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Ultimatum für Katalonien endet
Spanien hält den Atem an

Das Ultimatum für Katalonien läuft um zehn Uhr ab. Die Zentralregierung in Madrid beharrt auf der Annullierung der derzeit nur ausgesetzten Unabhängigkeit. Andernfalls werde sie die katalanischen Institutionen entmachten. Ruft Regionalpräsident Carles Puigdemont dann sofort die Republik Katalonien aus?

Von Burkhard Birke   | 19.10.2017
    Ein Banner mit einem Herzen aus den Flaggen Kataloniens, Spaniens und Europas tragen Menschen bei dem Protest in Barcelona in Katalonien (Spanien) gegen die Pläne der Regionalregierung Katalonien zur Abspaltung von Spanien.
    Wären vorgezogenen Neuwahlen in Katalonien jetzt ein Ausweg aus der spanisch-katalanischen Krise? (picture alliance/ dpa/ Nicolas Carvalho Ochoa )
    Dieser Abend gehörte ihnen: Den Bürgern Kataloniens, die um jeden Preis bei Spanien verbleiben möchten. Trotz Regens hatten sie sich zahlreich an der Plaza Francesc Macia in Barcelona versammelt.
    Dieser Mann will, dass die spanische Zentralregierung die Kontrolle in Katalonien übernimmt. Angst hat er keine – ebenso wenig wie diese junge Frau, die das Gegenteil, die Unabhängigkeit, will:
    "Wenn man sieht, wie viele Menschen für Unabhängigkeit auf die Straße gehen, glaube ich, dann haben die keine Angst.
    Zwei Stimmen, zwei Meinungen - repräsentativ für eine tief gespaltene Gesellschaft, deren aktuelle Regierung um jeden Preis nach Unabhängigkeit strebt. Allen Ultimaten und Appellen aus Madrid zum Trotz hält der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont unbeirrt an seiner Demarche fest.
    Unveränderte Positionen
    Die Unabhängigkeit ist nur ausgesetzt, die Repression müsse aufhören und man sei bereit zum Dialog auf Augenhöhe, so unverändert die Position. Regierungssprecher Jordi Turull:
    "Lasst uns ohne Bedingungen verhandeln. Die Zentralregierung hat ein politisches Mandat, wir auch."
    Verhandeln könnte man: Zum Beispiel auch über ein Finanzstatut, das Katalonien mehr von seinen Einnahmen ließe.
    Die Zentralregierung indes beharrt strikt auf der Rückkehr in den verfassungsrechtlichen Rahmen, sprich auf der Annullierung der nach katalanischer Lesart derzeit nur ausgesetzten Unabhängigkeit. Das Forum für den Dialog sei die Abgeordnetenkammer in Madrid. Ein Tête à Tête lehnt Ministerpräsident Mariano Rajoy ab. Er mahnte Puigdemont, stattdessen endlich zur Vernunft zu kommen.
    "Wenn Herr Puigdemont der Aufforderung nicht nachkommt, wird der Artikel 155 angewandt. Und das Ziel ist klar: Die Autonomie Kataloniens wiederherzustellen", drohte die stellvertretende Regierungschefin, Soraya Saenz de Santamaria, in der Fragestunde des Parlamentes erneut mit der Entmachtung der katalanischen Institutionen. Den Artikel 155 bezeichnete die Zeitung El Mundo als Atombombe. Nun droht sie zu explodieren.
    Öl ins Feuer: Inhaftierung zweier Aktivisten
    Die Inhaftierung zweier katalanischer Separatistenführer wegen Anstiftung zum Aufruhr diese Woche sowie die Anhörung des Chefs der Mossos de Esquadra, der katalanischen Polizei, wirkten zudem wie Öl ins Feuer des schwelenden Konfliktes. Die Separatisten sprechen von einem politischen Prozess und politischen Gefangenen. Nach der Polizeigewalt am Tag des illegalen Referendums werden bei einigen wieder Erinnerungen an das Gespenst der Franco Diktatur geweckt.
    Wären vorgezogenen Neuwahlen in Katalonien jetzt ein Ausweg aus der Unsicherheit und immer explosiveren Stimmung? Wenn Carles Puigdemont Neuwahlen ankündigt, ohne sie zum Unabhängigkeitsreferendum zu erklären, würde Madrid auf die Machtübernahme in Katalonien verzichten, heißt es. Diese Offerte soll auf Drängen der oppositionellen Sozialisten zustande gekommen sein.
    Es gebe keine Pläne oder Erwartungen, Neuwahlen abzuhalten, teilte indes ein Sprecher der katalanischen Regionalregierung mit.
    In der Generalitat in Barcelona denkt man im Falle der Entmachtung erst Recht daran, die Unabhängigkeit formal zu erklären und hofft für diesen Fall auf Unterstützung von außen.