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Überkonfessionelle Kita in Berlin
Eine Küche, drei Religionen

Jeweils 45 jüdisch, muslimische und christliche Kinder unter einem Dach: Die "Drei-Religionen-Kita" in Berlin will schon früh das Bewusstsein für de Gleichheit aller Menschen fördern und ein Zeichen gegen religiöse Intoleranz setzen. Sie wirbt für eine Begegnung auf Augenhöhe.

Von Kemal Hür | 16.01.2018
    Eine Kirche aus Holzbausteinen in einer evangelischen Kindertagesstätte
    In einem Begegnungsraum können Kinder und Eltern unterschiedlicher Glaubensrichtungen offen aufeinander zugehen (picture-alliance / dpa / Jens Büttner)
    Im Festsaal der Berliner Stadtmission singt auf der Bühne eine junge Frau ein türkisches Volkslied: "Ich habe einen langen Weg zu gehen", heißt das Lied sinngemäß. Begleitet wird sie von einem Lautenspieler. Das Publikum besteht ausschließlich aus Frauen, mehr als die Hälfte von ihnen trägt Kopftuch, eine einzige hat eine Kippa auf dem Kopf. Alle sind festlich gekleidet. Der Anlass: eine Spendengala zugunsten der "Drei-Religionen-Kita" für christliche, jüdische und muslimische Kinder, die in Berlin entstehen soll.
    Viele Tagesstätten - auch die in konfessioneller Trägerschaft - nehmen Kinder aus verschiedenen Glaubensgemeinschaften auf. Aber das neue Projekt habe die Besonderheit, dass die Religionen miteinander auf Augenhöhe seien, sagt Rabbinerin Gesa Ederberg.
    "Wir konstruieren eine Gleichheit zwischen den drei doch sehr unterschiedlichen Partnern. Gleichheit, zum Beispiel, was die Zahlen angeht. Jede Kita wird 45 Kinder betreuen, was wir in der normalen Kita nicht haben. Wenn ich eine Kita aufmache und sage, sie ist für alle offen, dann habe ich je nachdem eine Mehrheit: atheistische Kinder, die nächste Gruppe sind katholische, evangelische Kinder, muslimische Kinder, vielleicht ein, zwei jüdische Kinder. Und damit kann ich nicht ausgewogen arbeiten. Das heißt, das Besondere bei uns ist, dass wir uns so aufstellen, dass wir gleich viele Familien aller drei Religionen haben."
    Koscher? Was ist denn das?
    Die Initiatorinnen wollen mit ihrem Vorhaben nicht einfach nur drei Kitas unter einem Dach bauen. Es soll auch einen Raum geben, in dem die Kinder und ihre Familien einander begegnen. Dieser Raum soll das Herzstück des Miteinanders werden, sagt Silke Radosh-Hinder, Pfarrerin der evangelischen Kirche.
    "Das wird passieren, indem dort zusammen Workshops gemacht werden mit den Kindern. Es wird auch die Offenheit haben, dass es ein Elterncafé werden kann, dass es auch informelle Begegnungen geben kann. Dieser Ort wird immer die Möglichkeit der Offenheit haben und wird auch offen gestaltet werden zum Außengelände. Es gibt so Kooperationsspielräume nach außen; auch das wird ein Ort der Begegnung sein. Und beides wird sich zusammen erschließen."
    Das Projekt wird von dem Evangelischen Kitaverband, dem jüdischen Verein Masorti und dem Deutschsprachigen Muslimkreis getragen. Alle drei Träger betreiben religiöse Kitas. In der muslimischen gebe es bereits eine Warteliste für die Drei-Religionen-Kita, sagt die Leiterin Iman Andrea Reimann. Der Bedarf an einer interreligiösen Kindereinrichtung sei groß - nicht nur für die Kinder selbst, sondern auch und vor allem für Elternarbeit.
    "Gerade in der Arbeit mit Erwachsenen im interreligiösen Bereich stellen wir immer wieder die Hürden fest: Wie ist denn das? Koscher? Mache ich jetzt irgendwas falsch? Darf ich der Frau die Hand geben, ja oder nein? Wir Erwachsenen haben meistens so viele Ängste und Hürden, die wir vor uns her tragen, die wir im Kindesalter eigentlich ganz einfach niederreißen oder erst nicht entstehen lassen können."
    "Gender-Gerechtigkeit geht in beide Richtungen"
    Auch wenn das Konzept noch nicht bis ins kleinste Detail ausgearbeitet ist, gibt es bereits wichtige Kompromisse. So wird die Einrichtung nicht drei getrennte Küchen haben, sagen die verantwortlichen Damen. Es werde in einer gemeinsamen Küche vegetarisch gekocht. Damit erübrigen sich weitere Diskussionen um muslimisch erlaubte, koschere und Kost mit Schweinefleisch. Auch würden nicht alle jüdischen, muslimischen und christlichen Feiertage gemeinsam gefeiert. Sonst bliebe keine Zeit mehr für außerreligiöse Erziehungsarbeit. Übrigens seien männliche Erzieher sehr willkommen, auch wenn die Kita von drei Frauen gegründet werde.
    Silke Radosh-Hinder: "Der Kitaverband Berlin-Mitte hat ohnehin ein Programm laufen, um die Stellen von Erziehern in den Kitas zu erhöhen. Und da werden wir an dieser Stelle keine Ausnahme machen."
    Gesa Ederberg: "Gender-Gerechtigkeit und regenbogenbunte Familienvielfalt ist für uns sowieso ein Anliegen. Das steht so auch im Konzept und ist in unserer Stadt ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Gender-Gerechtigkeit geht in beide Richtungen. Männer dürfen Erzieher sein."
    Silke Radosh-Hinder: "Und sollen!"
    Die Spendengala für Frauen solle keinen falschen Eindruck erwecken, beteuern alle drei Initiatorinnen. Dies sei nur ein Auftakt. Schon bald werde es eine weitere Veranstaltung ohne Geschlechtertrennung geben.