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Überfischung
Schellfisch statt Dorade

700 Fischarten gibt es im Mittelmeer - und fast alle sind überfischt. Das liegt auch daran, dass die Anrainerstaaten sich nicht einigen können. In der Nordsee sieht es mittlerweile besser aus. Das heißt als Konsequenz: Schellfisch statt Dorade auf den Tellern.

Von Karin Bensch | 28.12.2015
    Frische Schellfische liegen in den frühen Morgenstunden in einer Box in der Halle des Hamburger Fischmarktes.
    In der Nordsee entspannt sich die Lage - bald darf wieder mehr Schellfisch gefangen werden. (picture-alliance / dpa / Marcus Brandt)
    Dorade mit Zitronenthymian. Seeteufel mit Kapern. Oder Rotbarbe mit Pinienkernfüllung. Zum Jahreswechsel kommt bei vielen Fisch auf den Tisch. Doch all diese Fische aus dem Mittelmeer gibt es kaum noch, sagt die SPD-Europaabgeordnete Ulrike Rodust.
    "Im Grunde genommen ist da fast der gesamte Bestand bedroht."
    Im Mittelmeer gibt es ungefähr 700 unterschiedliche Fischarten. 95 Prozent von ihnen sind überfischt. Das es so weit gekommen ist, liegt vor allem daran, dass sich die Länder rund ums Mittelmeer bislang nicht auf eine gemeinsame Strategie einigen konnten, meint die Fischerei-Expertin.
    "Das ist auch besonders schwierig, weil nicht nur die europäischen Staaten darüber entscheiden, sondern auch die anderen Anrheiner, wie Tunesien, wie Marokko. Und die an einen Tisch zu bekommen, ist äußerst schwierig."
    Der Nordsee geht es etwas besser
    Etwas weniger überfischt als das Mittelmeer sind Ostsee und Nordsee. Vor allem in der Nordsee ist man auf einem guten Weg, sagt Claus Ubl vom Deutschen Fischereiverband.
    "Erst einmal kann man sagen, dass insgesamt die EU-Kommission und auch wir die Bestandssituation positiver bewerten als sie in den letzten Jahren waren. Deshalb werden die meisten Fangquoten im kommenden Jahr auch heraufgesetzt."
    In 2016 darf deutlich mehr Schellfisch in der Nordsee gefangen werden, aber auch mehr Scholle, Hering und Kabeljau. Dennoch gibt es lang noch nicht so viele Tiere im Wasser, dass die Fischer fangen dürfen, wie sie möchten, sagt die Europaabgeordnete Ulrike Rodust, deshalb sei die Quote sinnvoll.
    "Aber wir können in einzelnen Beständen sehen, dass die Bestände wieder aufwachsen. Wir haben ja seit dem ersten ersten 2014 die Fischereireform, und sie beginnt zu greifen."
    Das letzte Wort haben nun die Wissenschaftler
    Die Fischereireform setzt auf einen Systemwechsel. Nicht die europäischen Landwirtschaftsminister haben das letzte Wort bei der Höhe der Fangquoten - sondern die Wissenschaftler. Ihre Vorgaben sollen sogar noch übertroffen werden, damit sich bis zum Jahr 2020 die Fischbestände in den europäischen Meeren erholen können.
    Dass die Fanggebiete überfischt sind, liegt auch an der Art und Weise, wie Fischer mit dem ungewollten Beifang umgehen. Fische, die zu klein oder wertlos sind, um verkauft zu werden, werden bislang tot oder schwer verletzt zurück ins Meer gekippt. Das soll sich im neuen Jahr ändern - mit dem Rückwurfverbot.
    Das bedeutet: In der EU wird nach und nach eine Pflicht eingeführt, alle gefangenen Fische mit an Land zu bringen. Sie sollen dort zu Fischfutter oder Fischmehl verarbeitet werden. Der Beifang wird auf die Quote angerechnet. Das Rückwurfverbot ist ein ganz wichtiger Baustein, um die Bestände zu schonen, meint die SPD-Europaabgeordnete Ulrike Rodust.
    "Es ist ethisch und moralisch für mich überhaupt nicht akzeptabel, dass Fische wieder ins Meer zurück geworfen werden. Es sind dann tote Fische, und die sind dann praktisch Müll."
    Umweltschützer warnen trotz Rückwurfverbot und Fangquoten: Immer noch seien 40 Prozent der Bestände an Speisefischen im Nordostatlantik und in der Nordsee überfischt. Fisch sollte als Delikatesse gewertet werden, für die man sich selten und bewusst entscheidet. Und wenn, dann besser aus der Nordsee als dem Mittelmeer: Also eher Schellfisch als Dorade. Besser Scholle als Rotbarbe.