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Ukraine-Konflikt
Furcht vor weiterer Eskalation

Im Ukraine-Konflikt hat sich die Situation erheblich verschärft. Die NATO spricht von alarmierenden Truppenbewegungen auf russischer Seite, die UNO ruft eine Sondersitzung ein. Zuvor war der Hilfskonvoi aus Russland ohne Zustimmung der Regierung in Kiew in die Ukraine weitergefahren.

22.08.2014
    Ein Mann schwenkt eine russische Fahne, im Hintergrund ist ein weißer Lkw des umstrittenen russischen Hilfskonvois für die Ukraine zu sehen.
    Der umstrittene russische Hilfskonvoi hat bei Izvarino die Grenze zur Ukraine passiert - und wurde von prorussischen Bewohnern der Region empfangen. (AFP/ Sergey Venyavsky)
    Wegen der Krise in der Ukraine hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am Freitag eilig eine Sondersitzung einberufen. Das mächtigste UN-Gremium in New York will sich mit der Lage nach dem Grenzübertritt des umstrittenen russischen Hilfskonvois in die Ostukraine befassen. Die Sitzung sollte nicht öffentlich sein.
    Der Konvoi war unter scharfem Protest der Regierung in Kiew ohne Erlaubnis über die Grenze gerollt. Nach wochenlangem Streit wollte Moskau nach eigenen Angaben nicht länger auf das Einverständnis des Roten Kreuzes und der ukrainischen Regierung warten. Inzwischen sind alle russischen Lastwagen auf ukrainischen Boden angekommen, berichtet DLF-Korrespondent Mathias Schneider. Die 280 Lastwagen des russischen Konvois sind am Abend in Lugansk eingetroffen, wie ein Sprecher der Stadtverwaltung der Agentur Interfax zufolge sagte.
    Die Entsendung des Hilfskonvois stieß weltweit auf Kritik. "Russland muss seine Fahrzeuge sofort vom Gebiet der Ukraine zurückziehen", sagte John Kirby, Sprecher im US-Verteidigungsministerium in Washington. Zugleich drohte er indirekt mit neuen Sanktionen.
    Poroschenko: Bruch des Völkerrechts
    NATO-Oberbefehlshaber Philip Breedlove verurteilte den Grenzübertritt des russischen Hilfskonvois heftig. "Legitime humanitäre Hilfe sollte nicht gewaltsam über internationale Grenzen hinweg geschmuggelt werden - ohne Zustimmung und ohne die Beteiligung internationaler Hilfsorganisationen", erklärte Breedlove im militärischen NATO-Hauptquartier im belgischen Mons. Auch die EU-Kommission kritisierte die eigenmächtige Fahrt des russischen Hilfskonvois über die Grenze in die Ostukraine. "Dies ist eine klare Verletzung der ukrainischen Grenze", erklärte ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton.
    Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko nannte den Grenzübertritt ein Bruch des Völkerrechts. Er rief Russland am Freitag auf, die Lage wieder in Einklang mit dem Recht zu bringen.
    Rasmussen: Alarmierende Truppenbewegungen
    Besorgt zeigte sich auch Brüssel NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Der Däne verurteilte die nach NATO-Erkenntnissen massive militärische Unterstützung Russlands für die Aufständischen in der Ostukraine. Die Allianz beobachte einen "alarmierenden Aufbau" von russischen Boden- und Lufttruppen in der Nähe der Ukraine. "Anstatt die Lage zu deeskalieren, fährt Russland fort, sie zu eskalieren."
    NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen
    NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen ( picture alliance / dpa / Vit Simanek)
    Merkel reist am Samstag nach Kiew
    Bundeskanzlerin Angela Merkel will am Samstag nach Kiew reisen und den ukrainischen Präsidenten Poroschenko treffen. Nach Angaben ihres Regierungssprechers kritisierte sie, dass der russische Hilfskonvoi eigenmächtig und zum Teil auch ohne vorherige Inspektion die Grenze zur Ukraine überquert habe. Die Kanzlerin habe dies am Freitag in Telefongesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zum Ausdruck gebracht. Russland nehme eine Eskalation der ohnehin schon angespannten Situation billigend in Kauf.
    Putin wies die Kritik in dem Telefonat mit Merkel zurück. Die Führung in Kiew habe die Erlaubnis zum Grenzübertritt immer wieder verzögert, so dass Moskau schließlich eine Entscheidung habe treffen müssen. Eine weitere Verzögerung wäre unzulässig gewesen, hieß es in einer Kreml-Mitteilung. Putin habe Merkel seine "ernste Besorgnis" darüber mitgeteilt, dass die prowestliche Regierung in Kiew die Separatistenhochburgen Lugansk und Donezk immer stärker unter Beschuss nehme und dabei weitere zivile Opfer in Kauf nehme.
    Minister: Diplomatischer Vertreter Litauens in Ostukraine ermordet
    Unterdessen berichtet die Nachrichtenagentur AFP von einem ermordeten diplomatischen Vertreter Litauens in der Ostukraine. Nach Angaben des litauischen Außenministers sei der litauische Honorarkonsul im östlichen Lugansk von Rebellen getötet worden. Er sei "von Terroristen gekidnappt und brutal getötet" worden, schrieb Außenminister Linas Linkevicius am Freitag auf seinem Profil im Internetdienst Twitter, während er sich in Kiew aufhielt. Er sei "in tiefer Trauer" angesichts der Nachricht vom Tod von Mykola Zelenec, schrieb Linkevicius.
    With deep sorrow just learned about Lithuania's honorary consul in Lugansk Mr Mykola Zelenec kidnapped &brutaly killed by terrorists there.— Linas Linkevicius (@LinkeviciusL) 22. August 2014
    Es blieb zunächst unklar, wann und wo genau der Honorarkonsul verschleppt und getötet worden sein soll. Lugansk ist eine Hochburg der prorussischen Separatisten. Seit Wochen versuchen die ukrainischen Truppen, die Kontrolle über die von den Rebellen gehaltene Stadt zurückzuerobern.
    (pg/nin)