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“Ultimate Fighting“ in den USA

Zurückgehende Ticketverkäufe, abspringende Sponsoren - über einen rezessionsbedingten Niedergang, den die herkömmlichen amerikanischen Sportarten wie Football, Baseball oder Basketball zu beklagen haben, können die Promoter des brutalen Kampfsports "Ultimate Fighting" nur lachen. Denn die Schlägerei im Käfig ist die am schnellsten wachsende Disziplin der USA.

Von Max Böhnel | 01.06.2009
    "Mixed martial arts" oder "Ultimate Fighting" heißt die Mischung aus Nahkampfstilen wie Boxen, Judo, Ringen, Jiujitsu und Taekwondo, die Woche um Woche mit neuen Rekorden Schlagzeilen macht. Die Arenen, in denen sich die Kämpfer die Gesichter blutig treten und die Schultern ausrenken, sind Wochen vorher ausverkauft. Und der Kabelsender "Spike TV" sowie Pay-per-View-Fernsehen der Firma "Ultimate Fighting Championship" (UFC) trumpfen vierteljährlich mit immer höheren Einschaltquoten auf.

    Die brutalen Zweikämpfe, die in einem achteckigen Drahtkäfig stattfinden, damit kein Kämpfer ins Publikum geschleudert wird, sind an guten Tagen Fernsehsport Nummer eins bei Männern zwischen 18 und 34 Jahren. Ein Grund für den rasanten Aufstieg des neuzeitlichen Gladiatorentums ist der Niedergang des Boxens, was dessen Manager mit Bedauern offen eingestehen, etwa die Promoterin Jackie Kallen aus dem Bundesstaat Michigan:

    "Wir haben keine richtigen Stars mehr und haben einen Großteil unserer Zuschauer an die 'mixed martial arts' verloren. Die haben uns inzwischen in jedem Marktsegment überholt."

    Der Sportjournalist Frank Deford des Radiosenders "National Public Radio" hält das Ausbleiben großer Namen im Boxsport und den Aufstieg von "Ultimate Fighting" dagegen für das Ergebnis von mehr Gewaltakzeptanz in der Gesellschaft und der technologischen Entwicklung:

    "Boxen befindet sich in der Tat seit Längerem auf Talfahrt, aber nicht, weil es für die moderne zivilisierte Welt zu gewalttätig wäre, sondern weil es nicht gewalttätig genug ist. Die 'mixed martial arts' füllen eine Marktlücke. Ob man sie Sport nennen soll oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Sie sind wie ein Videospiel, in dem wirkliche Menschen aus Fleisch und Blut vorkommen, mit der Betonung auf Blut."

    "Mixed martial arts" und "Ultimate Fighting" würden dabei die Sinne von internet- und videospielerfahrenen Zuschauern eher ansprechen als das Boxen, meint Deford:

    "Entscheidend ist die kürzere Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauer. Ein solcher Gladiatorenkampf wird mit Händen, Fäusten, Füßen, Knien, Ellbogen und mit Kopfstößen ausgetragen. Er dauert im Durchschnitt sechs bis sieben Minuten. Dann wird das Blut im Käfig aufgewischt, und zwei neue frische Gladiatoren steigen in den Käfig."

    Wenn die Kameras in Nahaufnahme auf geschwollene Augenbrauen und blutverschmierte Lippen halten, dann wird dies im Hintergrund von animierten Moderatoren begleitet. Mainstream durfte sich dies zum ersten Mal im Frühjahr letzten Jahres nennen, als der Networksender CBS abends zur besten Sendezeit eine Veranstaltung übertrug. Damit waren die "mixed martial arts" kein Nischensport mehr.

    Die Ursprünge gehen auf "Fight Clubs" in Hinterhöfen und Dorfwiesen zurück. Ende der 90er-Jahre verboten viele Bundesstaaten die brutalen Schlägereien, bei denen alles erlaubt war. 2001 einigten sich Promoter und staatliche Sportkommissionen auf das Verbot der schlimmsten Schläge und auf Pflichtdoping- und Drogentests. In 32 Bundesstaaten ist "Ultimate Fighting" inzwischen legal, an ein Verbot ist nicht zu denken. Der Sportmediziner Dr. Robert Cantu aus Boston wendet sich trotzdem gegen die vorschnelle Legalisierung im Rest der USA:

    "Ärzteteams sind zwar bei jedem Kampf anwesend. Aber richtig studiert werden Verletzungen immer noch nicht. Ich plädiere für eine vorsichtige Lizensierungspraxis auf der Grundlage von Verletzungsmustern, die analysiert werden müssen. Ein Verbot hätte denselben Effekt wie ein Verbot des Boxens. Es würde bei dieser Popularität in den Untergrund abgedrängt und wäre nicht mehr zu kontrollieren."