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Ukraine
Separatisten, Kommunisten und alte Eliten im Wahlkampf

Am Sonntag wird in der Ukraine das Parlament, die Werchowna Rada, neu gewählt. Die Partei von Staatspräsident Petro Poroschenko rechnet mit einem Erfolg, aber auch Kommunisten, Sozialdemokraten und neue Parteien von Ex-Regierungsanhängern oder Maidan-Demonstranten kämpfen um Sitze.

Von Sabine Adler | 24.10.2014
    Ein Plakat in der ostukrainischen Region Donezk und Lugansk wirbt für die Teilnahme an der Parlamentswahl am 02.11.2014.
    Ein Plakat in der ostukrainischen Region Donezk und Lugansk wirbt für die Teilnahme an der Parlamentswahl am 02.11.2014. (picture-alliance / dpa/Tass/Mikhail Pochuyev)
    Wahlkämpfer in Dnepropetrowsk scheinen sich hauptsächlich an Plakaten auszulassen, unzählige sind zerfetzt, beschmiert, zerstochen. Nicht nur in der U-Bahn. Präsident Poroschenko möchte wie viele Demonstranten auf dem Maidan, ein neues Parlament, denn das alte hat sich mit den sogenannten Diktaturgesetzen vollständig diskreditiert.
    "Es geht um die politische Verantwortung für die Verabschiedung der Gesetze am 16. Januar, die die Ukraine in einen totalitären Staat verwandeln sollten. Sie haben zu verantworten, dass mehrere Tausend Menschen schuldlos ins Gefängnis mussten. Das Parlament steckt in einer Krise, in einer Demokratie finden in einem solchen Fall Wahlen statt."
    Manche Abstimmung ohne Alternative
    Seit dem Abgang von Ex-Präsident Janukowitsch war es verdächtig still geworden um dessen Gefolgsleute in der Werchowna Rada, die immerhin die Mehrheit bilden. Doch längst sind die Eliten nicht ausgetauscht, und werden es auch nicht der Wahl nicht sein, vermutet Stanislaw Scholudew, Wahlbeobachter in Dnepropetrowsk.
    "In manchen Wahlbezirken wird es eine Abstimmung ohne wirkliche Alternative geben. Dort, wo ausschließlich Leute von der Ex- Partei der Regionen antreten."
    Mit Waffengewalt zum Kreuzchen
    Wo es aber ernsthafte Herausforderer gibt, wo den Janukowitsch-Leuten die Felle davon zu schwimmen drohen, ist es mit ihrer Zurückhaltung vorbei, heißt das Signal Attacke.
    "Der Gouverneur Kolomojskij schickt seine Privatarmee, sie besetzt die Wahllokale. Die Wähler werden mit vorgehaltener Kalaschnikow gezwungen, dort ihr Kreuz zu machen, wo die Bewaffneten es ihnen befehlen."
    Der diese Vorwürfe erhebt, ist Juri Boiko, unter Janukowitsch Energieminister, Anführer des Oppositionsblocks. Der Wahlbeobachter Stanislaw Scholudew glaubt dem Janukowitsch-Mann kein Wort. Er erkennt für dessen Bedrohungsszenarium keinerlei Anzeichen. Er hat eine andere Vermutung.
    "Sie beklagen sich, dass es nicht mehr so ist wie früher, als ausschließlich sie, die Kandidaten von der Partei der Regionen, von den Plakaten lächelten. "Der Oppositionsblock, wie die Partei der Regionen jetzt heißt, muss wie die Kommunisten um seinen Einzug ins Parlament fürchten, sagt Olga Aiwasowska von den Opora-Wahlbeobachtern.
    "In 80 Prozent aller Abstimmungen votierten sie gemeinsam. Nun haben sie ihre Wähler verloren: Auf der Krim, im Donbass, die beide besetzt sind. Sie haben die Separatisten unterstützt, weshalb jetzt über ein Verbot der Kommunistischen Partei nachgedacht wird."
    75 Prozent de Wähler für Poroschenko
    Präsident Poroschenko genießt hohe Zustimmungswerte. Sein Kampf für die territoriale Integrität der Ukraine wird von Dreiviertel der Wähler unterstützt, was seiner Partei und den Verbündeten voraussichtlich eine Mehrheit im Parlament bringen wird, den alten Kadern aber das Leben schwer macht. Vor allem, weil sie den prorussischen Separatisten nicht entschlossen entgegengetreten sind. Die umbenannte Regierungspartei wird von Rinat Achmetow finanziert, dem reichsten Mann der Ukraine, ehemals Janukowitsch-Sponsor.
    Doch Achmetow und seine Leute haben stark an Ansehen verloren. Er war im Februar nicht bereit, das Amt des Gouverneurs anzutreten, um mit der einzig verbliebenen Autorität, nämlich der der schwerreichen Oligarchen, den destabilisierten Osten zu beruhigen. Ungehindert übernahmen in Donezk russische Geheimdienstmitarbeiter zusammen mit prorussischen Separatisten das Kommando, genau wie in Lugansk. Der Milliardär Igor Kolomojskij wurde Gouverneur von Dnepropetrowsk, wo er die antiukrainischen Proteste im Keim erstickte. Der Journalist Oleg Rostowzew erklärt wie:
    "Nicht mit Unterdrückung. Die Separatisten haben Räume in der Gebietsverwaltung bekommen und Kolomojskij hat zu ihnen gesagt: Ihr könnt politische Überzeugungen haben, welche immer ihr wollt. Aber ohne ausländische Flaggen und ohne Hilferufe an andere Staaten. Sie haben noch ein paar Demonstrationen organisiert. Aber ohne russische Fahnen hat sie keiner mehr finanziert."
    Kolomojskij, bekennender Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin, gründete und finanziert das erste Freiwilligenbataillon Dnepr 1. Ihm folgten Dutzende, sie übernahmen mit Einverständnis des Innenministeriums Aufgaben der Miliz. Die Bataillone werden – wie die Armee – maßgeblich von der Bevölkerung unterstützt, sie sind keineswegs unumstritten, doch Dnepropetrowsk blieb von Kämpfen verschont.
    Maksim Djadik 35, betreibt eine Druckerei, die jetzt Zehntausende Landkarten für die Front herstellt.
    29 Parteien kämpfen um den Einzug
    Der abgesetzte Gouverneur von Dnepropetrowsk Alexander Wilkul gehörte auch der einstigen Regierungspartei an, jetzt will er zumindest einen Sitz im Parlament in Kiew, um von der alten Macht zu retten, was noch zu retten ist.
    29 Parteien treten an, davon so viele neue, dass die politische Landschaft kaum wiederzuerkennen ist. Meist handelt es sich nur um andere Etiketten, erklärt die Wahlbeobachterin Olga Aiwasowska. Der Kreml werde neue Mittelsmänner suchen, um weiter auf die Rada einzuwirken.
    "Wer bis zum Maidan gesagt hat, dass der Einfluss Russlands reiner Fantasie entspringt, weiß seit dem Abgang von Janukowitsch, dass der kein selbstständiger Präsident war und viele Entscheidungen nicht in Kiew getroffen worden sind."