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Ukrainisches Jugendorchester
Per Crowdfunding zum Festival nach Berlin

Fast 1.500 junge Musiker kommen in den nächsten Wochen nach Berlin - zu einem einzigartigen Festival, dem Young Euro Classic in Berlin. Auch das Jugendorchester aus der Ukraine ist eingeladen - doch der Besuch droht am Geld zu scheitern. Eine Initiative will den 80 jungen Musikern mit Spenden helfen. Sicher ist noch nichts, aber sie proben weiter.

Von Florian Kellermann | 30.07.2015
    Nachwuchsmusiker beim Young-Euro-Classic-Festival in Berlin
    Nachwuchsmusiker beim Young-Euro-Classic-Festival in Berlin (dpa / picture alliance / Soeren Stache)
    Vor drei Jahren war Oksana Krutsko der glücklichste Mensch der Welt. Schon als Mädchen hatte sie sich fest vorgenommen, einmal in Kiew zu studieren, am besten Konservatorium der Ukraine. Nun hatte sie es geschafft: Die heute 22-Jährige hatte einen von zwei Ausbildungsplätzen an der Flöte ergattert, für die keine Studiengebühren zu entrichten sind. Anders hätte sie sich ihren Traum nicht verwirklichen können - Oksana stammt aus Ternopil, 400 Kilometer weiter westlich gelegen.
    Ihr zweites Studienjahr hatte gerade begonnen, da formierten sich die Demonstrationen auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz, direkt neben der Musikakademie. Oksana war begeistert und half. In den kalten Winternächten brachten sie den Demonstranten Tee. Aber nicht an diese frohen Momente erinnert sie sich heute zuerst. "Wir haben beobachtet, als die Situation Ende Februar 2014 eskalierte, als geschossen wurde, als viele Tote auf dem Maidan lagen. Das werde ich nie vergessen. Dann kam die Nachricht, dass unser Konservatorium in Flammen steht. Die Jungs sind hingefahren und haben die Instrumente in Sicherheit gebracht. Das werde ich wirklich nie vergessen."
    Die jungen Musiker hatten sich monatelang gefreut
    Der Schrecken nahm kein Ende, bis heute. Den blutigen Protesten folgten die Kämpfe in der Ostukraine. Oksana hat Freunde und Verwandte, die dort stationiert sind, darunter ihr Bruder. Manche entferntere Bekannte sind dort ums Leben gekommen.
    Angesichts solcher Tragödien scheint es beinahe unerheblich, dass Oksana und 80 andere Studenten der Kiewer Akademie nun doch nicht nach Berlin fahren sollen. Die Regierung hat die Mittel gestrichen, sie sollen in die Armee fließen. Trotzdem ist Oksana traurig, die jungen Musiker hatten sich monatelang gefreut. "Unser Orchester geht nur sehr, sehr selten auf Reise. Ich habe mir sagen lassen, dass die letzte Reise ungefähr zehn Jahre her ist, lange bevor ich hier mein Studium aufgenommen habe. Natürlich hat mein größter Wunsch derzeit nichts mit Musik zu tun - ich träume vom Frieden. Aber die Musik gibt mir Energie, an eine bessere Zukunft zu glauben."
    Fast 5.000 Euro haben die Studenten zusammen
    Deshalb bitten Oksana und die anderen Orchester-Mitglieder jetzt im Internet um Spenden. Mit einer sogenannten Crowdfunding-Kampagne wollen sie es doch noch in die deutsche Hauptstadt schaffen. Fast 5.000 Euro haben die Studenten zusammen, es fehlen noch etwas über 2.000 Euro. Wer sich beteiligen will: Auf der Internetseite des "Your Euro Classic"-Festivals geht es über die dort veröffentlichten Pressemeldungen zum Spendenaufruf.
    Für das Festival werden die ukrainischen Musiker eine Bereicherung sein, sagt die Leiterin des Festivals Gabriele Minz: "Das ist ein wirklich ganz außerordentlich gutes Orchester. Und wir würden auch ein rein ukrainisches Programm bekommen. Auch wenn ich jetzt sage Tschaikowskij, als erstes ist doch die Ukrainische, die sie aufführen, die zweite Symphonie, und dann wird es zwei Werke geben von ukrainischen Komponisten. Beide sind Erstaufführungen, also ein ideales Young Euro Classic-Programm."
    Die ersten Erfolge des Spendenaufrufs haben Oksana wieder zuversichtlicher gemacht, dass sie doch noch nach Berlin fährt. Mit dem Proben haben die ukrainischen Musiker jedenfalls keine Pause eingelegt, sie sind bereit für ihren großen Auftritt.