Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Ultras
Es wird höchste Zeit

Auf die Gewaltszenen vom DFB-Pokalspiel zwischen Hansa Rostock und Hertha BSC hat der DFB prompt reagiert. Der Deutsche Fußball-Bund will vorerst keine Kollektivstrafen mehr aussprechen und den Dialog mit den Ultras suchen. Ein Schritt in die richtige Richtung oder ein vergiftetes Angebot? Arne Lichtenberg kommentiert.

Von Arne Lichtenberg | 16.08.2017
    Abbrennen von Feuerwerk Bengolos Pyrotechnik im Berliner Fanblock.
    Fast die ganze Tribüne brannte. (imago)
    Wer das Spiel zwischen Hansa Rostock und Hertha BSC angeschaut hat, der traute ab Spielminute 74 seien Augen nicht mehr.
    Einige vermummte Rostocker Fans, wenn man sie denn überhaupt so nennen darf, enthüllten ein geklautes Hertha-Banner, zeigten es und brannten es ab. Die Anhänger von Hertha BSC reagierten wütend. Zündeten Böller und Raketen und steckten Sitzschalen in Brand. Die Sicherheit der Spieler und der anderen Beteiligten auf dem Rasen war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gewährleistet. Also machte Schiedsrichter Robert Hartmann das einzig Richtige. Er unterbrach die Partie und schickte die Spieler in die Kabinen.
    Als das Spiel nach 18 Minuten Unterbrechung wieder angepfiffen wurde, hatte niemand mehr Lust auf Fußball. Die Luft war raus. Der Appetit war allen gänzlich verdorben.
    Fußball ist ein Stadionerlebnis für Jedermann
    Jetzt hat der DFB reagiert. Er kündigte an, vorerst auf Kollektivsanktionen wie Geisterspiele oder Blocksperren zu verzichten. Das ist zu begrüßen, denn es sind meist nur einzelne Idioten, die ein Fußballspiel als Bühne für ihre Zwecke missbrauchen. Das Gros der friedlichen und fairen Fans darf nicht unter den Verfehlungen einiger weniger leiden. Eine Gewaltkultur dürfen die Vereine unter keinen Umständen dulden.
    Fußball ist ein Stadionerlebnis für Jedermann. Familien und Frauen mit kleinen Kindern mischen sich heutzutage ganz selbstverständlich unter den Stadionbesuchern. Aber wer die Szenerie am Montagabend im Fernsehen bestaunte, wird sich in Zukunft drei Mal überlegen, ob er wirklich noch mit Frau und Kind ins Bundesliga-Stadion gehen will. Das kann auch der DFB nicht wollen. Denn ihm ist an einem positiven Stadionerlebnis für alle gelegen.
    Tickets nur noch unter Vorlage des Personalausweises
    In Zukunft werden wir uns wohl daran gewöhnen müssen, dass wir Tickets nur noch unter Vorlage eines Personalausweises kaufen können. Es wird noch mehr Sicherheitsüberwachung in den Stadien geben, um Randalierern endgültig das Handwerk zu legen.
    Gleichzeitig geht der DFB auf die Fans zu. DFB-Präsident Grindel lud die Ultra-Vertreter zum Dialog ein. Ein starkes Zeichen, dass hier vom DFB kommt. Es ist nicht ganz zu durchschauen, was die Ultras wirklich wollen. Aber es ist klar, in welche Richtung es geht. Sie verurteilen die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs, wie sie sich zuletzt bei der Halbzeitshow von Helene Fischer beim Berliner Pokalfinale zeigte. Und sie kämpfen gegen eine weitere Zerstücklung des Spieltags mit Bundesligaspielen am Montagabend. Sie fühlen sich als diejenigen, die mit ihren Gesängen und kreativen Choreographien die Stimmung und das Bild in den Stadien prägen, nicht richtig ernst genommen. Es wird höchste Zeit, dass sich alle Parteien an einen Tisch setzen.
    Auf die Zuschauereinnahmen sind die Vereine nicht mehr angewiesen
    Denn Fußball wird immer mehr zum Fernsehspiel. Den Erfordernissen des TV hat sich der Fußball immer weiter angepasst. Kaum verwunderlich, denn die TV-Verträge bringen den Verbänden, Ligen und schließlich auch den Vereinen das meiste Geld. Auf die Zuschauereinnahmen sind sie längst nicht mehr angewiesen.
    Nur die Frage ist, was passiert, wenn der Fan sich abwendet? Wenn er lieber zuhause bleibt. Dann wird auch die Stimmung in den Stadien leiden und es ist nicht mehr das edle Hochglanzprodukt, das zum Höchstpreis zu vermarkten ist. Der DFB sollte sein Gesprächsangebot ernst meinen. Denn ein vergiftetes Angebot könnte verheerende Folgen haben, für das schöne Spiel, das schöne Bilder liefern muss.