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Ukrainischer Filmemacher weiter in russischer Haft
Keine Gnade für Oleg Senzow

2015 wurde der ukrainische Filmemacher Oleg Senzow von einem Militärgericht in Rostow am Don zu 20 Jahren Haft verurteilt. Mehrere Gnadengesuche scheiterten. Jetzt hat Senzows Mutter einen öffentlichen Brief an die russische Führung geschrieben. Und auch andere machen sich für eine Freilassung Senzows stark.

Von Thielko Grieß | 14.07.2018
    Foto des ukrainischen Filmemachers Oleg Zensow hinter Gittern
    Oleg Senzow ist in einer fern abgelegenen Strafkolonie am Polarkreis inhaftiert (picture alliance / dpa)
    Das jüngste bekannt gewordene Schreiben mit der Bitte um Begnadigung stammt von Oleg Senzows Mutter. Es ist gestern, am 42. Geburtstag des Regisseurs, veröffentlicht worden. Darin bittet die Mutter den Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, Mitleid zu zeigen. Sie wolle ihn nicht von der Unschuld ihres Sohnes überzeugen, obwohl sie daran glaube. Sie wolle nur sagen, dass ihr Sohn Oleg niemanden umgebracht habe. Zu Hause erwarteten ihn seine Kinder, die ohne ihren Vater nicht mehr glücklich würden.
    Der Sprecher Putins, Dmitrij Peskow, erklärte kurz nach der Veröffentlichung des Schreibens, der Kreml werde es prüfen. Nach früheren Bitten um Begnadigung von Seiten bekannter Publizisten, Regisseure und Journalisten hatte Peskow erklärt, Senzow müsse die Bitte selbst äußern.
    Oleg Senzow war 2015 von einem Militärgericht in Rostow am Don zu 20 Jahren Haft in einer fernab gelegenen Strafkolonie, also einem Gefängnis mit harten Bedingungen, verurteilt worden. Ihm wurden die Planung von Terroranschlägen, Brandstiftung, den Besitz von Waffen sowie Verbindungen zum extremen Rechten Sektor, einer gewaltbereiten Gruppierung in der Ukraine, vorgeworfen. Senzow hatte vor, während und nach der Annexion der Krim durch Russland Widerstand gegen die neuen Machthaber unterstützt. Strittig ist aber, inwieweit er zu Gewalt aufgerufen hat. Das Urteil beruft sich maßgeblich auf die Aussage des Zeugen Gennadij Afanassjew, der später öffentlich erklärte, er sei gefoltert worden und habe deshalb Senzow beschuldigt. Darauf gründen die Zweifel am Urteil.
    Außerdem trug der ukrainische Filmemacher selbst nach der Untersuchungshaft sichtbare Zeichen von Gewalteinwirkung am Körper. Senzow sitzt in der Strafkolonie "Weißer Bär" in der Kleinstadt Labytnangi nördlich des Polarkreises in Haft. Dort hat er vor zwei Monaten seinen Hungerstreik begonnen.
    Senzows Gesundheitszustand ist ungewiss
    Die Aufmerksamkeit der Fußball-Weltmeisterschaft wolle er dazu nutzen, ukrainische politische Gefangene in russischen Gefängnissen freizubekommen, hatte er erklären lassen. Um ihn selbst gehe es ihm nicht. Genaue Informationen über seinen Gesundheitszustand sind unbekannt. Seine Cousine berichtete vor wenigen Tagen dem ukrainischen Sender Hromadske, er habe 15 Kilogramm abgenommen und wiege nun 75 Kilogramm – bei einer Körpergröße von 1,90 Meter. Sein Zustand schwanke, in der Tendenz aber verschlechtere sich. Früheren Informationen zufolge wird Senzow über Infusionen mit Vitaminen und Glukose versorgt. Ob dies unter Zwang geschieht, ist nicht klar. Außerdem stehe er unter regelmäßiger Beobachtung von Ärzten. Der Mediziner Alexej Paramonow erläuterte im Sender Doschd nach 40 Tagen des Hungerstreiks:
    "40 Tage kann man als eine Grenze für die meisten Menschen betrachten. Wichtig ist es, wie viel Fett man hatte. Aber nach 40 Tagen kommen die Fettvorräte in der Regel an ihr Ende, und der Organismus muss schon Muskelgewebe verbrauchen und auch die Vorräte, die er täglich braucht, um zu funktionieren."
    Prominente Unterstützung für Senzow, auch aus Deutschland
    Senzow bekommt in Russland Unterstützung von prominenten Publizisten, aus dem Ausland von etlichen politischen Besuchern. Aus Berlin war kürzlich Michael Roth (SPD), Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, in Moskau:
    "Ich habe den Eindruck, dass den russischen Verantwortlichen von Vielen sehr deutlich gemacht wurde, wie ernst die Lage ist und dass es eine klare Erwartungshaltung von uns, der Europäischen Union und anderen Vertretern der internationalen Gemeinschaft gibt, Herrn Senzow freizulassen, ein rechtsstaatliches Verfahren herbeizuführen."
    Aus der Ukraine ist angeboten worden, Gefangene wechselseitig mit Russland auszutauschen. Die russische Führung ist darauf öffentlich bislang nicht eingegangen.