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Übergewicht
Verbraucher unterschätzen Portionsgrößen

Eine Alternative zu Diäten ist der genauere Blick auf den eigenen Teller, denn was Größe und Energiegehalt einer Essensportion angeht, liegen Selbsteinschätzung und Realität auseinander. Wissenschaftler der Uni Bonn haben daraus Schlussfolgerungen für die richtige Ernährung gezogen.

Von Beatrice Zajda | 18.03.2014
    "Es gibt eine Menge Gründe, warum man zu viel isst, ein wichtiger Grund ist, dass man sehr unbewusst ist und nicht sonderlich darauf achtet, was man isst, sondern häufig nebenbei isst."
    Bernd Weber arbeitet als Neurowissenschaftler im Zentrum für Ökonomie und Neurowissenschaften an der Universität Bonn. Er forscht auf dem Gebiet des menschlichen Verhaltens. Bei seinen Versuchsreihen kam er zu dem Ergebnis: Vielen Menschen fällt es schwer, die Größe ihrer Mahlzeit richtig einzuordnen. Unter anderem deshalb, weil der Mensch alles Wahrgenommene erst einmal vergleicht:
    "Wenn ich ein 10-Gramm-Gewicht auf meine Hand lege, und dann 20 Gramm in die andere, kann ich sagen, 20 Gramm sind schwerer. Wenn ich dagegen 100 und 110 Gramm vergleiche, wird es schon schwieriger. Bei beiden ist es nur 10 Gramm. Solche relativen Größenänderungen nimmt man sehr schwer wahr."
    Auch Gesundheitsbewusste konsumierten mehr als sie tatsächlich brauchten – und zwar gerade gesunde Lebensmittel wie etwa Gemüse. Bei Gummibärchen, also einer als weniger gesund geltenden Süßigkeit, konnten Ernährungsbewusste die Menge besser einschätzen. Bernd Weber:
    "Was wir dabei gemacht haben: den Probanden verschiedene Portionsgrößen gezeigt und die Portionsgrößen immer größer werden lassen und gefragt, wie viel größer wird das denn, dass eine Verdoppelung der Portionsgröße 50 Prozent mehr wahrgenommen wird; fast die Hälfte unterschätzt wird."
    Selbstkontrolle und Willensstärke für eine optimale Nahrungszufuhr
    Wer abnehmen oder sein Gewicht halten will, braucht nach Ansicht von Bernd Weber vor allem Selbstkontrolle und Willensstärke für eine optimale Nahrungszufuhr. Auf seine Intuition zu hören hilft nicht, bewusstes Verhalten schärft die Wahrnehmung.
    "Wenn ich eine Entscheidung jetzt treffen muss zwischen einem Schokoriegel und einer Orange muss ich den Produkten irgendeinen Wert zuordnen, und ich entscheide mich dafür, was mein Gehirn als höherwertig betrachtet. Das passiert erstmal relativ automatisch. Man ist dem nicht hilflos ausgeliefert. Dass man schon durch Anstrengung so diesen Wert von diesen Produkten regulieren kann."
    Bewusst Nahrung zu sich zu nehmen beginnt bereits in der Kindheit. Kinder, die auf eine Süßigkeit etwas länger warten können, entwickeln im Erwachsenenalter ein besseres Verständnis zum Essen, haben bessere Leistungen in der Schule. Die Erziehung hat entscheidenden Einfluss auf Essgewohnheiten später:
    "Da gab es ein klassisches Experiment: Wo Kinder einen Marshmallow bekommen haben und ihnen gesagt wurde, wenn sie eine Viertelstunde warten können, bekommen sie zwei Marshmallows. Und wenn sie es schaffen, bekommen sie nachher mehr. Das ist jetzt 40 Jahre her und man fand, die es damals geschafft haben, dass die im Durchschnitt gesünder waren, das sie weniger übergewichtig waren, allgemein erfolgreicher waren im Beruf."
    Grundvoraussetzung: Disziplin
    Disziplin als Grundvoraussetzung für eine gesunde Ernährung. Bewusster Nahrung aufzunehmen - dies wird auch von qualifizierten Ernährungsberatern vermittelt. Über mehrere Monate wird Interessierten dabei beispielsweise näher gebracht, auf nichts vollständig verzichten zu müssen. Die Devise: Bewusst in Maßen genießen und dabei Gewicht verlieren. Fast alle Krankenkassen bezuschussen die Teilnahme an Ernährungsberatungen mit circa 75 Euro. Nicht ohne Grund: Zahlreiche Krankheiten haben ihren Ursprung in ungesunder Ernährung.