    "Und der Punkt ist der, dass die Gesetzgebung ganz klar ist. Es muss ausgeschlossen werden, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen kommt und dieser Nachweis, dass ist die Quadratur des Kreises."
    Die Bürgerinitiative fordert vom dem ostdeutschen Stromnetzbetreiber 50Herz, in den besonders schützenswerten Gebieten die Kabel unter die Erde zu legen. Doch eine Erdverkabelung sei für 50Herz keine Option, erklärt Dirk Manthey von der Öffentlichkeitsarbeit. Bei der Erdverkabelung lägen bisher kaum Erfahrungswerte vor. Die erste Leitung dieser Art würde gerade erst gebaut, so Dirk Manthey.
    "Es ist von der Betriebssicherheit eine etwas kritischere Technologie aus unsere Sicht, weil sie störanfälliger ist als die Freileitungen die wie heute betreiben und wenn sie gestört ist, dann dauert es natürlich auch länger, um die Störungen zu beheben."
    Neben allen bisher nicht erforschten und unbekannten Risiken sind es auch die Kosten, die aus Sicht des Unternehmens gegen eine Erdverkabelung sprechen. Kostet eine Freileitung pro Kilometer zwischen 1,2 bis 1,4 Millionen, so ist bei einer Erdverkablung mit dem achtfachen Betrag zu rechnen.
    50Herz will an den bisherigen Plänen einer freistehenden Stromleitung festhalten. Jetzt müsse nur im Vogelschutz nachzubessern, so Manthey.
    "Die Uckermarkleitung ist jetzt im Prinzip durchgeplant. Es geht darum, jetzt noch mal einen methodische Ergänzung zu machen und zu beurteilen, wie die Risiken bei bestimmten Vogelarten aussehen und was man dagegen tun kann, um diese Risiken zu minimieren."
    Kurz: 50Herz muss beweisen, dass Vögel auf ihrem Flug durch die Hochspannungsleitungen nicht gestört werden. Das ist schwierig. Deswegen forschen 50Herz und die von ihnen beauftragte Biologin Beate Kalz an neuen und für Vögel besser sichtbare Markierungen der Leitungen. Bisher werden schwarz-weiße Spiralen als Marker eingesetzt.
    Neu im Gespräch ist jetzt die Verwendung von fluoreszierenden Klappen, die sich im Wind bewegen und dadurch wahrscheinlich von den Vögeln noch besser gesehen werden als Spiralen.
    Im September sollen die Ergebnisse der Vogelzählung ausgewertet werden. Die Bürgerinitiative gibt sich weiterhin kämpferisch und wird dieses Ergebnis sehr genau prüfen. Es bleibt abzuwarten, ob 50Herz wie erhofft 2018 mit dem Bau der Uckermarkleitung beginnen kann.