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Ukraine
Parlament tagt zum ersten Mal

Das neu gewählte ukrainische Parlament tagt heute zum ersten Mal. Präsident Petro Poroschenko kann sich darin auf eine breite Mehrheit stützen und damit wichtige Reformen auf den Weg bringen. Doch in seiner Regierungskoalition gibt es Spannungen.

Von Florian Kellermann | 27.11.2014
    Die Parteien von Staatschef Poroschenko (r) und Ministerpräsident Jazenjuk kamen jeweils auf mehr als 21 Prozent der Stimmen.
    Ministerpräsident Jazenjuk und Präsident Poroschenko: Vieles hängt von ihrem Auskommen miteinander ab. (picture alliance / dpa / Mikhail Palinchak)
    Sechs Parteien sind im neuen ukrainischen Parlament vertreten, nur eine wird in der Opposition sein. Eine ganz große pro-europäische Koalition wird künftig die Gesetze machen und die Regierung bestimmen. Das Bündnis wird sogar in der Lage sein, die Verfassung zu ändern. Präsident Petro Poroschenko, im Mai gewählt, will mit diesem Parlament seine Reformprojekte umsetzen und das Land weiter an die EU annähern.
    Deshalb hatte er vor der Parlamentswahl seine eigene Partei gegründet - den "Block Petro Poroschenko". Aber sie schnitt deutlich schlechter ab als erwartet. Überraschend lag die "Volksfront" von Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk knapp vor ihr. Vor allem mit ihm muss Poroschenko nun Kompromisse machen.
    Poroschenko und Jazenjuk - wie sie miteinander auskommen, wird von entscheidender Bedeutung für die Ukraine sein. Der Präsident betont immer wieder, die beiden seien in wesentlichen Punkten einig. Vor seiner Partei erklärte er:
    "Ich schlage vor, dass Arsenij Jazenjuk Ministerpräsident bleiben soll. Ich erkläre auch warum: Unser Land braucht heute Einigkeit wie nie zuvor. Und wir sollten zeigen, dass wir mit der Regierungsbildung verantwortlich umgehen."
    Das Land von Grund auf reformieren
    Dennoch ist die Rivalität der beiden - und damit die Spannung in der neuen Koalition - nicht zu übersehen. Eigentlich sollte der Koalitionsvertrag schon wenige Tage nach der Wahl ausgehandelt sein, schließlich dauerte es fast vier Wochen. Umstritten ist weiterhin die Besetzung des Innenministeriums. Jazenjuk will seinen Parteifreund Arsenij Awakow auf diesem Posten belassen. So kann er Einfluss auf die sogenannte Anti-Terror-Operation in der Ostukraine behalten. Die dort tätigen Freiwilligenbataillone und die Nationalgarde unterstehen dem Innenministerium. Poroschenko dagegen tritt für einen parteilosen Innenminister ein.
    Größtmögliche Einigkeit im neuen ukrainischen Parlament ist deshalb wichtig, weil die Abgeordneten das Land von Grund auf reformieren sollen. Das zentrale Projekt, nach dem sich viele Bürger sehnen: ein unabhängiges, faires Gerichtssystem. Aber auch unpopuläre Maßnahmen stehen im Koalitionsvertrag. So sollen alle künftig Beiträge zur Krankenversicherung abführen. Und mehr für Gas und Strom bezahlen - auch die privaten Haushalte.
    Alles in allem solle es im neuen Parlament endlich um das Wohl des Landes gehen, sagt Serhij Leschtschenko, ab heute Abgeordneter des "Block Petro Poroschenko".
    "Wir müssen ein System schaffen, das es den Oligarchen künftig unmöglich macht, die Politik zu kontrollieren. Ja, im neuen Parlament sitzen viele Vertreter der sogenannten alten Eliten, auch in meiner Fraktion. Aber wir neuen Abgeordneten werden sie genau beobachten. Der Druck aus der Gesellschaft ist sehr groß. Wenn alles so bleibt wie früher, gibt es bald den nächsten Volksaufstand."
    Die meisten neuen Abgeordneten, wie Leschtschenko, waren selber auf dem Maidan und protestierten gegen das alte Regime. Sie wollen im Parlament über die Fraktionsgrenzen hinweg zusammenarbeiten.