Freitag, 29. März 2024

Archiv


Ulbig: Geld für sozialen Wohnungsbau wird nicht zweckentfremdet

Der Vorwurf von Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU), die Länder würden Geld für den sozialen Wohnungsbau falsch einsetzen, sei zu pauschal, kritisiert Markus Ulbig (CDU), Innenminister von Sachsen. In vielen Teilen des Landes gebe es auch vernünftigen Wohnraum zu vernünftigen Preisen.

Markus Ulbig im Gespräch mit Dirk Müller | 09.08.2013
    Dirk Müller: Nicht nur und ausschließlich in München, in Hamburg, Frankfurt, Köln und inzwischen auch immer stärker in Berlin: Die Mietpreise steigen und steigen. Wohnen wird immer teurer und bezahlbarer Wohnraum gerade für die ärmeren Haushalte immer geringer. So geht Peter Ramsauer wieder einmal in die politische, in die rhetorische Offensive, fordert von den Bundesländern, mehr für den sozialen Wohnungsbau zu tun, fordert die halbe Milliarde, die es vom Bundesbauministerium jedes Jahr dafür gibt, auch vernünftig, zielgerichtet einzusetzen, diese halbe Milliarde nicht in ganz andere Kanäle fließen zu lassen.

    Bauen, Bauen, Bauen, so das Credo des Bundesbauministers. – Wir sind nun verbunden in Dresden mit Markus Ulbig, Innenminister von Sachsen (CDU) und im Freistaat zuständig für das Bauen. Guten Morgen!

    Markus Ulbig: Guten Morgen.

    Müller: Herr Ulbig, kann Peter Ramsauer auch einmal recht haben?

    Ulbig: Zumindest was das Stopfen von Haushaltslöchern anbetrifft, gilt das für Sachsen nicht. Wir verwenden die Mittel zweckentsprechend. Wir haben in Sachsen einen sogenannten Wohnungsbau-Förderfonds eingerichtet und von dort werden die Programme des Freistaates Sachsen gespeist, und wir haben drei Zielrichtungen, die wir damit verfolgen. Einerseits wollen wir Mehrgenerationen-Wohnen fördern. Das bedeutet, barrierearme, barrierefreie Wohnungen zu errichten. Zweitens sind wir im energetischen Sanierungsbereich unterwegs und drittens wollen wir die Eigentumsquote nach oben bringen. All das sind Dinge, die im Einklang mit den bundesrechtlichen Festlegungen zur sozialen Wohnraumförderung stehen, und deshalb gilt dieser Vorwurf des Haushaltslöcherstopfens für Sachsen nicht.

    Müller: Herr Ulbig, tun Sie uns bitte und den Hörern noch einen Gefallen. Versuchen Sie, vielleicht etwas näher noch ans Telefon, an die Sprechmuschel zu gehen. Wir haben einen unglaublichen Hall darauf. – Sie sind nicht gerade im Dresdener Zwinger im Moment in einem Riesenraum?

    Ulbig: Nein. Geht es jetzt besser?

    Müller: Ja, wir versuchen das. Es geht besser. – Sie sagen, der Vorwurf ist nicht berechtigt. Was ist denn berechtigt?

    Ulbig: Wir müssen uns in der Bundesrepublik und genauso in den jeweiligen Ländern natürlich die konkrete Situation anschauen. Wohnen muss natürlich für Sozialschwächere erschwinglich bleiben. Aber so wie in Deutschland die Situation heterogen ist, so ist das eben in den jeweiligen Ländern auch. Da haben wir ein sehr buntes Bild und Sie haben die Städte angesprochen, wo wir eine sehr angespannte Wohnungsmarktsituation haben. Aber in vielen Teilen des Landes steht auch vernünftiger Wohnraum zu vernünftigen Preisen zur Verfügung, und das gilt bei uns im Freistaat Sachsen durchaus.

    Müller: Sagen Sie uns, wo die Probleme liegen – Dresden, Leipzig.

    Ulbig: Dresden und Leipzig, das sind die beiden Städte, wo wir in Zukunft mit einem Bevölkerungswachstum rechnen. Das ist eine positive Sache. Aber auf der anderen Seite haben wir dort auch noch Wohnungen, die leer stehen, Wohnungen, die leer stehen, auch zu vernünftigen Konditionen. Das bedeutet, wir müssen auch an den vorhandenen Bestand heran, denn Sachsen hat die Besonderheit, dass wir in Sachsen mehr als 50 Prozent des Wohnungsbestandes im Freistaat haben, der vor 1949 gebaut worden ist. Auf Bundesebene sind das nur 25 Prozent. Das macht einen Teil unseres Problems deutlich, dass wir natürlich auch in den vorhandenen Wohnraum investieren müssen, um die vorhandene Substanz zu nutzen.

    Müller: Das heißt, Sie haben viele leer stehende Wohnungen, sagen Sie, gerade auch in den Metropolen, also in den Ballungsräumen Dresden und Leipzig, aber im Grunde sind die noch nicht richtig bewohnbar.

    Ulbig: Das ist unterschiedlich. Wir haben durchaus einen Teil der Wohnungen, die mit einer guten Ausstattung vorhanden sind, aber es gibt natürlich auch Gebäude, die nicht in einem guten Zustand sind. Da zeigt sich aber in Dresden, wenn der Wohnungsmarkt funktioniert, dann fängt auch die Baubranche an, in Gebäude zu investieren, wo wir das bis vor Kurzem noch nicht für möglich gehalten haben. Schauen Sie, gerade in Dresden ist es nicht nur ein Problem für Einkommensschwächere, eine gute Wohnung zu finden, sondern dort ist es durchaus auch ein Problem, im gehobenen Standard gute Wohnungen zu finden. Deshalb wird jetzt in Gebäude investiert, wo man auch Hochpreiswohnungen bekommen kann, und ich denke, das macht deutlich, dass wir gerade in diesen Bereich nicht mit öffentlichen Geldern reingehen können.

    Müller: Herr Ulbig, gehen wir doch noch mal auf die alleinstehende Verkäuferin ein, die in der Regel nicht so viel verdient. Die kommt nach Dresden, kommt nach Leipzig und hat die Möglichkeit, ist jetzt die Frage, eine "vernünftige" Wohnung zu finden und die auch zu finanzieren und vor allen Dingen auch damit leben zu können.

    Ulbig: Doch, das kann man durchaus sagen. Es gibt ja zwei Merkmale, die dafür entscheidend sind: einerseits die Kaltmiete. Da haben wir in Sachsen einen Durchschnitt von 5,47 Euro, während das im Bundesdurchschnitt 6,37 Euro ist. Und das, was die Bertelsmann-Studie ja noch sehr viel deutlicher gemacht hat, eher die Mietbelastungskurve sich anzuschauen als zu sagen, wie viel Prozent meines Einkommens muss ich denn für die Miete ausgeben, und auch da sieht es in Sachsen bemerkenswert gut aus. Wir haben eine Mietbelastungsquote in der Höhe von 20,5 Prozent. Der Bundesdurchschnitt liegt dort bei 23,5 Prozent und in einzelnen Ländern geht es sogar schon auf die 25 Prozent zu.

    Müller: Aber da sagen Sie ja selbst, Herr Ulbig, wenn ich Sie richtig verstanden habe, das könnte für Dresden und Leipzig in den kommenden Jahren durch das erwartete Wachstum dann doch problematischer werden?

    Ulbig: Das könnte durchaus problematisch werden. Deshalb gilt es, dort die Anstrengungen auf sich zu nehmen und einerseits in den vorhandenen Bestand zu investieren, andererseits natürlich auch Neubau zu schaffen. Aber es muss nach unserer Einschätzung kein sozial geförderter Wohnraum sein, der neu geschaffen wird, weil wir in den Beständen noch die Möglichkeit haben, eben die einkommensschwächeren Bevölkerungsgruppen mit angemessenem Wohnraum zu versorgen.

    Müller: Wenn die Mieten, Herr Ulbig, dann doch steigen sollten, kann man mit Ihnen denn darüber reden, dann zu sagen, dann müssen wir die Mietsteigerungen, die Mietpreise begrenzen?

    Ulbig: Das ist eine Sache, die natürlich von uns beobachtet wird. Wir haben gerade in Sachsen bei unseren ungefähr 450 Städten und Gemeinden eine Abfrage gestartet, wer braucht denn eine solche Verordnung, wo die Mietpreisobergrenze gekappt wird, und auch da ist herausgekommen, dass in Sachsen die drei Städte, Dresden, Leipzig und Chemnitz, derzeit beobachten, ob sie in Zukunft eine solche Verordnung brauchen. Im Moment wird das noch nicht als erforderlich angesehen.

    Müller: Sie haben schon die Betroffenen gefragt und nicht die Unternehmer?

    Ulbig: Natürlich müssen wir zuerst mit den Städten und Gemeinden sprechen, denn die haben ja den konkreten kommunalen Wohnungsmarkt im Blick, und das Ergebnis ist gewesen, dass nur die drei großen Städte derzeit Bedarf für die Zukunft sehen.

    Müller: Sie sagen jetzt - die Sozialdemokraten sehen das ja ganz anders, auch bundesweit im Wahlkampf spielt das eine Rolle: Mietdeckel im Moment mit mir nicht?

    Ulbig: Schauen Sie, an der Diskussion ärgert mich Folgendes: Natürlich habe ich Verständnis dafür, dass in den Städten, in den Bereichen, wo der Wohnungsmarkt extrem angespannt ist, auch Instrumente in die Hand genommen werden müssen, um das konkrete Problem in den Griff zu bekommen. Aber die Diskussion vermittelt doch den Eindruck, als hätten wir in ganz Deutschland ein riesiges Problem, und wenn man sich das dann genauer anschaut, dann kann man das so nicht gelten lassen. Das gilt für große Teile der Bundesrepublik so nicht und das gilt eben auch für viele Länder in diesem Maße nicht. Deswegen müssen wir sehr viel genauer hinschauen und im sogenannten Fein-Tuning kriegen wir das wirklich gut in den Griff.

    Müller: Nun war das ja ausgerechnet einmal nicht Peer Steinbrück, der gesagt hat, wir müssen das alles ändern, obwohl er das ja sagt. Peter Ramsauer ist ja derjenige gewesen, CSU, immerhin Parteifreund aus der Schwesterpartei, der gesagt hat, Bauen, Bauen, Bauen. Das heißt, er hat sich da doch ein bisschen vertan?

    Ulbig: Nein! Dr. Ramsauer benennt doch wichtige Punkte. Wohnen ist eindeutig eine soziale Aufgabe für die Politik, und er hat ja auch die richtigen Felder benannt: Studenten, junge Familien, einkommensschwache Gruppen. Innerstädtische Gebiete dürfen nicht nur zu Luxusquartieren verkommen. All das sind richtige Themen, aber die müssen jetzt an der Stelle auch platziert werden, wo es das konkrete Problem gibt, und das gilt nicht flächendeckend für die Bundesrepublik gleich.

    Müller: Bei uns heute Morgen live im Deutschlandfunk Markus Ulbig, Innenminister von Sachsen (CDU), dort auch zuständig für das Bauen. Vielen Dank für das Gespräch, Ihnen noch einen schönen Tag.

    Ulbig: Danke gleichfalls. Auf Wiederhören!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.