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Ukraine
Janukowitsch verliert Unterstützung alter Bündnispartner

Der ukrainische Präsident steht nicht mehr nur durch seine politischen Gegner unter Druck. Auch ehemals Verbündete rücken zunehmend von ihm ab. Darunter ein Teil der orthodoxen Kirche und die Oligarchen, die Angst um ihre Geschäfte haben.

Von Florian Kellermann | 27.01.2014
    Viktor Pintschuk ist einer der reichsten Männer in der Ukraine. Alljährlich beim Weltwirtschaftsforum in Davos organisiert er einen Runden Tisch, so auch in der vergangenen Woche. Pintschuk bringt Politiker und Geschäftsleute zusammen, damit sie über wohltätige Projekte nachdenken.
    In diesem Jahr begann er den Runden Tisch sichtlich nervös und höchst ungewöhnlich.
    "Sie wissen, ich bin ein ukrainischer Geschäftsmann. In meinem Land herrscht eine sehr instabile Situation. Es ist das erste Mal in unserer jüngeren Geschichte, dass bei Demonstrationen Blut fließt, mehrere Menschen wurden getötet. Ich war noch nie so besorgt über die Zukunft meines Landes. Bitte lassen Sie uns eine Schweigeminute einlegen. Lassen Sie uns beten um Frieden und Vernunft, um Kompromiss und Versöhnung."
    Pintschuk ist besorgt um seinen guten Ruf im Westen, hieß es in ukrainischen Kommentaren, er wolle die Stahlrohre aus seiner Produktion auch in der Europäischen Union absetzen. Dabei ist Pintschuk keineswegs ein erklärter Anhänger der Opposition. Immer wieder unterstützte er in den vergangenen Jahren Präsident Viktor Janukowitsch - wie die meisten ukrainischen Oligarchen.
    Ukrainische Oligarchen rücken vom Staatsoberhaupt zunehmend ab
    Doch nun mehren sich die Anzeichen, dass diese vom Staatsoberhaupt abrücken. Neben Pintschuk meldete sich auch Rinat Achmetow zu Wort, der Kohle- und Stahlbaron aus Donezk in der Ostukraine, der einst als Ziehvater von Janukowitsch galt. Er ließ erklären: Die politische Krise dürfe nur im Frieden gelöst werden, das Menschenleben sei das höchste Gut. Das verstanden Beobachter als deutliche Warnung an den Präsidenten: keine Todesopfer mehr.
    Die Haltung der mächtigen Oligarchen dürfte mitverantwortlich dafür sein, dass sich Janukowitsch am Wochenende zum ersten Mal kompromissbereit zeigte. Der Druck auf ihn wächst also nicht nur vonseiten der Demonstranten auf den Straßen der Ukraine, sondern auch aus Kreisen, die bisher mit seinem Regime verwoben waren.
    Die Fälle häufen sich: Ein Polizist der Spezialeinheit Berkut gab ein Folter-Video an die Presse weiter. Es zeigt, wie seine Kollegen einen Demonstranten nackt ausziehen und im Schnee vor sich herumlaufen lassen. Der Richter Wolodymyr Ljuljko aus dem Bezirk Winnitsa legte sein Amt nieder und erklärte im Gerichtsgebäude:
    "Liebe Kollegen, ich schäme mich dafür, dass ich Richter war, wenn ich die Ungerechtigkeit betrachte, mit der wir über unsere Mitbürger urteilen. Bitte haltet euch an das Gesetz und an die Verfassung. Ich weiß, dass es derzeit leider keine unabhängige Gerichtsbarkeit gibt. Wir fällen die Urteile, die uns vom Präsidialamt vorgeschrieben werden. Sonst droht uns die Entlassung, und das innerhalb von 24 Stunden. Aber wer im Namen des Volkes ungesetzliche Urteile fällt, begeht eine Schande."
    Unmut bei Journalisten
    Auch unter den Journalisten wächst der Unmut. Vor allem bei vielen der landesweiten Fernsehsender dürfen sie nicht objektiv über die Ereignisse in berichten. Das gelte für die meisten Privatsender, die Oligarchen gehören, ebenso wie für das Staatsfernsehen, sagt Oksana Romaniuk von der Vereinigung "Reporter ohne Grenzen".
    "Beim ersten Programm des Staatsfernsehens haben die ersten beiden Journalisten gekündigt, weil sie es ablehnen, weiter die öffentliche Meinung zu manipulieren. Sie haben ja gesehen, dass auf der Straße Menschen von der Polizei erschossen werden, und sollten gleichzeitig erklären, dass mit dem Staat alles in Ordnung ist. Ich hoffe, dass andere ihrem Beispiel folgen werden, denn schließlich hängt viel ab von den verbreiteten Informationen."
    Kirche nicht mehr auf einer Linie mit Janukowitsch
    Selbst die bisher Janukowitsch-treue orthodoxe Kirche liegt nicht mehr auf einer Linie mit dem Präsidenten. Dabei handelt es sich um den Teil der orthodoxen Kirche in der Ukraine, der sich dem Patriarchen in Moskau unterwirft. Sie war ein natürlicher Partner für Janukowitsch, beide sahen die Annäherung ihres Landes an die Europäische Union skeptisch. Doch nun warnt auch die Ukrainische Orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchats, wie sie offiziell heißt, eindringlich vor weiterem Blutvergießen vonseiten der Polizisten. Die Verantwortlichen unter den Uniformierten müssten bestraft werden, erklärte der Metropolit.
    So sieht sich Präsident Janukowitsch einer immer breiteren Front gegenüber. Seine Gegner hoffen deshalb, dass er weitere Zugeständnisse machen muss und schließlich zurücktreten wird.