Dienstag, 19. März 2024

Archiv


Überlebenskampf auf der Wiese

Genozid unter Bienen - rund 200.000 Bienenvölker sind über den Winter zugrunde gegangen. Das sind doppelt so viele, wie im Vorjahr. Schuld daran soll auch die Varroa-Milbe haben - ein Bienenschädling.

Von Verena Kemna | 10.08.2010
    Beim großen Bienensterben nach dem vergangenen Winter sind etwa 200.000 Bienenvölker zugrunde gegangen. Beinahe jeder vierte Bienenstock hat den Winter nicht überlebt. Für den Präsidenten des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes bestätigt das Szenario einen traurigen Trend, der bereits seit Jahren anhält. Es seien nicht nur die Folgen einer neuen Generation von Insektiziden, die den Bienen zu schaffen machen. Monokulturen und die Folgen einer immer intensiveren Landwirtschaft führen dazu, dass Bienen auf dem Land weder Nektar noch Pollen finden, meint Imker-Präsident Manfred Hederer. Viele Wiesen werden bereits vor der Blüte gemäht. Sollten die Bienen dann doch mal eine blühende Wiese entdecken, werden sie oft von den Mähmaschinen vernichtet.

    "Die Bienen kommen in den Sog dieser irrsinnig schnellen Mähwerke, und da bleibt nichts mehr ganz. Dann passiert dadurch auch der Futterschock. Das heißt, bei diesen Maschinen, die es heute gibt, ist in kürzester Zeit ganz viel Fläche vernichtet. Nicht nur die Flugbienen, die Pollen und Nektar holen, sind weg sondern es ist auch von einer Stunde auf die andere mehr oder weniger das Nahrungsangebot weg.""

    Die Bienen erleiden dann einen sogenannten Futterschock, meistens das Aus für das Bienenvolk. Dabei haben Bienen gerade in der Landwirtschaft eine wichtige Funktion als Bestäuber. Ohne sie sinken die Erträge von Ackerpflanzen, ohne ihre Bestäubungsleistung finden auch Vögel nicht genug Futter. Honigbienen gelten nach Rind und Schwein als wichtiges Nutztier.
    Die Varroa-Milbe, die vor allem Biologen für das Bienensterben verantwortlich machen, sei kein Problem. Die Varroa-Milbe sei so etwas wie ein natürlicher Parasit im Bienenstock, meint Imker Präsident Manfred Hederer. Jeder fachkundige Imker könne damit umgehen.

    ""Die Varroa-Milbe haben wir jetzt drei Jahrzehnte. Das ist ein ernstzunehmender Faktor, aber wer da professionell, ernsthaft und gewissenhaft rangeht, hat kein Problem damit. Alles andere, was sich da dranhängt, ist PR-Sache. Hier gibt es Forschungsgelder und bestimmte Zuchtinteressen. Deswegen wird diese Milbe so stark aufgebauscht."

    Monokultur, intensive Landwirtschaft und Pflanzenschutzmittel mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Neonicotinoide sind auch für Heribert Wefers, Chemikalienexperte beim BUND, Hauptursache für das massive Bienensterben. So sei es gängige Praxis, Saatgut vor der Aussaat zu beizen, das heißt mit einem Pflanzenschutzmittel zu überziehen. Der Wirkstoff Clothianidin hat dabei besonders verheerende Folgen. Landwirte nutzen das Nervengift seit Ende der 90iger Jahre. Wissenschaftliche Untersuchungen würden zeigen, dass Clothianidin für Bienen sehr viel giftiger sei als herkömmliche Pestizide. Die Bienen nehmen das konzentrierte Nervengift durch Wassertropfen an der Pflanze und durch die Pollen auf, oft stellen sich die Folgen erst später ein.

    ""Es kann sein, dass die Bienen tot umfallen. Es ist aber häufig so, dass wir über längere Phasen Schäden feststellen. Das können zum Beispiel Orientierungsprobleme der Bienen sein, es können Missbildungen sein und viele andere Dinge. Es ist wohl so, dass diese Langzeitwirkungen bei den Zulassungsverfahren nicht hinreichend berücksichtigt worden sind.""

    Der BUND fordert eine neue Zulassungspraxis bei der Produktzulassung. So seien die vorliegenden Testergebnisse des Produzenten Bayer Crop Science unzureichend und wenig aussagekräftig. So sei die Frage der Pestizidaufnahme durch Bienen über das sogenannte Guttationswasser, also Wassertropfen an den Pflanzen, nicht ausreichend berücksichtigt worden. Heribert Wefers fordert strengere Zulassungsverfahren und ein Verbot der Pestizide, die für Bienen offensichtlich besonders gefährlich sind.