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Überfordert und unvorbereitet

Nach dem Drama um gestrandete afrikanische Migranten im Mittelmeer steht Malta aufs Neue in der Kritik. Der maltesische Regierungschef Joseph Muscat fordert seit Längerem eine "europäische Lösung" der Flüchtlingsfrage, bislang vergeblich. Nun macht Malta dicht.

Von Jan-Christoph Kitzler | 08.08.2013
    Mario Guido Friggieri hat zurzeit viel mehr Arbeit als ihm lieb ist:

    "Alleine im vergangenen Monat sind über 600 Migranten bei uns angelandet. Und das kann jetzt im Sommer locker noch zwei drei Monate so weiter gehen. Erst vergangene Nacht ist wieder ein Boot mit ungefähr 90 Menschen an Bord bei uns angekommen.'"

    Mario Guido Friggieri ist der Flüchtlingskommissar der kleinen Insel Malta. Seit seinem Amtsantritt 2004 hat er kaum noch Ruhe.

    "Seit einem Jahrzehnt liegt Malta unter allen Industrienationen an der Spitze, was das Verhältnis zwischen Asylbewerbern und Bevölkerung anbelangt. Malta liegt um das Siebenfache über dem europäischen Durchschnitt, was die Zahl der Asylbewerber betrifft. Wir leben in einem Dauernotstand."

    Da kann ihm jeder zurückgewiesene Immigrant nur Recht sein. Er unterstützt den Beschluss der Regierung, der grade in den Schlagzeilen landete. Der für die Sicherheit der Insel zuständige Minister Manuel Mallia kümmert sich nicht um die internationale Schelte, nachdem er dem Tanker MV Saramis untersagt hatte, 102 aus Seenot gerettete Afrikaner in Malta an Land zu bringen.

    "Die Sache ist glasklar. Das waren Schiffbrüchige, die gerettet wurden und entsprechend der internationalen Bestimmungen in den nächstgelegenen sicheren Hafen gebracht werden müssen. Und das ist nicht Malta, sondern Tripolis."

    Malta macht dicht. Eine Warnung an alle Migranten, die Insel unbedingt zu meiden sagt Jean Pierre Gauci, der Gründer der maltesischen Menschenrechtsorganisation "People for Change":

    "Die Regierung fährt seit Neuestem einen härteren Kurs gegen Immigranten. Überall hört man, dass schon zu viele Menschen auf Malta leben. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit haben schlagartig zugenommen."

    Die Forderung der EU-Kommissarin Cecilia Malmström, die Geretteten nicht auf einem Schiff auf hoher See ausharren, sondern an Land gehen zu lassen quittierten zahlreiche Malteser mit beleidigenden Kommentaren auf Malmströms Facebook Seite. Die Malteser fühlen sich im Recht, wenn sie mit allen Mitteln Flüchtlingsboote weiterschicken oder von anderen Ländern retten lassen. Und die Vorwürfe vonseiten der europäischen Justiz, in Malta würden die Menschenrechte der Immigranten mit Füssen getreten, schert sie auch nicht. Sagt Jean Pierre Gauci :

    "Malta wurde in der letzten Woche erst in zwei unterschiedlichen Verfahren vom Europäischen Gerichtshof verurteilt. Die maltesische Immigrationspolitik, sowie die Behandlung der Immigranten verstoße gegen die Menschenrechte, heißt es. Auf Malta werden Immigranten nicht aufgenommen, sondern eingesperrt. So wie eh und je."

    Wer illegal in Malta an Land geht, muss für mindestens zwölf Monate hinter Kerkermauern, bis er Asyl erhält. Abgelehnte Bewerber bleiben weitere sechs Monate hinter Gitter. Die Haftbedingungen sind extrem schwierig. Oft haben die Migranten wochenlang keinen Kontakt zur Außenwelt, weshalb auch ihre Angehörigen im Ungewissen bleiben. Wer dann seine Haft abgesessen hat und keine Aufenthaltserlaubnis bekommt, bleibt sich selbst überlassen, gibt der Flüchtlingskommissar Friggieri zu.

    "Malta schafft es nicht, die abgelehnten Asylbewerber abzuschieben, Aber darüber darf ich Ihnen nichts sagen."

    Wahrscheinlich leben derzeit 5000 illegale Immigranten auf der Insel, die geduldet werden, vorausgesetzt, sie leben, ohne zu murren in Baracken und arbeiten viele Stunden täglich für einen Hungerlohn auf dem Bau oder in der für Malta so wichtigen Tourismusindustrie.

    Malta drängt darauf, die Dublin-Bestimmungen für Immigranten zu ändern. Malta will, ähnlich wie die noch viel kleinere italienische Insel Lampedusa Immigranten aufnehmen, vorausgesetzt, dass sie gleich weitertransportiert werden in jene EU Ländern , die mehr Platz und weniger Bevölkerung haben.