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Ukraine-Konflikt
Waffen für den Rüstungsexporteur?

Mittlerweile vergeht im Ukraine-Konflikt kein Tag mehr ohne Tote. Und den ukrainischen Soldaten fehlt es an Ausrüstung gegen die Separatisten - dabei gehört das Land zu den größten Rüstungsexporteuren weltweit. Nicht nur deswegen steigt der Druck auf Präsident Petro Poroschenko.

Von Sabine Adler | 03.02.2015
    Mörsergranate und ausgebrannter ukrainischer Panzer in der Nähe von Lugansk
    Mörsergranate und ausgebrannter ukrainischer Panzer in der Nähe von Lugansk (picture alliance / dpa / Jan A. Nicolas)
    Immer beschwerlicher wird das Überleben in Debalzewe, der Kleinstadt mit ihren vormals 25.000 Einwohnern. Die, die nicht geflohen sind, tauen Schnee, um Trinkwasser zu bekommen, zersägen Bäume, um die Keller zu beheizen, in denen sie Schutz suchen vor dem fortwährenden Artilleriebeschuss. "Jeden Tag stirbt jemand, kein Tag vergeht ohne Tote."
    Um Debalzewe werden Aufständische zusammengezogen, fahren Panzer auf, ein neuer Kessel steht bevor, der alle Aufmerksamkeit der ukrainischen Streitkräfte auf sich ziehen und womöglich ablenken soll von einem anderen Ziel: der Eroberung des Landweges von Mariupol bis zur Krim. Im umkämpften Osten der Ukraine stehen hunderte russischer Panzer, Kiews Streitkräften fehlt die Ausrüstung, um gegen sie vorzugehen.
    Die Regierung verfolgt die amerikanisch-europäische Diskussion über Waffenlieferungen sehr genau. Vor allem brauchen die Freiwilligen und regulären Soldaten verschlüsselte Funkgeräte, Radar, panzervernichtende Waffen und Luftabwehrraketen. Zitiert wird Polens Präsident Bronislaw Komorowski, der den Verkauf von Rüstungsgütern ins Nachbarland für eine Selbstverständlichkeit hält, den Einsatz polnischer Soldaten dagegen für abwegig erklärt.
    "Eine Gefahr der Eskalation besteht, wenn es keine Waffen gibt."
    Oleh Rybatschuk von Tschesnok, einer Bürgerinitiative, die die Korruption in Parlament und Regierung überwacht, spricht sich klar für Waffenlieferungen aus, nur so seien die Separatisten, die nach ihren Geländegewinnen nichts mehr von dem Minsker Friedensabkommen wissen möchten, an den Verhandlungstisch zu zwingen.
    "Eine Gefahr der Eskalation besteht, wenn es keine Waffen gibt. Putins Ziel ist Erpressung mit dem neuen Frontverlauf. Der einzige Weg, ihn zu stoppen, ist militärisch."
    Allerdings kann der Politologe Rybatschuk nicht erkennen, dass die Ukraine sämtliche ihrer eigenen Ressourcen mobilisiert hat:
    "Wir haben immer noch diese sowjetischen Generäle, die für gar nichts zu gebrauchen sind. Dann ist die Technik 30 oder sogar 40 Jahre alt. Aber das größte Fragezeichen muss man an anderer Stelle machen: Warum bauen zum Beispiel die Rüstungsbetriebe in Charkiw, die zu den modernsten gehören, nicht die nötigen Waffen. Warum bekommen sie keine staatlichen Aufträge. Die Ukraine gehört zu den größten Waffenexporteuren weltweit. Außerdem sammeln viele Freiwillige viel Geld, um die Armee zu unterstützen und gleichzeitig kaufen sich mittlere Beamte aus dem Verteidigungsministerium millionenschwere Immobilien. Diese Korruption bringt uns um."
    Petro Poroschenko gerät unter Druck
    Mehrere Länder, darunter die USA, haben Schutzwesten und Nachtsichtgeräte geliefert bzw. helfen bei der Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte. Die Leiterin der Friedrich-Naumann-Stiftung in der Ukraine, Miriam Kosmehl, beobachtet, dass auch Präsident Petro Poroschenko unter Druck gerät. Seine Wahlversprechen, seine Firmen zu verkaufen, hat er bislang nicht eingelöst.
    "Es gab vor einigen Tagen einen Bericht in einer Wirtschaftszeitung, der sich damit beschäftigte, was Poroschenko zugesagt hat und wie er diese Vermögen verwaltet bzw. durch seinen Vater und andere Leute verwalten lässt, dass er nichts verkauft hat, anders als er zugesagt hat. Das empfinden die Leute auch als enttäuschend. Wie auch seine Äußerung kurz nach seiner Wahl, den Krieg innerhalb weniger Stunden zu beenden."
    Heftig kritisiert wird auch der reichste Mann des Landes, Rinat Achmetow, der angeblich mit Geld an die Separatisten den Schutz seiner Betriebe erkauft, von denen ein großer Teil im Kriegsgebiet liegt.