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Finnland-Wahl
Hauchdünner Wahlsieg für finnische Sozialdemokraten

Mit extrem knappen Vorsprung haben die Sozialdemokraten in Finnland die Parlamentswahl gewonnen. Platz zwei belegt die rechtspopulistische Partei "Die Finnen". Jetzt stehen schwierige Koalitionsverhandlungen an, bei denen es auch um die Frage gehen wird, ob die Populisten mit regieren.

Von Carsten Schmiester | 15.04.2019
Der Vorsitzende der Nationalen Sammlungspartei, Petteri Orpo (l.), und der Chef der Sozialdemokraten, Antti Rinne, in einer Fernseh-Diskussion nach der Parlamentswahl in Finnland.
Der Chef der finnischen Sozialdemokraten, Antti Rinne (re.), kann sich als Wahlsieger fühlen (dpa/Lehtikuva/Markku Ulander)
Die Sozialdemokraten haben bei den Wahlen wie erwartet die meisten Stimmen bekommen, sie werden es aber schwer haben, eine Regierung zu bilden. Mit 40 von 200 Sitzen im Parlament lag die Partei knapp vorn, dicht gefolgt von der rechtspopulistischen Partei "Die Finnen" mit 39 Sitzen und der konservativen Nationalen Sammlungspartei, die auf 38 Sitze kam.
Die liberale Zentrumspartei des bisherigen Regierungschefs Juha Sipilä verlor 18 Sitze und landete mit 31 Mandaten auf dem 4.Platz; abgestraft für die Sparpolitik und den damit verbundenen Sozialabbau der von ihr geführten und Anfang März zurückgetretenen Mitte-Rechts-Regierung. Sipilä gestand zerknirscht seine Niederlage ein:
"Es ist klar, dass die Zentrumspartei bei diesen Wahlen am meisten verloren hat. Die Demokratie hat uns quasi 'weggesprochen'. Das ist ganz offensichtlich. Das Wahlergebnis ist eine große Enttäuschung und ich bin der größte Verlierer."
Der Ministerpräsident von Finnland, Juha Sipilä
Der Wahlverlierer der Finnland-Wahl: Juha Sipilä (Heikki Saukkomaa / Lehtikuva / dpa)
Sozialdemokraten gewinnen unzufriedene Finnen für sich
Während es gleich mehrere Sieger gab. Allen voran die Sozialdemokraten mit ihrem Vorsitzenden Antti Rinne. Er hat es geschafft, mit seinem Bekenntnis zum klassischen Wohlfahrtsstaat nordischer Prägung viele mit dem Sparkurs der bisherigen Regierung unzufriedene Finnen für seine Partei zu gewinnen: Kurz vor Mitternacht erklärte er sich zum Sieger der Wahl und präsentierte sich schon ganz als der kommende Ministerpräsident.
"Ich will, dass Finnland und die finnische Gesellschaft wieder an die Zukunft glauben, wie in der Zeit nach dem Krieg. Ich möchte, dass die finnische Gesellschaft durch Vertrauen gestärkt wird, und ich bin bereit, die Gesellschaft zu diesem gegenseitigen Vertrauen zu führen."
Finnish politician and member of the European Parliament Jussi Halla-aho, center, delivers a speech after he was elected to be the new chairman for the Finns Party at the party's congress in Jyvaskyla, Finland
Der Parteichef der Partei "Die Finnen", Jussi Halla-aho (dpa /Lehtikuva /Jussi Nukari)
EU-Kritiker "Die Finnen" werden zweitstärkste Kraft
Auch die Grünen und das Linksbündnis haben Sitze gewonnen. Zu einer Mehrheit des "linken Lagers" reicht es aber nicht. Bleiben die einwanderungs- und EU-kritischen "Finnen", jetzt als zweitstärkste politische Kraft im Land. Sie sind im Vergleich zur vergangenen Wahl zwar nach Prozenten etwa gleich geblieben sind, haben aber einen Sitz dazu gewonnen. Ihr Vorsitzender, der wegen Volksverhetzung vorbestrafte Jussi Halla-aho, freute sich über das gute Ergebnis:
"Es ist noch etwas unklar, was das wirklich für uns bedeutet. Ich hatte mir ein Minimalziel gesetzt: Dass die Partei mehr Sitze bekommt als bisher und ihre Wählerbasis wächst. Denn als ich Parteichef wurde, war sie kleiner geworden. Natürlich ist es jetzt unser Ziel, als Partei so groß wie möglich zu sein, damit wir die für unsere Wähler wichtigen Themen vorantreiben können."
Jetzt stehen die Parteien vor schwierigen Koalitionsverhandlungen, bei denen es auch darum gehen wird, ob die Populisten mit in die nächste Regierung kommen oder nicht, und wenn ja, wie sehr sie dann die Politik dieser Regierung prägen etwa in Europafragen. Finnland übernimmt am 1. Juli die Ratspräsidentschaft der EU.
Beobachter halten die Zusammenarbeit von Konservativen, ja selbst Sozialdemokraten mit den "Finnen" für denkbar, auch wenn viele Parteien das vor der Wahl abgelehnt haben. Allgemein wird aber nicht damit gerechnet, dass eine neue finnische Regierung noch vor den Europawahlen Ende Mai zustande kommt.