Freitag, 19. April 2024

Archiv

Udo Lindenberg
"Witzig, dass ein Typ wie ich 70 wird"

Jetzt sei er gerade wieder gut dabei, sagt Udo Lindenberg. Nach diversen Krisen, Flaute-Zeiten und intensivem Alkoholkonsum. "Da kann der Tod sich verpissen und in 30 Jahren wiederkommen", findet der Musiker. Deshalb treibt er jetzt auch plötzlich Sport und bedankt sich mit einem Song bei seinem Körper für dessen Geduld.

Udo Lindenberg im Corsogespräch mit Uli Kniep | 17.05.2016
    Der Musiker Udo Lindenberg posiert am 26.04.2016 in Hamburg bei einem Photocall im Passage-Kino vor der Preview einer Dokumentation
    Udo Lindenberg wird 70 (picture alliance / dpa / Christian Charisius)
    Uli Kniep: Udo Lindenberg wird 70 Jahre - Hand auf Herz, wer hätte das gedacht? Haben Sie damit gerechnet?
    Udo Lindenberg: Ich finde es witzig, dass ein Typ wie ich 70 wird! Ich hatte nicht damit gerechnet, habe gedacht mit 50 ist dann Feierabend für einen ordentlichen Rock 'n' Roller nach den ganzen Exzessen und so. Ich finde es ganz lustig. Wir legen die Geburtstage so ein bisschen zusammen: Steffi Stephan, unser Bassist, wird 69. Alter steht für Radikalität und Meisterschaft und nicht für Durchhängen.
    Kniep: In dem neuen Song "Mein Body und ich" bedanken sie sich bei ihrem Körper für seine Geduld nach all den Exzessen.
    "Dankeschön, mein lieber Körper!"
    Lindenberg: Ich muss mich jetzt mal wirklich herzlich bei ihm bedanken, dass er das alles überlebt hat. Wir sind jetzt in prima Absprache: Ich pflege ihn ja jetzt auch, wir machen ordentlich Sport und halten uns fit für die Tournee. Aber man hätte auch mal abnippeln können. Und ich sage aus tiefem Herzen: Dankeschön, mein lieber Körper!
    Kniep: Es sind in den vergangenen Wochen so viele Künstler von uns gegangen – von David Bowie über Natalie Cole bis Glenn Frey, macht einem das manchmal Angst?
    Lindenberg: Natürlich, mit dem Tod beschäftige ich mich immer schon - auch auf frühen Platten. Aber jetzt kommen auch Leute ab und zu mal und sagen: Irgendwann muss auch mal Feierabend sein. Nee, sage ich, ich ziehe das weiter durch! Das kann ich meinen Fans gar nicht antun, und mir selber auch nicht. Jetzt bin ich gerade wieder gut dabei nach diversen Krisen, die ich hatte, Flaute-Zeiten, und auch mal schwer durchgehangen, mich verschluckt, nach der Mengenlehre gesoffen: Mehr ist mehr und jetzt bin ich wieder ganz gut dabei, da kann der Tod sich verpissen und in 30 Jahren wieder kommen.
    Kniep: Ihre Eltern Hermine und Gustav sind schon vor längerer Zeit verstorben, doch immer wieder – so auch auf der neuen Platte - erinnern Sie an die Beiden.
    Lindenberg: Ja, die sind immer dabei, auch von Anfang an, wenn es große Dinge zu tun gab, dann waren die immer als meine Energiegeber dabei. Meine geheimen Kräfte Hermine und Gustav wohnen in der Chefetage da oben über den Wolken, hinter den Sternen. Und wenn es zu einsamen Momenten kommt kurz vor einem Auftritt, dann denke an sie, gucke durch die Wolken und spüre deren Energie und Power. Auch dann noch die Kraft von meinem Bruder Erich, Ecki und dann ziehen wir die Sachen durch. Es gab letzten Sommer vor dem Auftritt im Berliner Olympiastadion eine Situation: da war der Himmel regenverhangen, schwarze Wolken. Ich dachte, gleich kommt der Regen da runter, genau in der Sekunde des Showbeginns. Und dann gucke ich nach oben und da schieben die die Wolken zur Seite, Hermine und Gustav, und die Sonne knallt durch - genau in der Sekunde als die Show begonnen hat. Das war ein spirituelles Ding.
    Kniep: Ihnen selber wurde schon zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt – im vergangenen Jahr in der Heimatstadt Gronau!
    Lindenberg: Das ist schön abgedreht, aber auch ganz lustig. Erst habe ich gedacht, der Personenkult sei too much, ich bin ja eher ein bescheidener Mensch, ein bisschen schüchtern, der shy guy. Dann aber habe ich gedacht, das steht als Symbol für einen der auswandert und wiederkommt, für seine Lehr- und Wanderjahre wie ein Entdecker wie James Cook, also ein Kollege von Vasco da Gama und Humboldt. Und dann kommt der nach Gronau zurück. Und dann bin ich dahin, und die Figur sieht aus wie die Freiheitsstatue und nun sind Gronau an der Donau und New York Partnerstädte und beide haben eine geile Freiheitsstatue. Und die steht für Weltoffenheit und Toleranz, für Sensibilität mit den Anderen, mit den Fremden, auch mit den Flüchtlingen, aber auch für Spaß und Halligalli.
    "Ich streune ja gern in der Gegend rum"
    Kniep: Nach den sogenannten Wanderjahren ist seit vielen Jahren ein Hamburger Hotel das Zuhause, wie muss man sich denn so ein Leben vorstellen?
    Lindenberg: Ich bin hier Inventar, so eine Art WG, eine Familie, ich kenne hier alle und wenn ich ins Hotel komme, komme ich nach Hause. Ich liebe diese Geselligkeit. Ich kann runter gehen an die Bar, in die Smoker Lounge. Da sind immer Leute, auch gut verrückte Leute. Die Drehtür spült hier ganz unterschiedliche Leute rein, vom Trickbetrüger bis zum Oberpolitologen – alle am Start. Und dann treffe ich die hier und dann rede ich über Gott und die Welt. Und dann gehe ich auf die Straße. Ich streune ja gern in der Gegend rum. So ein Haus, ich habe das mal ausprobiert für ein halbes Jahr, aber das war mir echt zu einsam so hinter dicken, bourgeoisen Mauern. Das ist nichts für mich. Ich lebe in der Öffentlichkeit, da entstehen auch meine Texte, meine Songs, meine Eindrücke. Und wenn ich mal Ruhe brauche, dann habe ich hier zwar keine Terrasse und auch keinen Hund, aber dafür meine Suite und mein Atelier.
    Kniep: Ich habe mit großem Interesse natürlich das neue Album gehört und könnte mir vorstellen, Ihr wart unter großem Druck, den Erfolg der beiden Vorgänger - des Studioalbums und des Unplugged-Albums - mindestens einzustellen?
    Lindenberg: Ja, wir hatten schon ein bisschen Bammel, danach noch so einen Royal Flush hinzukriegen. Außerdem waren da ja die großen Konzerte, die Tournee mussten wir ja auch erstmal aufbauen - die Zeppelin Show, die Flugente durch das Stadion - und das hat ja Zeit in Anspruch genommen. Danach haben wir gesagt: Okay, wir brauchen neuen Stoff, wieder rangehen!
    Kniep: Viele der neuen Songs wirken auf mich wie Mutmacher für Verzweifelte.
    Lindenberg: Ich kriege wahnsinnig viel Post, treffe viele Leute auf der Straße. Ich habe einen Freund aus meinem engen Kreis, dem geht es gerade sehr schlecht. Er weiß genau, ich bin 1000 Prozent verlässlich, bin auch nachts um vier sofort am Start. Zusammen kriegen wir das hin und dann kommen wieder die geilen Zeiten. Ich bin für die Fans so eine Art Freund und Kumpel, die schreiben mir über ihr Leben, was sie gerade durchmachen. Mutmacher-Songs sind schon sehr wichtig, finde ich.
    Keinen Plan B
    Kniep: "Ich mach mein Ding" hieß es vor rund acht Jahren. Auch in dem neuen Titel "Plan B" geht es um die Unbeirrbarkeit, mit der jeder sein Ziel verfolgen sollte.
    Lindenberg: Herman Hesse hat mit 15 Jahren schon gesagt: Ich werde Schriftsteller, und sonst gar nichts. Und Kollege Mozart hat gesagt: Ich mache die Weltkomposition, und sonst gar nichts. Und der kleine Udo hat mit 13 in Gronau gesagt: Ich werde Trommler. Solche Leute gibt es ja, die haben keinen Plan B. Und deswegen ist der Song "Plan B" ein schöner Song geworden.
    Kniep: Nun ist es nicht jedem vergönnt, ein Genie zu sein, aber Glück gehört wohl auch zum Leben – auch mit 70!
    Lindenberg: Ich bin ein Glückspilz in den letzten Jahren, seit der "Stark wie Zwei"-Platte. Das ist wie ein hohes Geschenk, und jetzt noch eine Platte, und noch eine Tour, das ist die totale Freude, aber ich kenne die harten Zeiten auch, deshalb kann ich davon so gut singen.
    Kniep: Udo Lindenberg, danke für das Gespräch.
    Lindenberg: Keine Panik!
    "Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen."