Bernard-Henri Lévys Theaterstück "Looking for Europe"

Kampf gegen die Dämonen des Populismus

04:41 Minuten
Der französische Philosoph und Schriftsteller Bernard-Henri Levy.
"Im 5. Akt beschwöre ich die wahren Gründer Europas", sagt Lévy. "Das sind nicht Adenauer und Jean Monnet. Sondern Goethe und Erasmus, Dante und Perikles." © AFP
Von Dirk Fuhrig · 13.04.2019
Audio herunterladen
Mit seinem Theaterstück "Looking for Europe" will Frankreichs bekanntester Intellektueller gegen die Auflösung Europas ankämpfen. In 22 europäischen Städten hält Bernard-Henri Lévy einen Bühnenmonolog – und plädiert für ein Europa der Poesie.
Jeder Satz ein Statement – ein Statement gegen die Dämonen, die man vertrieben glaubte, und die in Gestalt der rechten Populisten derzeit wieder auferstehen. Bernard-Henri Lévy erklärt:
"Ich will der schweigenden Mehrheit der Europäer klar machen, dass es Zeit ist, die Stimme zu erheben. Europa hat zwei Feinde: die Rechts- und Links-Populisten innerhalb Europas - und Trump und Putin außerhalb. Mein Theaterstück setzt ein 'Nein' gegen diese auflösenden Kräfte."
Dieses "Nein" ist ein Monolog. 90 Minuten lang steht, sitzt, läuft Bernard-Henri Lévy. Der große Selbstdarsteller ist ganz allein auf der Bühne. Und deklamiert. Ein Schreibtisch, ein Bett – ein Hotelzimmer in Sarajevo. Die heutige Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina ist für Bernard-Henri Lévy das Symbol, an dem sich sowohl die Katastrophe des Ersten Weltkriegs, als auch das Versagen der EU festmachen lasse. Die multireligiöse und multikulturelle Stadt sei im Balkan-Krieg von Westeuropa aufgegeben worden.

Lévy greift Fragen aus dem Publikum auf

Aber warum ein Theaterstück und kein Vortrag, keine politische Rede? "Ein Theaterstück ist etwas, das man mitnehmen kann und das sich immer wieder verändert", sagt der wortmächtige Intellektuelle, der auf der Theaterbühne auch auf seine Ausstrahlung setzt. "Ich integriere das Publikum. Es gibt immer wieder Unterbrechungen, in denen ich das, was die Leute sagen, aufgreife. Fragen wie: 'Europa, was geht mich das an?' – 'Was habe ich davon, was bringt mir das?' – 'Ist Europa nicht nur etwas für die Elite, für die Reichen?' – Und ich antworte dann auf diese skeptischen Aussagen."
Stichwort "Interaktivität" und direkter Kontakt mit dem Publikum – aus diesem Grund hat sich Lévy für die Form eines Theater-Stücks entschieden. Und mit sparsam eingesetzter Musik und dem Bühnenbild versucht er die Zuhörer mit anderen Sinnen anzusprechen, als er es mit einer Rede könnte.
"In 'Looking for Europe' plädiere ich auch für ein poetischeres Europa. Politik und Poesie", erklärt Lévy. "Im 5. Akt beschwöre ich die wahren Gründer Europas. Das sind nicht Adenauer und Jean Monnet. Sondern Goethe und Erasmus, Dante und Perikles. Die große Dichtung, die den geistigen Horizont Europas geprägt hat." Und so eine Beschwörung der guten Geister lässt sich als Bühnenmonolog besonders eindringlich inszenieren, meint Frankreichs Großmeister der politischen Performance.

Lévy will, dass die Zuschauer über das Stück posten

Für jeden Ort, an dem er gastiert, schreibt Lévy seinen Text um und fügt Anspielungen auf die jeweilige politische Situation hinzu, so wie in der Wiener Fassung den Kanzler Sebastian Kurz. Für sein Gastspiel in Berlin will Lévy unter anderem Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer in seiner Streitrede auftreten lassen.
"Mein Stück ist wie ein Bild für Europa: Es symbolisiert die Einheit gemeinsamer Werte. Und andererseits zeigt es die Diversität der kulturellen Referenzen."
Der Philosoph und Schriftsteller ist in Frankreich im Fernsehen, im Radio und in Zeitungen als Kommentator omnipräsent. Es gibt keinen anderen europäischen Intellektuellen, der so stark die Öffentlichkeit sucht. Von der Bühne herab, so glaubt er, kann er die Europäer direkter erreichen:
"Im Theater kann man sich an alle gemeinsam und gleichzeitig an jeden Einzelnen wenden. Das Publikum bildet ein Kollektiv, aber jeder bewahrt in der Stille und Dunkelheit des Zuschauerraums seine Individualität. Die Zuschauer dürfen ihre Mobiltelefone anlassen und Fotos und Videos machen. Jeder kann sie in die sozialen Netzwerke einspeisen. Der Text des Theaterstücks ist kämpferisch. Er ist geschrieben für diejenigen, die Europa, die Demokratie und die Freiheit lieben. Und er gehört allen. Jeder und jede kann ihn für sich beanspruchen."
Mehr zum Thema