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Ukraine
Waffenschmuggel Richtung Westeuropa?

Bis zu fünf Millionen nicht registrierte Waffen sollen in der Ukraine im Umlauf sein. Während Waffen-Lobbyisten sich für eine Legalisierung einsetzen, sieht die Regierung die russische Okkupation als Ursache des Problems und fordert eine Abriegelung des Gebietes. Anschuldigungen, dass Waffen auch nach Westeuropa geschmuggelt werden, weist die Ukraine zurück.

Von Sabine Adler | 17.08.2016
    Waffen und Sprengstoff liegen auf einem Tisch.
    Diese Waffen stellte der ukrainische Geheimdienst an der Grenze zu Polen sicher. (dpa/AP/SBU Press Service)
    Zum 25. Jahrestag der Unabhängigkeit der Ukraine wird kommende Woche in Kiew eine Parade abgehalten, mit Waffen. Denn die Armee und ihre Ausrüstung seien der Stolz des Landes, hat Präsident Petro Poroschenko dieser Tag wissen lassen.
    Doch die ukrainischen Behörden haben längst den Überblick verloren, wo welche Waffen kursieren. Die Hauptstadt ist ein Umschlagplatz, an dem sogar Raketenwerfer zu haben sind. Der Krieg im Donbass macht es möglich, sagt die Vize-Chefin des ukrainischen Parlaments Oksana Syroid:
    "Im Osten gibt es rund 5.000 bis 6.000 russische Militärangehörige, die ukrainisches Gebiet besetzen, 30.000 Mann vor Ort wurden von Russland trainiert und ausgestattet, 30.000 sind jenseits der Grenze zusammengezogen worden. Die Konzentration von Waffen, einschließlich schwerer, ist dort enorm. Und weil die Front nicht abgeriegelt ist, weiß niemand, wie viele Waffen von dem besetzten auf unbesetztes ukrainisches Gebiet gelangen."
    Waffen-Lobby wird unterstützt von Nadeschda Sawtschenko
    Tausende Freiwillige in 40 Bataillonen unterstützen die ukrainische Armee. Dass sie ihre Waffen auf dem Schwarzmarkt zu Geld machen, hält die Abgeordnete von der Partei Selbsthilfe allerdings für üble Nachrede:
    "Das diskreditiert die Freiwilligen und ist nicht akzeptabel."
    Die Ukrainische Assoziation der Waffenbesitzer geht von landesweit bis zu fünf Millionen nicht registrierter Feuerwaffen aus. Die sollen legalisiert werden, zusätzlich müssen die Besitzer eine Ausbildung absolvieren. Den Bürgern stehe das Recht auf Selbstverteidigung zu, sagt Wladimir Sbaranski von der Waffen-Assoziation:
    "Ob es dem Volk erlaubt wird, Waffen zu haben, sagt viel aus über das Vertrauen des Staates in seine Bürger. Das ist ein Indikator. Wenn der Staat den Bürgern nicht vertraut, bekommen nur Auserwählte Waffen, die Polizei oder auch jemand, der bevorzugt oder ausgezeichnet wird."
    Die Waffen-Lobbyisten werden unterstützt von Nadeschda Sawtschenko, der in Russland gefangen gehaltenen und verurteilten Kampfpilotin. Die Abgeordnete mischt sich seit ihrer Freilassung unüberhörbar in der Politik mit, hält eine Legalisierung der im Umlauf befindlichen Waffen für notwendig:
    "Es gibt ein Armee-Sprichwort", erklärt sie in einer Talk-Show: "Wenn man der Unordnung nicht Herr werden kann, muss man über die Unordnung herrschen. Das Waffengesetz ist so ein Fall, die Leute haben doch bereits Waffen in ihren Händen."
    "Ursache des Problems ist die Okkupation durch Russland"
    Die stellvertretende Parlamentspräsidentin Syroid dagegen kann keinen Bedarf für eine Reform des bestehenden Waffengesetzes erkennen:
    "Es ist ziemlich streng. Das Problem ist nicht ein Waffengesetz, sondern der Krieg."
    Es gibt erste, allerdings widersprüchliche Meldungen, dass ukrainische Waffen Richtung Westeuropa geschmuggelt werden. An der Grenze zu Polen wurde im Juni ein Mann festgenommen, der in seinem Auto fünf Kalaschnikows, über 5.000 Patronen, zwei Panzerfäuste mit Munition, 125 Kilogramm Sprengstoff und 100 Zünder nach Frankreich bringen wollte.
    Ein britisches Fernsehteam berichtete über angebliche Waffenschmuggler, die über Rumänien Gewehre für Scharfschützen nach Westeuropa liefern wollten, dazu halbautomatische Waffen, Jagdgewehre, Pistolen, auch nagelneue Kalaschnikows. Die Ukraine weist die Anschuldigungen zurück. Die ukrainisch-rumänische Grenze werde gemeinsam überwacht, man ginge zusammen gegen Kriminelle vor. Oksana Syroid sagt, dass, solange Krieg in der Ostukraine herrsche, die Quelle für immer neue Waffen nicht versiege:
    "Wir müssen verstehen, dass die Ursache des Problems die Okkupation durch Russland ist. Durch die russische Armee, mit russischen Waffen. Das ist die Ursache der Bedrohung."
    Mit der Zunahme der Waffen steigt auch die Kriminalität
    Zwölf Prozent des ukrainischen Gebietes sind von Russland besetzt, davon fünf Prozent im Osten. Statt das Waffenrecht zu ändern, müsse ein Gesetz über das okkupierte Territorium her, das dessen vollständige Abriegelung vorsieht, findet die 40-jährige Spitzenpolitikerin:
    "Ich möchte Russland daran hindern, die Waffen oder was immer über die Front zu schmuggeln. Deswegen haben wir einen Gesetzentwurf ins Parlament gebracht, der vorsieht, die Grenze entlang der Frontlinie dicht zu machen und das russisch kontrollierte Territorium zu isolieren."
    Mit der Zunahme der Waffen steigt auch die Kriminalität. Die Polizei registrierte im vorigen Jahr über 1.500 Straftaten mit Waffeneinsatz, eine Verdopplung gegenüber 2013, wobei die Ostukraine gar nicht mitgerechnet wurde.