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Ultrapräzise Synchronisation von optischen Atomuhren

Mit einer Glasfaser-Verbindung können mehrere Atomuhren auch über große Distanzen hinweg präzise miteinander verbunden werden, sagt die Physikerin Katharina Predehl. Damit ließe sich beispielweise untersuchen, ob sich die Naturkonstanten ändern oder ob es eine Form von Geoaktivität gibt.

Katharina Predehl im Gespräch mit Ralf Krauter | 27.04.2012
    Ralf Krauter: Atomuhren, das sind die Taktgeber der Moderne. Banken, Börsen, Computernetzwerke – sie alle orientieren sich am Rhythmus schwingender Cäsium-Isotope. Glatt 9,2 Milliarden Schwingungen entsprechen einer Sekunde, so hat man die Basiseinheit der Zeit 1967 definiert und seitdem ein weltumspannendes Netzwerk von Atomuhren aufgebaut, die immer wieder per Satellit synchronisiert werden. So weit so gut. Aber mittlerweile gibt es optische Atomuhren, die so genau gehen, dass sie in einem Zeitraum, der dem Alter des Universums entspricht maximal eine Sekunde daneben liegen. Forscher des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching haben nun erstmals gezeigt, wie sich diese ultrapräzisen optischen Taktgeber synchronisieren ließen. Mit trickreicher Laseroptik und zwei Glasfaserkabeln längs einer Pipeline bauten sie eine Verbindung zu einer Atomuhr auf, die 600 Kilometer entfernt stand. Bei der physikalisch-technischen Bundesanstalt in Braunschweig.

    Die Physikerin Katharina Predehl, die das Experiment geleitet hat, habe ich gefragt, wozu dieser Aufwand. Reicht eine Satellitenverbindung nicht aus, um optische Atomuhren zu vergleichen?

    Katharina Predehl:Nein, tun sie nicht. Das kann ich einfach so beantworten. Diese neuartigen optischen Uhren ticken etwa 100.000 Mal schneller als die Atomuhren, die man momentan verwendet, um die Sekunde zu definieren. Für diese herkömmlichen Atomuhren sind Satellitenverbindungen ausreichend, aber für diese neuartigen optischen Uhren, die einfach wesentlich präziser funktionieren, dadurch, dass sie so viel schneller ticken, sind diese Satellitenverbindungen nicht genau genug. Das Rauschen, dass man über diese Übertragung kriegt, zerstört eigentlich die schöne Genauigkeit, die man mit der Uhr gewinnt.

    Krauter:Das heißt, man hat das Problem, man hat an verschiedenen Stellen der Welt schon solche hoch präzisen optischen Atomuhren, wie Sie es beschrieben haben. Aber man kann sie letztlich nicht miteinander vergleichen.

    Predehl: Ja, richtig. Man hat jetzt lauter Inselchen. Ein paar Institute weltweit leisten sich solche optischen Uhren. Das ist ein sehr großer experimenteller Aufwand, so eine Uhr zu betreiben. Es kommt noch dazu, dass es sehr viele verschiedene Typen von optischen Uhren gibt und nicht jedes Institut hat jetzt jede Sorte optische Uhr bei sich daheim. Das heißt, man möchte eigentlich gerne verschiedene Typen von optischen Uhren miteinander vergleichen und das möchte man notgedrungen dann eben über große Distanzen machen. Das ist die große Problematik, die zu dem Projekt geführt hat.

    Krauter: Wie genau ließe sich das jetzt mit der Methode, die Sie vorgestellt haben, mit einer Glasfaser und trickreicher Technik im Hintergrund, wie genau ließen sich solche optischen Uhren damit synchronisieren?

    Predehl: Also wir behaupten: Eigentlich perfekt. So als hätte man die optische Uhr zur zweiten optischen Uhr gebracht. Wir haben gezeigt, dass die Übertragung das Uhrensignal nicht systematisch verschiebt, das ist sehr wichtig. Jetzt ist da ein kleines Rauschen drauf, das mittelt sich einfach raus nach ein paar Sekunden Messzeit. Und danach kann man dieses optische Uhrensignal am anderen Ende nutzen, um zum Beispiel eine zweite optische Uhr darauf zu synchronisieren.

    Krauter: Das heißt, Sie könnten mit diesem Glasfaserkabel letztlich zwei Uhren an verschiedenen Orten der Welt dazu bringen, im selben Takt zu schlagen, kann man das so sagen?

    Predehl: Ja, das kann man so sagen.

    Krauter: Wo wäre so was spannend? Wo wäre dieser Genauigkeitsvorsprung, den man mit dieser Technik erzielen könnte, verglichen mit den heutigen konventionellen Atomuhren, wo käme der zum Tragen? Wo wäre der interessant?

    Predehl: Also im Moment finden das vor allem wir Grundlagenforscher interessant. Wir können ziemlich interessante Effekte mit dieser supergenauen Uhr messen. Da spielen jetzt vor allem Effekte der Physik eine Rolle, die sich zum Beispiel sehr sehr sehr langsam ändern. Wir untersuchen zum Beispiel mit optischen Uhren, ob sich die Naturkonstanten ändern.
    Man kann damit Einsteins Relativitätstheorie testen. Man könnte zum Beispiel auch testen, wie sich das Gravitationspotenzial der Erde ändert. Wenn man später einmal ein Netzwerk mit optischen Uhren miteinander verlinkt hat, dann kann man sehr präzise sehen, nämlich einfach an dem Frequenz-Shift einer Uhr, ob sich zum Beispiel irgendwelche Erdplatten gegeneinander verschieben. Oder ob es irgendeine Form von Geoaktivität gibt.

    Krauter: Weil die Schwerkraft laut Albert Einstein dazu führt, dass Uhren an bestimmten Stellen langsamer oder schneller laufen?

    Predehl: Richtig. Genau. Und das kann man momentan, mit den momentanen optischen Uhren, kann man das messen, ob die eine Uhr 50 Zentimeter höher im Erdgravitationsfeld tickt als die andere. Das ist schon ein sehr großer Level an Genauigkeit.

    Krauter:Sprechen wir noch mal über Ihre Verbindungstechnik, die Sie jetzt bewiesen haben, dass sie funktioniert und zur Synchronisierung im Prinzip taugen würde: Könnte man wirklich ein Netzwerk von optischen Atomuhren aufbauen? Wie aufwendig wäre das?

    Predehl: Ja, könnte man. Der Aufwand, das ist immer relativ. Wir hatten zum Beispiel das Glück in einer Kollaboration mit unserem Faseranbieter eine dunkle Faser zu bekommen. Das bedeutet, wir dürfen auf dieser Faser senden, was wir wollen. Typischerweise bekommt man einen Frequenzkanal freigeschaltet. Das heißt, man darf dann wirklich nur eine Frequenz darauf schicken.

    Krauter: Weil man sonst mit anderen Signalen interferieren würde?

    Predehl: Ja, da läuft der ganze Internetverkehr zum Beispiel auch darüber, über diese Faser. Das heißt, man kriegt da wirklich einen Kanal freigeschaltet. Also der Aufwand ist natürlich größer, aber machbar ist das auf jeden Fall.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.