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Ukrainische Präsidentschaftswahl
Quereinsteiger vorn

Ein Kabarettist mischt die ukrainische Politik auf: Der Komiker Wladimir Selenski hat die erste Runde der Präsidentschaftswahl mit deutlichem Vorsprung gewonnen. Nun kommt es zur Stichwahl zwischen ihm und dem zweitplatzierten Amtsinhaber Petro Poroschenko. Der greift seinen Gegner hart an.

Von Florian Kellermann | 01.04.2019
Der Schauspieler und Präsidentschaftskandidat Wolodymyr Selenskij bei seiner Stimmabgabe zur Präsidentschaftswahl in der Ukraine.
Wladimir Selenski geht als Sieger in die zweite Runde der ukrainischen Präsidentschaftswahlen (Yulia Ovsyannikova / ukrinform / imago-images)
Der amtierende Präsident Petro Poroschenko will offenbar mit einem extrem konfrontativen Wahlkampf die Stimmung drehen. Über zehn Prozentpunkte muss er bis zur Stichwahl aufholen - auf Wladimir Selenski, der den ersten Wahlgang mit einem Stimmenanteil von rund 30 Prozent deutlich gewonnen hat. Schon am Wahlabend sprach Poroschenko seinem Gegenspieler die Eigenständigkeit ab:
"Das Schicksal hat es so gewollt, dass ich einer Marionette von Ihor Kolomojskyj gegenüberstehe. Aber wir werden Kolomojskyj keine Chance geben."
Der Oligarch Kolomojskyj unterstützte Selenski in der Tat massiv. Kolomojskys Fernsehkanal "1plus1" strahlt die Shows des Kabarettisten aus. Am Samstag vor der Wahl dominierten sie das Programm. Kolomojskyj aus der ostukrainischen Stadt Dnipro hat sich in den vergangenen Jahren zu einem erbitterten Gegner von Poroschenko entwickelt. Der amtierende Präsident ließ die Bank des Oligarchen verstaatlichen, als diese in große finanzielle Schwierigkeiten geriet.
Umkämpfte Stichwahl
Außerdem stellt Poroschenko seinen Mitbewerber als russlandfreundlich dar. Selenski als neues Staatsoberhaupt sei ein nationales Sicherheitsrisiko:
"Bitte denkt daran, was am 21. April auf dem Spiel steht. Nämlich die Frage: Setzt die Ukraine ihren Weg fort - hin zur Europäischen Union und zur Nato? Oder wird die Ukraine den Kreml bitten müssen, ob sie ein Referendum in dieser Frage abhalten darf. Das würde eine Revanche der pro-russischen Kräfte bedeuten. Schon jetzt machen die besten Schauspieler Russlands für meinen Gegenkandidaten Werbung."
Selenski ist offenbar bereit, einen harten Wahlkampf anzunehmen. Er werde sich einer Fernsehdebatte mit Poroschenko stellen, erklärte er gegenüber Journalisten. Bisher hatte der Kabarettist den direkten Kontakt mit seinen Konkurrenten gemieden. Die Unterstellung, er sei ein russlandfreundlicher Kandidat, weist Selenski weit von sich:
"Wenn ich mich das erste Mal mit Herrn Putin treffe, dem russischen Präsidenten, dann werde ich ihm hoffentlich sagen können: Endlich haben Sie unsere Gebiete zurückgegeben. Wie viel Entschädigung wollen Sie uns denn bezahlen für die vergangenen Jahre?"
Damit meinte Selenski die russische Annexion der Halbinsel Krim und die sogenannten Separatistengebiete im Donezbecken. Er werde nichts am westlich orientierten Kurs der Ukraine ändern, versicherte er. Die russischen Schauspieler, die ihn unterstützen, nannte er Idioten, weil sie ihm so nur schaden würden.
Unklares Programm
Außerdem arbeitet der 41-Jährige gegen den Vorwurf, er habe kein Rezept, seine Versprechen auch umzusetzen. Selenski deutete eine Zusammenarbeit mit dem ehemaligen georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili. Von dessen Erfahrung bei seinem Kampf gegen die Korruption in Georgien könne er profitieren. Aber nicht nur, sagt der Kiewer Politologe Wolodymyr Fesenko:
"Selenski haben sich zwei ehemalige Minister angenähert, die als liberale Reformer gelten. Das ist der ehemalige Wirtschaftsminister Aivaras Abramovicius, ein gebürtiger Litauer. Und der ehemalige Finanzminister Alexander Daniljuk."
Noch unklar ist, wie sich Julia Timoschenko verhalten wird. Mit einer Empfehlung an ihre Wähler könnte die Drittplatzierte den einen oder anderen Kandidaten erheblich unterstützen. Timoschenko hat ihre Niederlage allerdings noch nicht eingestanden. Entgegen der Nachwahlbefragungen erklärte sie, sie sei auf den zweiten Platz gekommen und dürfe in der Stichwahl antreten. Sollte das offizielle Endergebnis anders lauten, liege Wahlfälschung vor, so Timoschenko.