Donnerstag, 25. April 2024

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Ukraine-Konflikt
"Kein neuer Kalter Krieg"

Die Einigung des Krisengipfels zur Ukraine in Genf sei ein diplomatischer Erfolg, weil alle Beteiligten einen Beitrag zur Deeskalation geleistet hätten, sagte der Publizist Richard Kiessler im Deutschlandfunk. Der Konflikt um die Ukraine habe die Welt aber keinesfalls in einen neuen Kalten Krieg gestürzt.

Richard Kiessler im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 19.04.2014
    Russlands Premier Putin und US-Präsident Obama 2012 beim G20-Gipfel in Mexiko.
    Beziehungen am Tiefpunkt: Russlands Premier Putin und US-Präsident Obama. (dpa/ei Nikolsky/Ria Novosti/Krem)
    Man müsse die Einigung des Krisengipfels zur Ukraine in Genf als Erfolg sehen, sagte der Publizist Richard Kiessler im Deutschlandfunk. "Aber nun geht es natürlich an die Implementierung, und das wird nicht so einfach werden." Auf den ersten Blick schien die russische Regierung "mit doppelten Gesicht zu agieren" - einmal die Kompromissbereitschaft in Genf, zugleich aber aber das Auftreten des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Fernsehen. Nehme man das aber "etwas genauer unter die Lupe", dann sei eine Stringenz zu erkennen, "was Putin in dieser sogenannten Fragestunde einem Millionenpublikum - und zwar seinem russischen Millionenpublikum - zu vermitteln suchte. Nämlich, dass die russische Politik sich ja nun gar nicht einmischte in die Angelegenheiten der Ukraine, sondern sich sozusagen als Schutzpatron der russischstämmigen Menschen dort in der Ukraine, insbesondere im Osten, aufspielte."
    Dass es dann trotzdem zu dieser deeskalierenden Einigung gekommen sei, entspreche "aus russischer Sicht einem kühlen Kalkül": Moskau wolle sich international als "konstruktiver Player" positionieren, nachdem es zuvor in die Isolation geraten sei. Der entscheidende Punkt sei aber gewesen, "dass Russland nach wie vor bemüht ist, auf Augenhöhe vor allen Dingen mit den Vereinigten Staaten zu agieren - und hier in Genf ergab sich die Gelegenheit, vor aller Welt zu demonstrieren, dass man eine gleichberechtigte Weltmacht ist."
    Wahlen am 25. Mai müssen "sauber ablaufen"
    Ob Putin noch zuverlässig sei, werde sich noch zeigen. Man könne aber bezweifeln, ob die Kräfte im Kreml "willens und fähig sind, die Separatisten im Osten der Ukraine wirklich zu bewegen, die Waffen niederzulegen und die besetzten Gebäude zu räumen". Hier seien Zweifel angebracht. Andererseits sei es "richtig, dass die Führung in Moskau nun auch vom Westen verlangt, das Ihre zu tun, um die rechtsradikalen Kräfte in der Ukraine im Zaum zu halten." Hier werde man auf die ukrainische Regierung einwirken müssen. Dabei werde der Fokus auf die Wahlen am 25. Mai gerichtet sein. Diese müssten "sauber ablaufen". Eine wichtige Funktion spiele dabei die OSZE-Beobachtergruppe, die in Genf vereinbart worden sei.
    Man könne aber nicht von einer Rückkehr zum Kalten Krieg sprechen. Die Lage entscheide sich aber grundlegend vom Kalten Krieg. "Wir haben keinen Systemgegensatz zwischen zwei bis an die Zähne bewaffneten Blöcken mehr, es gibt diese ideologischen Auseinandersetzungen nicht mehr. Es gibt aber nach wie vor den Phantomschmerz auf Seiten der Russen, große Teile ihres Imperiums mit dem Niedergang der Sowjetunion verloren zu haben." Putin denke zaristisch und trauere dem "großrussischen Reich" nach. Putin meine hier aber nicht das "kommunistische Riesenreich". Ein entscheidender Unterschied zu den Zeiten des Kalten Krieges sei auch die Einbindung Russlands in die Weltwirtschaft. Das trage auch zu den russischen Deeskalationsschritten jetzt bei.
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