Kritik an EU-Ökoverordnung

"Wir sind nicht zufrieden"

Der Vorstandsvorsitzende des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Felix Prinz zu Löwenstein, aufgenommen am 04.02.2016 in Nürnberg (Bayern)
Der Vorstandsvorsitzende des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Felix Prinz zu Löwenstein © picture alliance / dpa / Daniel Karmann
Felix Prinz zu Löwenstein im Gespräch mit Dieter Kassel · 14.08.2017
Die EU hat sich auf eine Reform der Ökoverordnung geeinigt. Sehr zum Missfallen der deutschen Ökobauern - denn die neue Verordnung messe mit zweierlei Maß, kritisiert Bio-Landwirt Felix Prinz zu Löwenstein: streng gegenüber EU-Bauern, zu lasch gegenüber Drittländern.
Dieter Kassel: Nach dreieinhalb Jahren wirklich intensiver Auseinandersetzung hat sich das Europäische Parlament schon Ende Juni mit den EU-Mitgliedsstaaten grundsätzlich über eine Reform der EU-Ökoverordnung geeinigt. Aber die neuen Regeln, die in diesen Plänen stehen, werden möglicherweise niemals in Kraft treten, denn es gibt mächtige Gegner, in Deutschland zum Beispiel ziehen das Bundeslandwirtschaftsministerium und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft an einem Strang und sagen, diese Regeln, viele von ihnen zumindest, sind so nicht sinnvoll und nicht anwendbar. Der Vorsitzende des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft ist Felix Prinz zu Löwenstein, selbst Biolandwirt und deshalb natürlich um diese Zeit längst wach. Schönen guten Morgen!
Felix Prinz zu Löwenstein: Guten Morgen!
Kassel: Bevor wir jetzt aufs Inhaltliche kommen – diese Tatsache, also Ihr Verband, da doch ausnahmsweise mal am gleichen Strang ziehen wie das CSU-geführte Landwirtschaftsministerium, ist das nur erfreulich, oder macht Sie das nicht auch ein bisschen nachdenklich?
zu Löwenstein: Nein, das ist ja sehr gut, dass wir seit mittlerweile drei Jahren in enger Abstimmung über die Frage sind, wie sollte eine solche Verordnung ausschauen. Man muss ja dazu sagen, es gibt ja längst eine Ökoverordnung, und man hätte auch die bestehende Ökoverordnung weiterentwickeln können, wie das ja über all die Jahre immer der Fall war. Die Kommission hat beschlossen, einen anderen Weg zu gehen, nämlich eine völlig neue Verordnung aufzustellen. Das ist dann mit sehr viel Arbeit verbunden, weil man ja dann sich jede Neuregelung noch mal neu anschauen muss. Und wir haben da intensiv zusammengearbeitet auch mit den Bundesländern, auch mit den anderen Vertretern der Ökobranche in den anderen EU-Staaten, am Ende auch mit dem EU-Parlament. Das ist ein sehr intensiver Zusammenarbeitsprozess, und jetzt am Schluss ist halt ein Kompromissvorschlag vorgelegt worden von Rat und Parlament, und mit dem müssen wir uns jetzt auseinandersetzen.

Wirtschaften in der offenen Natur

Kassel: Nehmen wir mal einen Punkt, der Ihnen nicht gefällt, wenn ich das richtig verstanden habe. Dieser Kompromiss, dieser Entwurf, wie er jetzt auf dem Tisch liegt, der sieht vor, dass für in der EU produzierte Biolebensmittel strengere Grenzwerte, was die Pestizidbelastung angeht, gelten sollen, als für Lebensmittel aus konventioneller Landwirtschaft. Warum lehnen Sie das ab?
zu Löwenstein: Nein, das sieht er ja längst gar nicht mehr vor, weil das ja auch Unsinn gewesen wäre. Sie können ja als Biobauer nicht anfangen, für das zu haften, was andere Bauern, also konventionelle Bauern machen und was durch Verfrachtung oft über Hunderte von Metern bei Ihnen ankommt. Es ist so: Wir kennen ja die Situation in den Biolebensmitteln. Dadurch, dass zum Beispiel Länder wie Baden-Württemberg regelmäßig Erhebungen darüber machen, wie die Rückstände in Biolebensmitteln im Vergleich zu konventionellen Lebensmitteln ausschauen. Da sind wir um Faktoren wie 200- bis 400-fach drunter. Was ja nicht verwunderlich ist, weil wer solche Sachen nicht einsetzt, findet natürlich weniger Spuren in seinen Lebensmitteln.

Biobauern sitzen nicht unter einer Glasglocke

Nur können Sie auch als Biobauer ja nicht unter einer Glasglocke wirtschaften, sondern Sie wirtschaften ja in dieser offenen Natur, in der all diese Stoffe unterwegs sind. Und deswegen, garantieren zu können, dass da gar nichts vorkommt, geht nicht. Nein, diese Frage ist ja Gott sei Dank längst vom Tisch. Und es ist ja auch so, wenn Sie in der EU sich einigen müssen beziehungsweise die Mitgliedsstaaten auf eine solche Verordnung, dann ist es völlig ausgeschlossen, dass etwas rauskommt, was jedem in allen Punkten gefällt. Wenn man in der EU nicht kompromissfähig ist, dann kann man auch nicht eine gemeinsame Europäische Union haben. Es geht jetzt am Schluss nur noch um eine allerdings sehr wichtige Frage: Im Moment steht da noch drin, dass jedwede Spur, egal wie viel, die gefunden wird bei den Behörden, dazu führt, dass die ein Verfahren auslösen müssen. Das ist aber eine völlig widersinnige Sache und kann nicht funktionieren. Deswegen sind wir uns da völlig einig nicht nur mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium, sondern auch mit den Ländern.
Kassel: Wobei ich natürlich als Verbraucher trotzdem noch mal zurückkommen muss auf diese Pestizidgeschichte. Als Verbraucher, der gern mehr Geld ausgibt, um biologisch erzeugte Lebensmittel zu kaufen, finde das nicht so gut, wenn Sie sagen, das war ohnehin Quatsch, und Gott sei Dank ist es längst vom Tisch. Denn ich verstehe, was Sie sagen, mit dieser Grundbelastung, die in der Luft ist. Aber ich gebe ja mehr Geld für die besseren Lebensmittel nicht aus, um damit den guten Willen des Biobauers zu belohnen, sondern weil ich will, dass es wirklich besser ist.
zu Löwenstein: Das kriegen Sie, haben ich Ihnen ja gesagt, auch –
Kassel: Ja, sicher, aber wenn es so ist, kann man es doch auch nachprüfen.
zu Löwenstein: Der Punkt ist nur der: Was wir brauchen, ist eine andere Landwirtschaft, die ohne diese Stoffe in der Natur wirtschaftet, und zwar erstens deswegen, weil in der Natur diese Stoffe Schaden anrichten, zum Beispiel an der biologischen Vielfalt und damit an den Grundlagen unserer Nahrungsproduktion für die Zukunft. Und zweitens, weil in Konsequenz, wenn weniger Stoffe ausgebracht werden, auch der Verbraucher weniger Stoffe bekommt. Übrigens nicht nur in den Nahrungsmitteln, sondern wenn Sie in der Landschaft spazieren gehen. Das, was da in der Luft ist, kriegen Sie ja auch mit als Spaziergänger in der Lunge. Mit anderen Worten, was wir brauchen, ist eine Ökoverordnung, die möglichst vielen Menschen ermöglicht, anders zu wirtschaften, ohne all diese Stoffe, weil nur dann kriegen wir sie ja mehr und mehr los, nur dann kriegen wir die Belastung überall herunter. Und wenn wir jetzt eine Verordnung machen, die dazu führt, dass ein Bauer, obwohl er alles richtig macht, dann immer noch nicht weiß, habe ich jetzt ein Bioprodukt, dann führt das dazu, dass die Leute, die nicht zufällig auf irgendeiner Insel wirtschaften, nicht mehr ökologische Landwirtschaft betreiben können. Wer soll denn daran Interesse haben.

Keine Regelungen für Bio-Ananas

Kassel: Nun soll ja dieses revisionierte EU-Gesetz, die EU-Ökoverordnung nicht nur regeln, was für in der EU produzierte Biolebensmittel gilt, sondern auch, welche Standards gelten für Biolebensmittel, die aus Nicht-EU-Ländern importiert werden. Sind Sie da inzwischen auch schon zufrieden ob des Kompromisses, oder sagen Sie immer noch, das, was da vorgesehen ist, reicht uns nicht?
zu Löwenstein: Nein, zufrieden sind wir nicht. Wir hätten uns etwas gewünscht, was mehr auf die unterschiedlichen Verhältnisse in unterschiedlichen Erdteilen Rücksicht nimmt. Ganz plump: In der EU-Ökoverordnung ist die Produktion von Ananas nicht geregelt. Wenn Sie Bio-Ananas importieren, dann müssen Sie doch noch zusätzliche Regeln erfinden, die beschreiben, wie Bio-Ananas hergestellt werden können. Unser Vorschlag war gewesen, mit regionalen Standards zu arbeiten, die es gibt. Das ist nicht gelungen, uns da durchzusetzen. Aber der Punkt ist ein ganz anderer: Egal, welche Regelungen Sie am Ende machen, es kommt darauf an, dass sie auch durchgesetzt werden. Und wenn die Europäische Union, was heute viel zu wenig der Fall ist, nicht die Mittel in die Hand nimmt – ich rede von Geld und ich rede von Personal – um in Drittländern zu überprüfen, was dort an Kontrollen stattfindet, dann kriegen Sie auch durch neue Regelungen nicht mehr Sicherheit. Und das ist unsere Hauptkritik, und die bleibt bestehen, und an dieser Frage werden wir auch weiter drängen müssen, damit wir da ruhig schlafen können.
Kassel: Sagt Felix Prinz zu Löwenstein. Er ist der Vorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Herzlichen Dank fürs Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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