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Ukraine
Modernisierungsagentur stößt auf Skepsis

Einer der reichsten Ukrainer, Dmytro Firtasch, möchte mit seiner "Agentur für die Modernisierung der Ukraine" einen Aufschwung herbeiführen. Viele EU-Politiker beteiligen sich daran. Das Problem nur: Viele halten Firtasch für einen Teil des Problems, und nicht für die Lösung - in den USA liegt gegen ihn sogar ein Haftbefehl vor.

Von Florian Kellermann | 11.08.2015
    Spuren der Kämpfe in Uglegorsk, einem Nachbarort von Debalzewe in der Ukraine
    Spuren der Kämpfe in Uglegorsk, einem Nachbarort von Debalzewe in der Ukraine: Die Wirtschaft liegt am Boden. (dpa / picture alliance / Nikolai Muravyev)
    Dmytro Firtasch ist einer der reichsten Ukrainer. Sein Geld hat er vor allem im undurchsichtigen Gashandel zwischen der Ukraine und Russland verdient. Nicht nur in der Heimat werfen ihm viele Korruption vor, die USA suchen ihn sogar mit Haftbefehl. Pawel Zalewski, ehemaliger polnischer EU-Abgeordneter und Ukraine-Kenner:
    "Er hatte eine sehr starke Position unter dem Ex-Präsidenten Janukowytsch, aber auch schon unter dem früheren ukrainischen Präsidenten Kutschma. Der russische Einfluss auf Firtasch ist offensichtlich, wie auch bei anderen Oligarchen, die ukrainisches Staatseigentum für einen Spottpreis übernommen haben."
    Aber dessen ungeachtet haben sich vor kurzem mehrere Politiker aus EU-Ländern an einer von Firtasch gestarteten Initiative beteiligt - der sogenannten "Agentur für die Modernisierung der Ukraine". Die wird von einer Arbeitgebervereinigung finanziert, der Firtasch vorsteht, auch eine ukrainische Gewerkschaft beteiligt sich.
    Ausländische Investitionen sollen ins Land geholt werden
    Erklärtes Ziel der Agentur ist es, einen Plan zur Modernisierung der Ukraine zu entwickeln. Auf seiner Grundlage soll es gelingen, ausländische Investitionen in das osteuropäische Land zu bringen. Als Präsident der Agentur tritt der ehemalige österreichische Außenminister Michael Spindelegger von der konservativen ÖVP auf:
    "Man muss mit Sicherheit Reformen implementieren, die das Land wieder wegbringen von dem, was heute dort bestimmend ist. Nämlich: kein Wirtschaftswachstum, sondern ein Schrumpfen der Wirtschaft, die Exporte, die zurückgehen, anstatt dass sie ausgeweitet werden, Korruption, die an der Tagesordnung ist im täglichen Leben, die einfach beseitigt werden muss. Das sind große Parameter, die auch die ukrainische Gesellschaft schaffen muss zu verändern, damit es wieder aufwärts geht."
    Ausgerechnet unter der Trägerschaft von Dmytro Firtasch die Korruption bekämpfen? Für viele Ukraine-Kenner heißt das: Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Doch die an der Agentur Beteiligten widersprechen. Der Oligarch übe keinen Einfluss auf die Arbeit der Experten aus. Die Agentur sei konzipiert, als stünde - Zitat - eine chinesische Mauer zwischen den Experten und ihren Geldgebern, beteuerte der CDU-Abgeordnete Karl-Georg Wellmann gegenüber dem Deutschlandfunk. Wellmann ist Vorsitzender der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe im Bundestag und hat die Agentur mit ins Leben gerufen.
    Aushängeschilder der Agentur sind allerdings polnische Politiker. Sie haben einst die Transformation in ihrem Land mitgestaltet, jetzt sollen sie in der Ukraine helfen. Für das Nachbarland schlägt Waldemar Pawlak, ehemaliger polnischer Premierminister, aber ganz andere Lösungen vor als jene, die seinerzeit bei ihm zu Hause angewandt wurden:
    "Meiner Meinung nach sollte die Ukraine einen "Rat der 100 größten Steuerzahler" schaffen, eine Art Senat. Sie hätten so offiziell und transparent Einfluss darauf, wie sich das Land politisch und wirtschaftlich verändert. Wenn wir den polnischen Senat als Beispiel nehmen: Er kann Gesetze oder Gesetzesänderungen vorschlagen, aber das Unterhaus des Parlaments, der Sejm, kann diese Vorschläge zurückweisen."
    Viele halten die Agentur eher für einen Oligarchen-Lobbyverein
    Mit einem kleinen Unterschied: Der polnische Senat wird vom Volk gewählt. Den größten ukrainischen Steuerzahler, also de facto den Oligarchen, fehlt dieses Mandat. Solche Vorschläge nähren bei Kritikern den Verdacht, dass es bei der Agentur nicht um die Modernisierung der Ukraine, sondern um Lobbyarbeit gehe. Pawel Zalewski:
    "Firtasch will seine Position in der Ukraine stärken - angesichts der Vorwürfe, die in der Ukraine und in den USA gegen ihn erhoben werden. Das heißt nicht, dass die von ihm zusammengerufenen Experten keine guten Papiere entwerfen. Aber rein instinktiv misstraue ich den ukrainischen Oligarchen."
    Einige Politiker haben sich aus dem Projekt inzwischen schon wieder zurückgezogen, so der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, SPD. Die Tätigkeit sei unvereinbar mit seinem Abgeordnetenmandat, erklärte er.
    Auch der CDU-Abgeordnete Wellmann betont, dass er in die praktische, aktuelle Arbeit der Experten nicht eingebunden sei. Weiterhin eine leitende Funktion bei der sogenannten Firtasch-Agentur hat jedoch Udo Schulze-Brockhausen. Er ist der Schatzmeister des CDU-Ortsverbandes in Berlin-Dahlem, in Karl-Georg Wellmanns Wahlkreis also. Auch der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen von der SPD ist weiterhin mit von der Partie.