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Ukraine
Der Einfluss der Oligarchen

Rinat Achmetow ist der reichste Mann der Ukraine. Der Multimilliardär gilt als Ziehvater von Präsident Viktor Janukowitsch. Nicht nur in der Millionenstadt Donezk, der Heimat Janukowitschs, hoffen die Einwohner auf die Einflussnahme des Oligarchen, um die politische Krise zu beenden.

Von Florian Kellermann | 18.02.2014
    Sergej bedient in einem Bierausschank am Schewtschenko-Boulevard. Er füllt das Bier von kleinen Privatbrauereien aus der ganzen Ukraine in Gläser oder in Plastikflaschen zur Mitnahme ab. Dazu bietet er Stockfisch an. Kleine Karpfen, Zander oder Hecht - für jeden Geschmack und Geldbeutel.
    Sergej ist Industriemechaniker, aber in seinem Beruf findet er keine Anstellung. Trotzdem ist er einfach froh, dass er - der aus einer Kleinstadt kommt - in Donezk über Wasser bleibt, in der Millionenstadt in der Ostukraine.
    "Ich habe eine billige Ein-Zimmer-Wohnung für 180 Euro im Monat gefunden. Bei 400 Euro Verdienst reicht der Rest ganz gut zum Leben. In meiner Heimatstadt, 60 Kilometer von hier, würde es mir viel schlechter gehen. In der Sowjetunion gab dort 24 große Kombinate, aber die sind so gut wie alle verfallen."
    Der 19-Jährige arbeitet hart, von halb zehn Uhr morgens bis 22 Uhr. Während er am Zapfhahn steht, träumt er von Reisen in ferne Länder, deshalb sammelt er ausländische Geldmünzen. Doch bis auf Weiteres ist der einzige Luxus, den er sich leisten kann, ab und zu eine Eintrittskarte für den örtlichen Fußballverein Schachtar.
    Viele Ukrainer bewundern den mächtigen Oligarchen
    Der gehört dem reichsten Mann der Ukraine - Rinat Achmetow. Er besitzt Kohlegruben und Stahlwerke, sein Vermögen wird auf 11 bis 12 Milliarden Euro geschätzt. Ein kaum vorstellbarer Reichtum, aber Sergej findet das nicht weiter anstößig:
    "Wir reden ehrlich gesagt nicht oft über Achmetow. Es sei denn, er taucht auf der Tribüne auf, dann sagt einer: ein großer Mann, der Allerreichste! In den 90er-Jahren, als alles zusammenbrach, hat jeder soviel an sich gerafft, wie er konnte. Wenn nicht er, dann wäre ein anderer so reich geworden. Aber er hat es eben geschafft."
    "On smoch" - "Er hat's geschafft", das sagen viele in Donezk über Achmetow - mit offener Bewunderung oder sogar Neid.
    Nur wenige äußern sich kritisch in der Bergarbeiterstadt, wie die Schneiderin Valentina Fjodorowna, die auf der anderen Straßenseite in einer kleinen Werkstatt arbeitet. Für 70 Cent näht sie einen Knopf an, für 3,50 Euro kürzt sie eine Jeans.
    "Er ist reich - und wir sind bettelarm. Mein Gehalt ist gerade um 30 Prozent gekürzt worden, genauso bei meiner Tochter und ihrem Mann. Und die Lebensmittel werden immer teurer."
    Jetzt könnte Achmetow wenigstens dazu beitragen, dass die politische Krise im Land beigelegt wird, sagt Valentina Fjodorowna. Der Milliardär gilt als Ziehvater von Präsident Viktor Janukowitschund hat unter allen Oligarchen wohl den größten Einfluss auf ihn. Die Partnerschaft der beiden galt bis vor Kurzem als eng: Nachdem Janukowitsch vor vier Jahren sein Amt antrat, konnte Achmetow seine Vormachtstellung im Donezker Bezirk noch ausbauen.
    Hoffen auf politischen Einfluss von Achmetow
    Doch inzwischen habe sich Janukowitsch ein wenig freigeschwommen, er sei nicht mehr so abhängig von Achmetow, sagt Alexej Matsuka, Chefredakteur eines örtlichen Internetportals.
    "Neben der Gruppe von Achmetow gibt es nun auch eine Gruppe, die Janukowitschs Sohn Alexander zugerechnet wird. Diese beiden Klans teilen die gesamte Verwaltung untereinander auf und konkurrieren miteinander. Wenn es zum Beispiel eine öffentliche Ausschreibung gibt, dann gewinnt die Firma der Gruppe, die auch in der entsprechenden Verwaltungseinheit dominiert."
    Und Wirtschaftsexperten schätzen, dass die Gruppe von Alexander Janukowitsch in den vergangenen Jahren deutlich stärker zugelegt hat als die von Achmetow. Der Oligarch dürfte also ein kritisches Auge auf seinen ehemaligen Schützling Janukowitsch haben. Darauf deutet schon die Linie seines Fernsehsenders TRK Ukraina hin. Der berichtete zeitweise ausgewogen über die Proteste in Kiew, also keineswegs im Sinne von Janukowitsch.
    Im Januar warnte Achmetow öffentlich vor Blutvergießen, auch ein Fingerzeig für den Präsidenten. Der Oligarch braucht eine friedliche Lösung, schließlich verkauft er seine Stahlprodukte auch in die EU und hat Vermögen im Westen.
    Wie gut das Verhältnis zwischen den beiden derzeit ist, weiß kaum jemand. Doch einen politischen und wirtschaftlichen Kampf gegen Achmetow könnte Janukowitsch noch lange nicht gewinnen, meint Vitalij Sizov, Redakteur des Donezker Internetportals:
    "Achmetow hat Autorität bei den einfachen Leuten ebenso wie in der Partei der Regionen, aus der ja auch Janukowitsch stammt. Sein Geschäft hat ein starkes Fundament. Bei Janukowitsch ist das anders. Der Reichtum des Sohns hängt allein am Präsidentenamt des Vaters. Wenn dieser abtreten muss, könnte sein ganzes Imperium in sich zusammenfallen."