Das Schicksal der West-LB

Die offenen Baustellen einer Bank

Eine Taube fliegt am 17.03.2015 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) am Logo der Portigon Bank vorbei.
Portigon Bank-Gebäude mit Logo © dpa / Martin Gerten
Von Vivien Leue · 04.09.2017
Als Bank ist die einst schillernde WestLB aufgeteilt worden: in eine Bad Bank und einen Finanzdienstleister, die Portigon AG. Heute wollen sich nicht mehr viele Menschen an die Zeit der Zerschlagung erinnern, hat Vivien Leue während ihrer Recherchen bemerkt.
Dort wo früher einmal die WestLB residierte, die einst größte und schillerndste deutsche Landesbank, klafft jetzt ein großes Loch.
"Wir stehen hier an der Ecke von der Friedrichstraße und dem Fürstenwall…."
Die Architektin Birgit Brodhage vom Düsseldorfer Architektur-Büro Slapa Oberholz Pszczulny zeigt auf ein altes, sandsteinfarbenes Fassadenelement mit verzierten Fensterbögen, das wie alleingelassen inmitten der Baustelle steht.
"Das, was Sie jetzt hier sehen, ist die alte, klassizistische Fassade, die erhalten bleibt. Zudem ist ein Relief, was bisher am Haupteingang integriert war, eingelagert worden und wird auch im Neubau mit integriert werden."
Ein klassizistisches Fassadenelement, ein Relief und ein paar Portale und Leuchten aus dem Inneren des alten Gebäudes – das ist es also, was vom ehemaligen Hauptsitz der Westdeutschen Landesbank übrig bleibt. Der Rest: Geschichte.
Als Bank gibt es die WestLB schon seit fünf Jahren nicht mehr. Sie ist zerschlagen worden, aufgeteilt in eine Bad Bank und einen Finanzdienstleister, die Portigon AG. Außerdem hat die Landesbank Hessen-Thüringen, kurz Helaba, das Sparkassengeschäft der WestLB übernommen.
Obwohl die Westdeutsche Landesbank also nicht mehr existiert – sie hat viele Baustellen hinterlassen, die auch heute noch offen sind.

Die Erste Abwicklungsanstalt, kurz EAA

Hinter diesem etwas bürokratischen Namen verbirgt sich die Bad Bank der WestLB. Sie wurde schon Ende 2009 eingerichtet, nachdem die Landesbank ihre Verluste in teilweise Milliardenhöhe kaum noch verkraften konnte. Nach der Zerschlagung 2012 übernahm die EAA die restlichen Anlagen und Kredite der Bank.
"Wir haben ein Portfolio in der Größenordnung von rund 200 Milliarden insgesamt übernommen und davon sind grob jetzt 80 Prozent abgebaut innerhalb dieser sieben Jahre."
Erklärt Marie-Luise Hoffmann, Sprecherin der EAA.
"Das ist deutlich mehr, als ursprünglich geplant. Und auch die dabei erzielten Ergebnisse sind positiver ausgefallen, als man erwartet hat."
Lukrative Beteiligungen konnten verkauft werden, der Kapitalmarkt hat sich etwas erholt und manche Schrottpapiere entwickelten sich letztlich nicht ganz so dramatisch wie in der Hochphase der Finanzkrise befürchtet. Außerdem herrscht bei der EAA Ruhe – nicht Hysterie.
"Das Management besteht nicht darin, möglichst schnell alles zu verkaufen, sondern es kommt eher darauf an, Portfoliobestandteile, die gute Erträge abwerfen über längere Zeit zu behalten und dadurch dann auch zusätzliche Verlustpuffer aufzubauen."
Mittlerweile geht die EAA davon aus, dass die Abwicklung schon zu Beginn der 2020er Jahre beendet sein könnte, mehrere Jahre früher als ursprünglich gedacht.

Die Portigon AG

Die Rechtsnachfolgerin der WestLB hat weniger Erfolge zu verbuchen. Als Dienstleistungsunternehmen gegründet hat die Portigon AG kein eigenes Kundengeschäft mehr, sondern bietet nur noch Serviceleistungen für andere Banken an, wie das Verwalten von Krediten oder das Verfassen von Finanzberichten.
Heute, fünf Jahre nach Entstehen dieser Rest-LB, wie Portigon häufig spöttisch genannt wird, zeigt sich: Auf dem freien Markt behauptet sich das Geschäftsmodell nicht, Hauptkunde war und ist die EAA. Deshalb muss auch die Portigon AG demnächst abgewickelt werden. Und der Rückbau ist offenbar schon weit voran geschritten. Anfragen von Journalisten werden nur noch schriftlich beantwortet, für ein Interview mit Mikro reicht die Personaldecke nicht aus, heißt es.

Die Kunstschätze der WestLB

Sie sorgten jahrelang für Streit: Knapp 400 Kunstwerke, die die WestLB im Laufe ihrer Jahre gekauft hatte, und die 2012 auf Portigon übergingen. Unter ihnen: Wertvolle Arbeiten von August Macke, Günther Uecker und Henry Moore, außerdem eine auf fünf Millionen Euro geschätzte Stradivari und zwei Altartafeln von Giovanni di Paolo aus dem 15. Jahrhundert mit einem Schätzwert von rund sechs Millionen Euro.
Viel Geld, das Portigon gut gebrauchen konnte – deshalb sollten die Werke auf dem freien Markt verkauft werden. Dagegen gab es allerdings bundesweit Proteste und so rang sich im vergangen Jahr letztlich doch das Land NRW dazu durch, einen Großteil der Kunst zu kaufen – und damit für das Land zu erhalten.

Die Mitarbeiter der ehemaligen WestLB

Sie waren und sind wohl letztlich die größten Verlierer des Bank-Fiaskos. Um die Jahrtausendwende beschäftigte die WestLB 11.000 Mitarbeiter in aller Welt. Danach ging es bergab. Erste Millionenverluste machten 2003 Schlagzeilen, als das britische Unternehmen Boxclever Pleite ging, in das die WestLB-Manager investiert hatten. 2007 folgten Fehlspekulationen mit VW-Aktien und nach 2008 die Milliardenverluste im Rahmen der Finanzkrise. Zum Zeitpunkt der Zerschlagung beschäftigte die WestLB nur noch etwa 4.200 Menschen. Die WestLB-Betriebsratsvorsitzende Doris Ludwig sagte damals gegenüber dem WDR:
"Man kann es ja schon sehen, die Schilder sind zum Teil ja schon abgemacht und ab nächster Woche heißen wir dann auch anders. Und das ist für die Beschäftigten ein ganz schwerer Schritt, also wir haben richtiggehend Trauerarbeit auch zu leisten. Viele Jahre in der WestLB verbracht, das ist Teil von Biografien sogar, und deswegen ist das Herz ganz traurig in dieser Woche."
Heute haben weniger als 1.000 Menschen noch einen Job bei einer der Nachfolgegesellschaften oder der Landesbank Hessen-Thüringen. Doris Ludwig ist eine von ihnen. Über die Zerschlagung der WestLB möchte aber auch sie nicht mehr sprechen – zu schmerzhaft sei das, sagt sie am Telefon. Auch Portigon wird gerade abgewickelt, Mitarbeiter, die 2012 noch übernommen wurden, verlieren spätestens in ein paar Jahren dann doch ihren Job. Die Trauerarbeit – sie geht weiter.
Zurück zum Fürstenwall in der Düsseldorfer Friedrichstadt. Architektin Birgit Brodhage und ihr Team kennen die Geschichte der WestLB – und sie wollen das neue Gebäude bewusst anders gestalten:
"In Teilen wird es im Erdgeschoss eine Gastronomienutzung geben, es wird eine Lobby geben, die auch der Öffentlichkeit zugänglich sein soll mit Lounge-Bereichen und Aufenthaltsbereichen."
Dazu: Viel Glas, das Offenheit und Transparenz symbolisiert. Und damit im Kontrast steht zur Verschlossenheit der ehemaligen Landesbank.
2019 soll das neue "Fürst & Friedrich"-Gebäude fertig sein. Die Erste Abwicklungsanstalt wird zu dem Zeitpunkt noch restliche Portfolios abwickeln und Portigon wahrscheinlich in den letzten Zügen seiner Existenz sein.
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