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Überwachung
Bundesnachrichtendienst soll Cybersicherheit gewährleisten

Der Bundesnachrichtendienst soll zum wichtigsten Pfeiler der Bundesregierung im Kampf gegen Cybergefahren werden. Durch eine Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes soll er Cyberangriffe durch die Überwachung des internationalen Telekommunikationsverkehrs verhindern. Experten kritisieren die Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten des BND.

Von Peter Welchering | 14.01.2017
    Internetkriminalität hat zugenommen.
    Die Bundesregierung hat die technischen Überwachungsmöglichkeiten des Bundesnachrichtendienstes ausgeweitet. (dpa / picture-alliance / Karl-Josef Hildenbrand)
    "Lizenz zum umfassenden Abhören und Speichern" - hören Sie zu dem Thema auch ein Gespräch mit Peter Welchering.
    Die Bundesregierung hatte sich eine der größten Reformen der Nachrichtendienste vorgenommen. Denn nach den Enthüllungen von Edward Snowden war klar, dass die Gesetzeslage nicht mehr der technischen Wirklichkeit entsprach. Der Bedarf an Neuregelung war groß. Mit zwei Gesetzesvorhaben sind auch die technischen Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes neu geregelt worden. Klaus Landefeld vom Internetknoten DE-CIX in Frankfurt am Main erläutert die beiden Gesetzesvorhaben so:
    "Es gab leider eine systematische Erweiterung der Befugnisse in Deutschland seit 2013. Es gab zu allererst mal dieses Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes. Das ist im November 2015 beschlossen worden. Und das ermöglicht jetzt theoretisch auch das Überwachen von Backbone-Leitungen im Inland für Cybergefahren, ausschließlich für den Bereich Cybergefahren. Und dann genau neu, das Gesetz zur Auslandsfernmeldeaufklärung vom 21.10.2016. Und damit ist Überwachung im Inland zulässig."
    Auch der Inlandsverkehr kann vom BND überwacht werden
    Gegen diesen Komplettzugriff auf alle Daten eines der weltweit größten Internetknoten wehrt sich der DE-CIX vor dem Bundesverwaltungsgericht seit September 2016. Das Verfahren wird noch einige Zeit dauern. Denn es geht um viele, teilweise komplizierte, technische Details. Zum Beispiel um die Frage, welche Daten welcher Kommunikationsnetze ausgewertet werden dürfen. Klaus Landefeld hält die seit 14 Tagen geltende Rechtsnorm und die dadurch begründete Überwachungspraxis für unzulässig:
    "Anordnungen nach dem neuen Gesetz gehen gegen ein Netz. Es benutzt dabei die Definition eines Netzes aus dem Telekommunikationsgesetz, das heißt sämtliche Leitungen, sämtliche Router, sämtliche anderen Geräte, die damit verbunden sind, das ist das Netz. Und die neuen Anordnungen richten sich gegen ein Netz. Also man muss nicht mehr sagen: Diese Leitung interessiert uns, die führt vom Inland ins Ausland, da können wir als Auslandsgeheimdienst sinnvoll sagen, da ist was. Nein, jetzt muss nur noch gesagt werden, das ganze Netz, und irgendwo in dem Netz gibt’s Auslandsverkehr."
    Dadurch kann auch der Inlandsverkehr überwacht werden. Zuständig für Überwachungsmaßnahmen im Inland sind das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz, die auch ohne richterliche Genehmigung Kommunikationsdaten auswerten dürfen. Das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter benötigen dafür in der Regel einen richterlichen Beschluss.
    Technische Überwachungsmöglichkeiten des BND erneut ausgeweitet
    Doch mit einem weiteren Gesetzesvorhaben hat die Bundesregierung die technischen Überwachungsmöglichkeiten des Bundesnachrichtendienstes bereits vor einem Jahr ausgeweitet. Klaus Landefeld:
    "Es gibt noch so ein bisschen eine Ausnahme. Das ist das G10 im Inland. Das darf eigentlich nur der Bundesverfassungsschutz machen. Seit letztem Jahr leider auch mit Unterstützung des Bundesnachrichtendienstes für den Phänomenbereich Cybergefahren. Cybergefahren ist leider so ein bisschen abstrakt gefasst. Cybergefahren ist alles, was Hacking wäre, Angriffe auf IT-Systeme oder ähnliche Geschichten."
    Durch das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes hat der Bundesnachrichtendienst einen neuen Aufgabenbereich erhalten: Er soll Cyber-Angriffe durch Aufklärung des internationalen Telekommunikationsverkehrs aufklären. Und das hat sehr konkrete Auswirkungen auf die Überwachungspraxis und die technische Arbeit des BND. Sie wird zum wichtigsten Pfeiler der Cybersicherheitsarchitektur der Bundesregierung.
    Hinweis der Redaktion: Die O-Töne von Klaus Landefeld stammen aus einem Vortrag, den er auf dem Chaos Communication Congresses (33C3) gehalten hat.