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Übertragung in Kliniken?
Patienten mit zystischer Fibrose weltweit mit identischen Bakterien infiziert

Zystische Fibrose, auch Mukoviszidose genannt, ist eine genetisch bedingte Erbkrankheit, die die Immunabwehr des Körpers in der Lunge schwächt. Bakterieninfektionen können so schnell zu gefährlichen Lungenentzündungen führen. Laut einer alarmierenden Studie verbreitet sich nun eine neue, besonders infektiöse Form eines Erregers weltweit unter Mukoviszidose-Patienten.

Von Lucian Haas | 11.11.2016
    Ein Mukoviszidose-Patient in einer Lungenklinik in Heckeshorn. Der Erreger Mycobacterium abscessus scheint eine besondere Gefahr für Betroffene zu sein
    Ein Mukoviszidose-Patient in einer Lungenklinik in Heckeshorn. Der Erreger Mycobacterium abscessus scheint eine besondere Gefahr für Betroffene zu sein. (dpa picture alliance/Berliner Verlag/Petra Schneider)
    Für Patienten mit zystischer Fibrose, auch Mukoviszidose genannt, sind Bakterieninfektionen der Lunge immer riskant. Ein Bakterientyp hat sich aber in den vergangenen Jahren als besonders aggressiv erwiesen: Mycobacterium abscessus:
    "Mycobacterium abscessus bedeutet wirklich schlechte Nachrichten für die Patienten. Die entzündungsbedingten Lungenschäden, die durch diese Bakterien verursacht werden, sind stärker als bei allen anderen Infektionen, die ein Mensch mit zystischer Fibrose haben kann. Sie erreichen damit viel eher das Endstadium von Lungenschäden, also auch den Tod."
    Andres Floto ist Lungenspezialist an der britischen Cambridge University. Er erforscht seit Jahren, wie sich Mycobacterium abscessus zu einem gefährlichen Erreger entwickeln konnte. Eigentlich kommen diese Bakterien in der Umwelt, beispielsweise im Erdboden vor.
    Mycobacterium abscessus laut Studie auch von Mensch zu Mensch übertragbar
    Patienten infizieren sich eher zufällig damit, so die lange gehegte Lehrmeinung. Es sind Einzelfälle. Vor drei Jahren allerdings fand Andres Floto gemeinsam mit Kollegen eine andere Spur. Genanalysen der Bakterien, die bei Patienten eines Mukoviszidose-Behandlungszentrums in Cambridge entnommen wurden, lieferten Hinweise darauf, dass Mycobacterium abscessus offenbar auch von Mensch zu Mensch übertragen wird.
    Um diese Theorie zu überprüfen, sammelten die Forscher seither weitere Proben und zugehörige Patientendaten aus anderen Lungenkliniken in aller Welt. Die jetzt in "Science" präsentierten Ergebnisse bestätigen den Verdacht - und noch mehr:
    "Zu unserer Überraschung und unserem Entsetzen zeigte sich, dass diese Übertragung von Mensch zu Mensch rund um die Welt auftritt. Infektionen mit Mycobacterium abscessus reichen sogar über Kontinente hinweg. Und diese Infektionen, sowohl innerhalb eines Krankenhauses, als auch zwischen den Kliniken, treten trotz rigoroser Maßnahmen zur Infektionskontrolle auf."
    Die DNA-Analysen der gefundenen Erreger zeigen: Es gibt untereinander eng verwandte Subtypen von Mycobacterium abscessus, die sich zu besonders gefährlichen, infektiösen Erregern für den Menschen entwickelt haben. Sie sind gegen viele Antibiotika resistent, mit klassischen Desinfektionsmitteln schwer zu bekämpfen und weltweit verbreitet. Wie es zu dieser globalen Präsenz kommen konnte, ist für Andres Floto noch ein Rätsel:
    "Wir wissen es nicht. Was ich sagen kann, ist, dass wir keine Hinweise darauf haben, dass Patienten, Geräte oder Reagenzien zwischen den Behandlungszentren verschoben wurden. Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass diese Erreger von gesunden Menschen als Vektoren übertragen werden. Wir versuchen jetzt herauszufinden, ob es vielleicht die Mitarbeiter in den Behandlungszentren sind, die für eine Übertragung sorgen."
    Besonders gelüftete Isolierstationen erforderlich
    Als Übertragungsweg vermuten die Forscher infektiöse Aerosole. Wenn ein Patient hustet, gelangen die Erreger in die Luft. Und gerade die gefährlichen Varianten von Mycobacterium abscessus sind dort lange überlebensfähig.
    Andres Floto empfiehlt deshalb neue Behandlungsrichtlinien für Mukoviszidose-Patienten mit Abscessus-Infekion. Diese sollten in isolierten Stationen der Kliniken untergebracht werden. Und die Stationen sollten wiederum besondere Lüftungssysteme erhalten. Beim Neubau einer Lungenklinik in Cambridge wird das bereits realisiert:
    "Unser neues Behandlungszentrum wird Anfang 2018 eröffnen. Dort soll in allen Patienten- und Behandlungszimmern, aber auch in den Fluren der Klinik die Luft 15 Mal pro Stunde ausgetauscht werden, um infektiöse Aerosole komplett zu entfernen."
    Ob solche Maßnahmen tatsächlich helfen, Mycobacterium abscessus effektiv von Mukoviszidose-Patienten fernzuhalten, muss sich erst noch zeigen. Andres Floto ist guter Hoffnung. Allerdings könnte es Jahre bis Jahrzehnte dauern, bis solche Vorkehrungen weltweit zum Standard in Lungenkliniken werden.