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Ukraine-Krise
Russland in den deutschen Medien

Viele deutsche Medien bedienen sich Stereotypen, wenn es um die politische Berichterstattung über Russland geht - so lautet derzeit ein gängiger Vorwurf. Im Zentrum eines Expertengesprächs in Tübingen stand das Thema Ukraine und Tendenzen in der Berichterstattung.

Von Thomas Wagner | 15.11.2014
    Wladimir Putin ist in einem Geschäft auf diversen TV-Bildschirmen zu sehen.
    Russlands Präsident Putin wird häufig in den westlichen Medien als Aggressor gesehen (dpa/picture alliance/Maxim Shipenkov)
    Fast täglich beherrscht der Russland-Ukraine-Konflikt die Schlagzeilen der Medien:
    "Was plant Wladimir Putin....."
    Dem russischen Präsidenten, ja Russland ganz generell wird in vielen Beiträgen die Rolle des Aggressors zugeschrieben. Alexei Makartsew hört dann etwas genauer hin wie viele andere: Der Redakteur der "Schwäbischen Zeitung" wurde in Moskau geboren, wuchs in Westdeutschland auf, arbeitete später jahrelang als Korrespondent in Russland:
    Personalisierter Konflikt
    "Ich bin nicht immer glücklich, wie aus Russland und der Ukraine berichtet wird. Am Anfang gab es vielen das Gefühl der Wut, des Unverständnisses über Russland, das Gefühl der Ohnmacht. Und das führte vielleicht dazu, dass der Konflikt zu sehr vereinfacht und zu stark personalisiert wurde. Also, da ging es nur um Putin und seine Motive. Und manche Medien hatten es sich es zu einfach gemacht: Es kamen auch schnell diese Vergleiche mit dem Kalten Krieg, mit dem Aufleben der Sowjetunion auf, die in meinen Augen fehl am Platz sind."
    Viele Interessierte, die zum Expertengespräch "Russland in den deutschen Medien" nach Tübingen gekommen waren, argumentierten ähnlich: Zu häufige bediene sich die Berichterstattung einer übertriebener Schwarz-Weiß-Malerei: Hier das böse, weil intervenierende Russland, dort die gute Ukraine als Opfer:
    "Wäre es nicht überzeugender gewesen, wenn man es medial diskutiert hätte, wie da eigentlich die Sache ist und was für Abstufungen es gibt?"
    Für Ina Ruck, bis vor kurzem ARD-Fernsehkorrespondentin in Moskau, verbietet es sich allerdings, gar alles, was sie beobachtet hat, vor einer Bewertung erst einmal medial diskutieren zu lassen:
    "Wenn ich auf der Krim unterwegs bin und sehe, dass dort russische Soldaten herumlaufen, dann nenne ich das beim Namen. Ich kann nicht die Wahrheit in Anführungsstrichen setzen."
    Daneben, ergänzt Manfred Sapper, Chefredakteur der Zeitschrift "Osteuropa", stimme der von vielen Kritikern erhobene Vorwurf überhaupt nicht, wonach deutsche Medien nur in Gut-und-Böse-Kategorien berichteten:
    " Was im Wirtschaftsteil über die Sanktionen geschrieben wird, was im Feuilleton über Russland geschrieben wird und was im Politikteil geschrieben wird – es ist sehr viel differenzierter. Es wird überhaupt nicht schematischen Stereotypen gearbeitet. Es wird das gesagt, was ist."
    Damit allerdings kann der Professor die Zuhörer nicht überzeugen: Die verweisen ihrerseits auf das, was ist: Nämlich auf ihrer Meinung nach unverzeihlichen Pannen.
    "Die Tagesthemen haben einen fehlerhaften Bericht aus der Ost-Ukraine gesendet..."
    Und nicht nur die "Tagesthemen":
    "Wir haben uns zu korrigieren und zu entschuldigen..."
    Informationen oft aus zweiter Hand
    Ein Beitrag über ostukrainische Bürger, die angeblich von pro-russischen Separatisten erschossen wurden, erwies sich später also ebenso unrichtig wie die ZDF-Reportage über einen angeblichen russischen Polizeikommandanten, der im Handstreich das Kommando über eine ukrainische Kaserne übernommen haben soll. Während solche Fehler aber der unsicheren Quellenlage und dem hohen Zeitdruck geschuldet sind, wiegen so manche umstrittenen thematischen Akzentuierungen der vergangenen Monate schon schwerer. ARD-Korrespondentin Ina Ruck nennt ein Beispiel:
    "Wir haben sehr spät über die Entwicklung der Rechtsradikalen auf dem Maidan berichtet. Wir haben über sie berichtet. Wir haben sie am Anfang unterschätzt. Ich würde sie auch nicht überbewerten, aber sie waren da."
    Hinzu kommt ein weiteres Problem: Viele Korrespondenten, die für deutsche Medien über den Russland-Ukraine-Konflikt berichten, sind Hunderte, ja manchmal sogar Tausende Kilometer vom Geschehen entfernt. Johannes Voswinkel berichtete jahrelang für die Wochenzeitung "Die Zeit" aus Moskau:
    "Das Problem ist, dass man oft nur aus zweiter Hand über die Ukraine berichtet, selbst wenn man in Moskau sitzt. Man muss häufig reisen, um den Finger am Puls der Zeit der Ukraine zu haben. Aber auch das wird ausgedünnt und führt dazu, dass es an Expertise für die Ukraine fehlt."
    Und dennoch stellt Alexei Markatsew, Redakteur mir russischen Wurzeln der "Schwäbischen Zeitung", eines fest:
    "Ich finde, die Medien, die Journalisten haben einiges gelernt; die Berichterstattung ist nicht perfekt jetzt, aber sie ist besser geworden."
    "Jetzt macht man sich mehr Mühe, um zu verstehen, warum Russland das macht, was es macht. Jetzt gab es viele Kollegen, die da hingereist sind, sich die Mühe gemacht haben, mit beiden Seiten zu sprechen. Das merkt man auch in der Berichterstattung."