Donnerstag, 28. März 2024

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Ukraine
EU "muss mit Sanktionen arbeiten"

Wenn die Europäische Union in der Ukraine nur zuschaue und mit freundlichen Worten helfen wolle, werde sie nichts erreichen, sagt der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber im DLF-Interview. Es müsse Sanktionen wie ein Einreiseverbot für Präsident Janukowitsch in die EU geben.

Markus Ferber im Gespräch mit Bettina Klein | 30.01.2014
    Bettina Klein: Ein Amnestiegesetz unter Bedingungen, das ist das Ergebnis der Parlamentssitzung gestern Abend in Kiew. Am Telefon begrüße ich den CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber. Guten Morgen!
    Markus Ferber: Guten Morgen, Frau Klein!
    Klein: Herr Ferber, schauen wir auf das, was wir gerade gehört haben: die Ergebnisse von gestern Abend aus dem Parlament in Kiew. War das ein Beitrag zur weiteren Eskalation?
    Ferber: Es war sicherlich kein Beitrag zur Deeskalation, sondern hier wurde noch mal Macht demonstriert, die parlamentarische Macht, auf die sich Herr Janukowitsch abstützt, und von daher trägt er mit die Verantwortung, sollte es jetzt zu weiteren Eskalationen auf der Straße kommen.
    Klein: Wie viel Hoffnung haben Sie denn, dass Janukowitsch davon wieder zurückgeht?
    Ferber: Ich war eigentlich optimistischer gestimmt, nach dem die Einschränkungsgesetze, was die Meinungsfreiheit, die Demonstrationsfreiheit betrifft, zurückgenommen wurden, dass hier Bewegung im Parlament ist, dass hier wirklich Angebote gemacht werden zur Deeskalation. Jetzt aber hier die Amnestie an eine Bedingung zu knüpfen, die natürlich bedeutet, dass zunächst alle Positionen, die gehalten werden, aufgegeben werden müssen, dass man quasi nach Hause gehen muss und dann hoffen muss, dass die Amnestie auch wirklich greift, das ist kein Angebot an die Opposition, das ist kein Angebot an die Menschen in der Ukraine. Deswegen bin ich sehr, sehr verärgert über diese Machtdemonstration.
    "Wir müssen ein bisschen Druck aufbauen vonseiten der EU"
    Klein: Vitali Klitschko fordert heute Morgen von der Europäischen Union Sanktionen gegen Präsident Janukowitsch, genau genommen: "Wir hoffen, dass die EU so lange ein Einreiseverbot gegen Janukowitsch und seine Behördenvertreter verhängt, bis der Präsident die Rücknahme seiner diktatorischen Gesetze" – über die haben wir auch berichtet – "wirklich unterschreibt." Wird die EU diesem Wunsch von Vitali Klitschko folgen?
    Ferber: Ich habe großes Verständnis für den Wunsch von Herrn Klitschko. Wenn Sie sehen, welche Rede die Außenbeauftragte der Europäischen Union, Frau Ashton, gestern gehalten hat, wo sie sich sehr zurückgehalten hat, habe ich nicht den Eindruck, dass es hier große Bereitschaft gibt, und im Europäischen Parlament wird ja schon länger darüber diskutiert, solche Punkte zu fordern und abzuverlangen. Aber bei den Mitgliedsstaaten hält sich die Begeisterung darüber auch in Grenzen. Ich bin sehr enttäuscht darüber, weil ich denke schon, dass wir hier jetzt ein bisschen Druck aufbauen müssten vonseiten der Europäischen Union, und das, was Herr Klitschko fordert, wäre genau der richtige Ansatz.
    Klein: Weshalb sind die Mitgliedsstaaten der EU da so zurückhaltend Ihrer Meinung nach?
    Ferber: Das ist eine ganz spannende Frage. Das hat sich hier auch in der Vorbereitung des EU-Russland-Gipfels gezeigt, das hat sich beim letzten Außenministertreffen gezeigt, dass man hier sagt, ein demokratisch gewählter Präsident, den dürfe man doch nicht jetzt hier ausgrenzen, wir müssen doch den Gesprächsfaden aufrecht erhalten, und viele solcher Argumente kamen auf den Tisch. Ich habe den Eindruck, wenn wir als Europäer nur zuschauen und nur mit freundlichen Worten versuchen zu helfen, werden wir nichts erreichen. Und es ist doch interessant, dass sich die Menschen nach Europa sehnen als eine Rechtsgemeinschaft, als eine Gemeinschaft, die gegen staatliche Willkür sich ausspricht, und deswegen sollten wir hier auch entsprechend helfen.
    CSU-Europagruppenchef Markus Ferber gibt vor Beginn eines Treffens der CSU-Spitze vor der CSU-Zentrale in München ein Statement zum parteiinternen Streit um die Europapolitik ab.
    Ferber: "Ich bin sehr verärgert über diese Machtdemonstration" (picture alliance / dpa)
    "Wenn die Gewalt eskalieren sollte vonseiten Janukowitschs, dann muss schnell reagiert werden"
    Klein: Es hieß ja die vergangenen Tage schon immer, einerseits Sanktionen stünden jetzt nicht zur Debatte, andererseits wollte man diesen Drohmechanismus natürlich auch nicht vom Tisch nehmen. In welchem Fall, meinen Sie, würde sich die Europäische Union denn zu einem solchen Schritt entschließen?
    Ferber: Ich denke, wenn die Gewalt eskalieren sollte vonseiten Janukowitschs, dann muss schnell reagiert werden. Wir sollten aber einen Beitrag dazu leisten, dass es nicht zu dieser Eskalation kommt. Wir erwarten ja Herrn Klitschko jetzt bei der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende, wo natürlich das im Mittelpunkt der Gespräche stehen wird, und vielleicht gibt es hier die Möglichkeit, auch auf Gesprächsebene und diplomatischer Ebene etwas zu bewegen. Das Janukowitsch-Regime wird natürlich nicht anwesend sein. Vielleicht gelingt es hier, den Westen, die Europäer zu überzeugen, dass jetzt mit Sanktionen gearbeitet werden muss. Sonst wird es keine Deeskalation dort geben, sondern es wird alles schlimmer werden.
    Klein: Aber die Frage nach dem Beitrag der Europäischen Union zur Deeskalation stellt sich natürlich, nachdem in den vergangenen Tagen und Wochen da nicht mit sehr viel Erfolg gearbeitet werden konnte. Welches Gewicht hat die EU also noch?
    Ferber: Die EU hat natürlich, ich will das sehr offen sagen, in den letzten Tagen – und da meine ich insbesondere die Hohe Beauftragte, Frau Ashton, für die Außenpolitik – keinen konstruktiven Beitrag geleistet. Nur mit warmen Worten ist den Menschen nicht zu helfen. Hier muss Druck ausgeübt werden, hier müssen die Partner an den Verhandlungstisch gebracht werden. Auch der EU-Russland-Gipfel hat ja überhaupt keine Signale gebracht. Man hat sich nur zwei Stunden getroffen, Positionen ausgetauscht und ist wieder voneinander gegangen. Das ist nicht diplomatische Spitzenleistung gewesen und es enttäuscht mich sehr, weil Europa hier eine hohe Verantwortung hat, direkt in der Nachbarschaft dafür zu sorgen, dass die Menschen eine Perspektive bekommen.
    Klein: Das war jetzt eine ganz klare Kritik auch gegen die Person von Catherine Ashton selbst und gegen ihre Strategie?
    Ferber: Das ist eine klare Kritik an Frau Ashton, aber natürlich: auch Frau Ashton ist nur so stark, wie sie von den Mitgliedsstaaten unterstützt wird. Hier sind eine Reihe von Mitgliedsstaaten sehr auf der Bremse, aus verschiedensten Motiven, und das macht mich alles sehr traurig, weil wir den Menschen keine Perspektive geben.
    Geld als Hebel, um Janukowitsch zu Zugeständnissen zu bewegen
    Klein: Herr Ferber, wir hören heute Morgen, dass Wladimir Putin nun die zugesagten Zahlungen doch zunächst mal auf Eis legen will. Man möchte dort also abwarten, wie der Machtkampf ausgeht, so hört man aus Moskau. Ist die Europäische Union – das wäre ja ein konkreter Beitrag -, wäre die Europiäsche Union bereit, da finanziell einzuspringen?
    Ferber: Die Europäische Union hatte ja auch mit internationalen Geldgebern ein Paket geschnürt im Rahmen der östlichen Partnerschaft. Diese Mittel stehen zur Verfügung und hier sollten auch konkrete Gespräche geführt werden. Gerade hier ist der Hebel, auch Bedingungen zu setzen. Es zeigt sich doch, dass hier Putin als Realpolitiker sehr nüchtern entscheidet, kann er noch Geld geben, geht es an die Quellen, wo er es haben will, und wir haben nichts dagegenzusetzen, außer freundlichen Worten. Auch das ist mit ein Beitrag, wo Europa mehr tun könnte, als es heute tut, um nämlich hier auch Perspektive zu geben.
    Klein: Aber Europa wird nicht mit zwölf Milliarden einspringen, die jetzt noch fehlen, was die Zahlung aus Moskau angeht?
    Ferber: Unser Interesse ist es ja jetzt nicht, das System Janukowitsch zu unterstützen und als Finanzier einzuspringen, sondern das wäre der Hebel, um Janukowitsch zu weiteren Zugeständnissen, insbesondere zu Neuwahlen zu bewegen.
    Klein: Markus Ferber, der CSU-Europapolitiker, heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk zur aktuellen Entwicklung in der Ukraine. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Ferber.
    Ferber: Gerne, Frau Klein.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.