Donnerstag, 25. April 2024

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Ukraine-Krise
"Russland braucht den Westen"

Das derzeit schlechte Verhältnis zwischen dem Westen und Russland sei das Ergebnis einer jahrelangen Entfremdung, sagte die Politikwissenschaftlerin Margareta Mommsen im Deutschlandfunk. Das "Feindbild USA" sei in Russland "gehegt und gepflegt" worden. Doch auf lange Sicht müsse es wieder eine Annäherung geben.

Margareta Mommsen im Gespräch mit Anne Raith | 20.04.2014
    Man könne fast von einem neuen Ost-Westkonflikt reden, der sich angesichts des Konflikts in der Ukraine entwickelt habe. Begonnen habe die neue Entfremdung schon "in der zweiten Präsidentschaft von Boris Jelzin", sagte die Politikwissenschaftlerin Margareta Mommsen im Deutschlandfunk. In den ersten Jahren der Präsidentschaft Wladimir Putins in Russland habe es dann eine kurze Phase des "Aufeinanderzugehens" gegeben. Diese sei auch durch ein gemeinsames Agieren nach den Terroranschlägen von 2001 entstanden.
    Seit 2008 aber habe sich das Verhältnis wieder verschlechtert. In den vergangenen Jahren sei "das Feindbild USA" in Russland "gehegt und gepflegt" worden und "jetzt vollständig zum Durchbruch gekommen". Das sei auch eine "sehr emotionale Angelegenheit".
    Die Weltsicht in Russland hat sich verändert
    Putin spiele bei dieser Entwicklung eine entscheidende Rolle, denn letztlich existiere in Russland eine "Ein-Mann-Herrschaft". Sein Engagement in der Ukraine bringe ihm zu Hause "mächtig Punkte". Es gebe in Russland geradezu einen "nationalen Taumel", der auch durch die Medien begünstigt werde. Die Weltsicht dort habe sich verändert - "zumindest taktisch, vordergründig". Es herrsche auch nicht mehr die Vorstellung, dass man eine Demokratie sein wolle. Stattdessen seien die Russen der Ansicht, das Land sei "einzigartig" und verkörpere "eine ganz eigene Kultur". Russland sei nicht Europa, heiße es zurzeit in Russland. "Diese Vorstellung, wir sind eine andere Macht (...), haben andere Kulturwerte", werde "sehr stark propagiert". Konjunktur hätten wieder eher konservative Werte: Klischees, die in Russland bereits seit 150 Jahren diskutiert würden.
    Zwar sei an der These, der Westen vergesse, dass Russland eine andere Sicht der Dinge habe, "schon etwas dran", sagte Mommsen. Aber "der Westen habe sich überhaupt nichts vorzuwerfen". Man habe Russland in der Vergangenheit "gehätschelt und getätschelt". Putin dagegen verfolge in seiner Politik eine "Zickzacklinie" - das sei ein "gefährliches Spiel". Augenblicklich bringe ihm dies zwar Zustimmung in der Bevölkerung, es könne aber auf lange Sicht wegen einer drohenden wirtschaftlichen Stagnation nicht gutgehen. Die Wirtschaft sei "die Achillesferse des Systems". Deshalb müsse sich Moskau auf lange Sicht wieder gut mit dem Westen stellen. Russland brauche Europa und die USA als Handelspartner.
    Das Interview können Sie in voller Länge in unserem Audio-on-Demand-Angebot hören.