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Ukraine
Janukowitsch sagt Waffenstillstand zu

Der ukrainische Präsident und die Opposition haben sich auf eine Aussetzung der Auseinandersetzungen geeinigt. "Alles zu tun, damit die Gewalt nicht weiter eskaliert", erklärten Angela Merkel und Wladimir Putin vor der Reise des deutschen und französischen Außenministers nach Kiew.

19.02.2014
    Eine Bildcollage von Wladimir Klitschko und Viktor Janukowitsch.
    Wladimir Klitschko und Viktor Janukowitsch einigen sich - vorerst. (dpa/picture alliance/Dolzhenko;Kochetkov)
    Nach den blutigen Straßenschlachten in Kiew hat Präsident Viktor Janukowitsch einen Waffenstillstand zugesagt. Das teilten die Regierungsgegner Arseni Jazenjuk und Vitali Klitschko nach einem Treffen mit dem Staatschef mit. Es würden nun Verhandlungen aufgenommen, um das Blutvergießen zu beenden, hieß es auf der Webseite des Präsidenten am Mittwochabend.
    Bundeskanzlerin Merkel und Kremlchef Putin hatten zuvor telefonisch über die Krise in der Ukraine gesprochen. Merkel informierte Putin über die Initiative Deutschlands, Frankreichs und Polens: Die Außenminister der Länder werden bei einer Sondersitzung in Brüssel über mögliche Sanktionen gegen die politische Führung der Ukraine entscheiden. Zuvor reist Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit seinem französischen Kollegen Laurent Fabius nach Kiew. Beide wollen nach Angaben von Fabius den polnischen Außenminister Radoslaw Sikorski begleiten, der im Auftrag der EU in Kiew vermitteln soll.
    Auch Marieluise Beck, die Obfrau der Grünen im Auswärtigen Ausschuss, sprach sich im Deutschlandfunk für Sanktionen aus - nicht gegen die Ukraine als Land, wohl aber gegen die politische Führung: "Es ist ja absurd, dass diejenigen, die jetzt das Volk unterdrücken und den Weg in Richtung EU unterbinden wollen, aber ihr eigenes persönliches Fortkommen, ihre Geschäftstätigkeit und ihren Reichtum im Westen sichern, weil sie darauf vertrauen können, dass dort Rechtsstaatlichkeit und Schutz von Eigentum herrscht."
    Entlassung ohne Begründung
    Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hat Armeechef Wolodimir Samana entlassen und durch den bisherigen Marinechef Juri Iliin ersetzt. Eine Begründung gab er nicht an.
    Heute, am Tag nach den gewaltsamen Krawallen mit mindestens 26 Todesopfern, kündigte die ukrainische Staatssicherheit eine landesweite "anti-terroristische Operation" an. In einer Mitteilung heißt es, Extremisten bedrohten die Sicherheit der Bürger. Soldaten hätten unter anderem das Recht, Schusswaffen einzusetzen und Personen festzunehmen, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit. Beobachter befürchten nun die Ermöglichung eines Ausnahmezustandes.
    Paris und Berlin wollen Sanktionen
    Angesichts der neuen Gewalt in der Ukraine sprechen sich Frankreich und Deutschland für Sanktionen gegen die Führung in Kiew aus. Staatspräsident François Hollande sagte nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Paris, die Akteure müssten sich für ihre Taten verantworten und mit Konsequenzen rechnen. Zugleich appellierte Hollande an alle Beteiligten, sich für eine friedliche Lösung einzusetzen. Merkel nannte die Gewalt auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew schockierend. "Wir fühlen mit den Menschen auf dem Maidan - mit allen, die Opfer von Gewalt geworden sind." Die Kanzlerin betonte, wichtig sei es, dass ein politischer Dialog wieder in Gang komme. Die ukrainische Regierung müsse die Gewalt unterbinden.
    Die USA rufen zur Waffenruhe auf
    Die US-Regierung will sich beim Verhängen von Sanktionen gegen die Ukraine mit der Europäischen Union abstimmen. Sie rief zudem die Führung in Kiew auf, die Polizeieinheiten vom Maidan abzuziehen, eine Waffenruhe auszurufen und mit der Opposition das Gespräch zu suchen. Darüber hinaus bezeichnete das Weiße Haus die Gewalt als "vollkommen abscheulich". Der Vize-Berater für nationale Sicherheit, Ben Rhodes, sagte Reportern an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One, für eine derartige Gewalt sei "im 21. Jahrhundert kein Platz".
    Russland warnt Kiews Opposition
    Andere Töne wurden dagegen in Moskau angeschlagen. Ein Sprecher von Russlands Präsident Wladimir Putin sagte, man bleibe bei seiner Politik der Nicht-Einmischung in der Ukraine. In einer Stellungnahme des Außenministeriums allerdings wurden die Oppositionsführer dazu aufgerufen, dem Blutvergießen ein Ende zu setzen und sofort den Dialog mit der Regierung aufzunehmen. Man werde seinen ganzen Einfluss dafür einsetzen, dass Frieden und Ruhe in der Ukraine wieder einkehren.
    Ex-Kanzler Schröder will sich nicht einschalten
    Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat es derweil abgelehnt, im Ukraine-Konflikt zu vermitteln. Eine Einzelperson könne dies nicht übernehmen, sagte er "Spiegel Online". Nur die UN seien dazu in der Lage. Die EU könne dagegen unmöglich in dem Konflikt vermitteln, da sie "den Fehler gemacht" habe, die Opposition einseitig zu unterstützen. Sie sei "nun selbst Partei". Sanktionen gegen das Land lehnte Schröder ab. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi hatte Schröder im Deutschlandfunk als Vermittler ins Gespräch gebracht.
    Auf dem Maidan ist die Gewalt neu aufgeflammt
    Unterdessen zieht sich der Ring der Sicherheitskräfte um die Protestierenden auf dem Maidan immer enger, wie Korrespondent Bernd Großheim berichtet . In der Nacht war hier der seit Wochen schwelende Machtkampf eskaliert, als nach Ablauf eines Regierungs-Ultimatums Tausende Polizisten mit Wasserwerfern und Blendgranaten gegen das Protestlager der Opposition vorrückte. Die Regierungsgegner wehrten sich mit Steinen, Knüppeln und Brandbomben. Nach offiziellen Angaben kamen dabei mindestens 25 Menschen ums Leben. Mehr als 500 Menschen wurden verletzt. Teile des Protestlagers auf dem Maidan und das Hauptquartier der Opposition gerieten in Brand - inzwischen ist es nahezu ausgebrannt.
    Die Proteste haben sich auch auf den Westen des Landes ausgeweitet: In der Stadt Ternopol versuchten Hunderte Oppositionelle, ein Polizeigebäude zu stürmen, und setzten es in Brand. Auch in Iwano-Frankowsk, Rowno und Lemberg kam es zu Unruhen. Laut DLF-Korrespondentin Sabine Adler ist ein schnelles Ende der Auseinandersetzungen nicht in Sicht.