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Umgang mit Schlachttieren
Gestresstes Schwein schmeckt nicht gut

Wenn Tiere vor ihrer Schlachtung Angst haben, mindert das die Fleischqualität. Forscher suchen daher nach neuen Methoden, Schweine und Rinder schnell und möglichst sanft zu betäuben, bevor sie getötet werden. Es geht um das Wohl der Tiere - und um die Gewinne der Fleischindustrie.

Von Lutz Reidt | 22.01.2017
    Schweine werden in einem Schweinetransporter zu einem Schlachthof in der Nähe von Grefrath transportiert.
    Vor ihrer Schlachtung stehen Schweine unter Stress, der sich auf die Qualität des Fleisches auswirkt. (dpa / picture-alliance / Victoria Bonn-Meuser)
    Rosige Leiber drängeln sich dicht an dicht. Enge Warteboxen sind gefüllt mit Mastschweinen vor ihrem letzten Gang - dem zur Schlachtbank. Der Tierarzt Matthias Moje steht daneben und beobachtet die Tiere. Die Schlachtung von Nutztieren ist Fließbandarbeit - bei Schweinen ist dies wörtlich zu verstehen. So auch hier in diesem Schlachthof in Süddeutschland:
    "Auf diesem Band werden die Schweine liegend angeliefert. Beine, links und rechts vom Band herunter hängend. Auf Bauch und Brust werden sie dann hierher befördert zur automatischen Betäubungsanlage, ein Tier nach dem anderen."
    Die Schweine verschwinden in einer meterhohen Metallkammer. Im Inneren dieser Box warten optische Sensoren und Lichtschranken. Sie tasten die Schweinekörper ab, suchen und finden den Kopf eines jeden Tieres:
    "Und dann erfolgt zuerst die elektrische Durchströmung im Kopfbereich; Zielorgan ist dabei eindeutig das Gehirn. Und danach eine elektrische Durchströmung im Brustbereich, um eine reguläre Herzfunktion auszuschalten. Innerhalb von maximal einer halben Sekunde muss das Bewusstsein verloren sein, wenn die Betäubung halbwegs vernünftig funktioniert. Wir selber haben uns herunter getastet bis zu 0,1 Sekunde."
    Mitarbeiter kontrollieren die betäubten Schweine
    Je schneller, desto besser. Am anderen Ende der Betäubungsbox kommen die Schweine wieder zum Vorschein. Sie zucken und beben am ganzen Körper, sie paddeln und rudern heftig mit den Beinen. Eine Folge der Stromstöße. Mitarbeiter testen den Lidreflex am Auge und kontrollieren so, ob das Tier auch wirklich betäubt ist - aber nur in Stichproben. Das Risiko, dass ein Schwein durchrutscht und noch nicht ganz "weg" ist, gehört zum Schlachtalltag.
    Es klingt geradezu makaber: Aber das Wohl der Tiere bei der Schlachtung steht im Mittelpunkt des Interesses von Matthias Moje. Der Tierarzt arbeitet am Max-Rubner-Institut in Kulmbach, wo das Bundeslandwirtschaftsministerium ein "Internationales Kompetenz-Zentum für Fleischqualität" eingerichtet hat. Matthias Moje ist dort zuständig für Schlachtung von Rindern und Schweinen.
    Ein Arbeiter in einem Schlachtbetrieb
    Ein Arbeiter in einem Schlachtbetrieb (pic)
    Zuletzt häufte sich Kritik an den Arbeitsabläufen in den Schlachthöfen. Tierärzte bemängeln, dass viele Schlachthöfe die Bandlaufgeschwindigkeit erhöht hätten. Dadurch bleibe dem Personal zu wenig Zeit, die Tiere wirkungsvoll zu betäuben und dies auch zu kontrollieren, kritisiert Karl Fikuart:
    "Der Akkord ist insofern ein Problem, dass dann die Zeiten zwischen der Betäubung, der Entblutung und der Zerlegung zu kurz sind - das trifft vor allen Dingen noch für kleine und mittlere Schlachtbetriebe zu."
    Karl Fikuart war viele Jahre lang Amtsveterinär des Kreises Steinfurt in Westfalen und Vorsitzender des Tierschutzausschusses der Bundestierärztekammer. Unzureichend betäubte Schlachttiere, so erläutert Karl Fikuart, müssen Höllenqualen erleiden, wenn der Schlachter zum Beispiel bei einem kopfüber hängenden Rind den Kehlschnitt ansetzt, um es auszubluten, oder gar bereits mit der Zerlegung beginnt, obwohl das Tier noch gar nicht tot ist.
    Mitarbeiter stehen unter Zeitdruck
    Solche Missstände sind nicht die Regel, sondern Einzelfälle. Doch die summieren sich. Hochrechnungen zufolge dürfte knapp ein Prozent der Schweine bei der Schlachtung nicht ausreichend betäubt sein - das wären bei knapp 60 Millionen geschlachteten Schweinen in Deutschland mehr als 500.000 Tiere im Jahr. Karl Fikuart befürchtet, dass die Ausnahme zur Regel werden und zunehmend den Schlacht-Alltag bestimmen könnte. Vor allem dann, wenn aus Kostengründen unzureichend qualifizierte Mitarbeiter unter Zeitdruck stehen. Allzu große Hast vor und während der Schlachtung ginge dabei jedoch nicht nur zu Lasten der geschundenen Tiere:
    "Und das ist etwas, was auch den Unternehmern klar sein muss: Tierschutz, der vorne an der Entladerampe beginnt, fördert die Qualität des Endprodukts. Das ist ganz entscheidend: Wenn die Tiere dort Stress erleiden, wenn die Tiere dort unruhig sind, sich noch beißen, ist das Fleisch nachher eindeutig von schlechterer Qualität, als wenn ich die Tiere ruhig zutreibe, ruhig in den Hallen liegen lasse und dann ruhig bis zur Betäubung weiter führe."
    Geschlachtetes Schwein, aufgenommen in Gasinci, Kroatien.
    Stresshormone sorgen dafür, dass das Fleisch nicht so lange haltbar ist. (imago stock / MarkoxMrkonjic)
    Gestresstes Schwein schmeckt nicht gut. Das weiß auch Matthias Moje, der in dem süddeutschen Schlachthof noch einmal den Zutrieb der Schweine beobachtet. Ein Tier, das jetzt übermäßig verängstigt, gestresst oder gar durch wiederholte Schläge der Treiber gequält wird, schüttet Angst- und Stresshormone aus. Das Fleisch kann dann später qualitativ minderwertig sein. Die Fachkürzel für diese Mängel lauten DFD und PSE:
    "PSE ist pale - soft - exaudative; das heißt, ein Fleisch, das als Schnitzel in der Pfanne zusammenschrumpft, sehr viel Wasser abgibt, und daher nachher beim Genuss sehr trocken ist. DFD-Fleisch ist - bei gleicher Ursache - eine vollständige Entleerung der Muskelglykogen-Vorräte. Das Fleisch ist im rohen Zustand sehr dunkel, sehr klebrig, sehr leimig; die Haltbarkeit dieses Fleisches ist auch deutlich herabgesetzt."
    Stress der Tiere wirkt sich auf die Qualität des Fleisches aus
    DFD ist das englische Kürzel für "dunkel, fest und trocken". Bei diesem Qualitätsmangel ist zwar der Schlachtkörper nicht ruiniert. Doch für Filet und Roastbeef reicht es dann nicht mehr:
    "Das würde bedeuten, dass wir beim Rind DFD-Fleisch vorfinden, dann als Folge leimiges, sehr dunkles Fleisch, das in der Haltbarkeit deutlich eingeschränkt ist, das geschmacklich nicht mehr befriedigt, das allerdings bei bestimmten Fleischerzeugnissen durchaus noch verwendet werden kann; also bei der Herstellung von ganz bestimmten Wurstwaren kann man auch DFD-Fleisch sinnvoll einsetzen."
    Brühwurst und Leberkäs statt Roastbeef und Filetsteak - ein denkbar schlechtes Geschäft für die Fleischwirtschaft. Schonender Umgang mit Schlachttieren lohnt sich also - bei Schweinen, wie auch bei Rindern. Europaweit werden Forderungen laut, die Arbeitsabläufe in den Schlachthöfen systematisch mit Kameras zu überwachen. Die Tierärztin Anne Hiller arbeitet in der "Zentralen Qualitätssicherung" von VION-Food, einem niederländischen Fleischkonzern mit großen Marktanteilen auch in Deutschland.
    Das Firmenschild und geschlossene Schranken am Werksgelände des Schlachthofes des Betreibers Vion in Bad Bramstedt (Schleswig-Holstein).
    Der VION-Rinderschlachthof in Bad Bramstedt wurde für einige Wochen geschlossen. (dpa)
    "Alle Mitarbeiter, die an den Positionen arbeiten, müssen sowieso einen Sachkundenachweis haben und eine Erstschulung und Ausbildung haben; aber das Wichtige ist, dass man die auch fortlaufend weiterhin schult; und dann kann eben schon eine Ergänzung ein Kamerasystem in dem Bereich eben mit Aufschluss geben, wie eben hier gearbeitet wird. Und wir setzen bereits im Bereich der Betäubung/Entblutung in einigen Betrieben schon solche Systeme ein und werden das aber auch weiter ausbauen, weil wir das auch für sinnvoll halten."
    Wie alle Größen in der Fleischbranche musste auch VION-Food zuletzt viel Kritik einstecken. So ließ Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck den VION-Rinderschlachthof in Bad Bramstedt für einige Wochen schließen. Amtsveterinäre hatten die veraltete Betäubungsanlage bemängelt, bei der die Gefahr von Fehlbetäubungen zu groß gewesen sei. Auch der Schweineschlachthof in Landshut stand jüngst in der Kritik, vor allem als Folge von Umbaumaßnahmen:
    "Es war so, dass vor dem Umbau dort eine CO2- Anlage war, in der die Tiere zu zweit in Gondeln eingetrieben wurden; also hintereinander in die Anlage eingetrieben wurden, was eben im Vergleich zum jetzigen Verfahren für die Tiere mit etwas mehr Stress verbunden ist; und insofern wurde eben durch den Umbau jetzt hier eine gute und dem aktuellen Stand der Technik entsprechende Lösung gefunden."
    Großschlachthöfe setzen verstärkt auf Betäubung mit Gas
    Um Schweine in großer Zahl effizient zu betäuben und dann zu schlachten, setzen industrielle Großschlachthöfe verstärkt auf die Betäubung mit Gas, und zwar mit Kohlendioxid in einem eigens dafür entwickelten Gondelsystem. Die Branche will weg von der fehleranfälligen Elektrobetäubung. Nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Fleischwirtschaft haben etwa drei Viertel der größeren Schweineschlachtbetriebe ihre Betäubung umgestellt. Doch auch das Kohlendioxid ist ein Problem.
    Ein Metallgitter öffnet sich, sechs Schweine verlassen eine riesige Halle - den Wartestall im Schlachthof - und gehen eine leicht nach oben gerichtete, etwa zehn Meter lange Rampe empor:
    "Wir befinden hier uns jetzt im Bereich des Zutriebes in Richtung Betäubungsanlage, in dem die Tiere gruppenweise zu dieser Anlage laufen."
    Der Gang dorthin endet vorerst auf einem Podest, auf der linken Seite wartet die Gondel: Drei bis maximal fünf Schweine, so erklärt Anne Hiller, passen zusammen in diesen massiven, stählernen Korb. Schlachthof-Mitarbeiter lenken die Tiere hinein - mit Treibhilfen, die aussehen wie rote Kinderschaufeln an langen Stielen. Zusätzlich drückt eine Hydraulik mit breitem Schild - wie bei einem Schneeschieber - die Tiere automatisiert in Richtung Gondel. Eines der Schweine sträubt sich: Es bäumt sich auf und versucht, mit dem Kopf über das Stahlschild zu lugen. Doch es gibt kein Entrinnen. Die Hydraulik drückt das Tier mit dem Hinterteil zuerst in den Korb - schonend sieht das nicht aus:
    "Ja, und dann schließt sich das Gondeltor, und die Gondel wird dann eben nach unten in eine Grube befördert; und in dieser Grube befindet sich das CO2, das schwerer ist als Luft und deswegen sich in dieser Grube ansammelt und auch hält."
    Kohlendioxid verursacht den Tieren Schmerzen
    Im VION-Schlachthof in niedersächsischen Zeven - zwischen Bremen und Hamburg gelegen - werden auch Schweine geschlachtet, die möglichst schonend vom Stall zur Schlachtbank gebracht wurden, nachdem sie zuvor entsprechend den Vorgaben des Tierschutzlabels gemästet worden waren. Daher schauen neben den amtlichen und konzerneigenen Kontrolleuren hier auch Beauftragte des Deutschen Tierschutzbundes nach dem Rechten. Zwar attestieren die Fachleute dem Schlachthof einen tierverträglichen Umgang in fast allen Bereichen. Doch ein wesentlicher Punkt steht in der Kritik. Und dies nicht nur in Zeven.
    Denn ein grundsätzliches Problem der Schweineschlachtung ist die Gas-Betäubung. Kohlendioxid wirkt zwar wie ein gutes Narkosegas. Ein Wiederaufwachen der Tiere vor dem Entbluten ist hier ausgeschlossen, wenn die CO2-Konzentration hoch und die Verweildauer lang genug ist. Doch bis die Tiere endlich bewusstlos sind, leiden sie im Dunkel der gasgefüllten Gruben:
    "Der Erste ist, dass sich auf den feuchten Schleimhäuten der Luftwege Kohlensäure bildet; und Kohlensäure wirkt stechend reizend; und darauf reagieren die Schweine mit Schmerz-Reaktionen, das ist gar keine Frage."
    Ein Rind schaut während einer Polizeikontrolle eines Tiertransporters auf einem Parkplatz an der Autobahn 250 (Maschen-Lüneburg) verängstigt durch einen Belüftungsschlitz.
    Auch der Transport ist für die Tiere mit Stress verbunden. (picture alliance / dpa / Hans-Jürgen Wege)
    Der Tierarzt Michael Marahrens leitet den Fachbereich "Transport und Schlachtung" am Friedrich-Löffler-Institut für Tierschutz und Tierhaltung in Celle, einer Forschungseinrichtung des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Seine Expertise ist gefragt. Er versorgt die Bundesregierung mit Stellungnahmen, etwa bei Anfragen im Bundestag, die das Wohl der Tiere bei Transport und Schlachtung betreffen. Die ersten zehn bis 15 Sekunden in der Gondel sind eine Tortur für die Schweine, sagt Michael Marahrens. Sie haben Atemnot und schnappen geradezu panisch nach Luft:
    "Mit der vertieften Atmung wird aber noch mehr CO2 in dieser Atmosphäre eingeatmet; das Tier atmet immer tiefer und schneller, bekommt aber keine Luft und hat Erstickungsgefühle. Das führt zu einer massiven Panik mit stark ausgeprägten Konvulsionen und Exitationen beim Tier, Fluchtversuchen; das ist ein massives Zappeln. Das so weit geht, dass Betäubungsanlagen zerlegt werden."
    Tiere brechen oft in Panik aus
    Und das kann eigentlich nicht im Sinne der Fleischbranche sein. Im Schlachthof Zeven steht VION-Tierärztin Anne Hiller jetzt am Auswurf der Betäubungsanlage. Zweieinhalb Minuten da drin und dann ist sichergestellt, dass die Tiere nicht wieder aufwachen vor dem Entbluten. Die Gondel öffnet sich, vier Schweine purzeln eine meterlange Schräge runter und prallen auf ein Fließband. Schlaffe, rosa Körper:
    "Die CO2-Betäubung basiert darauf, dass die Tiere in eine Narkose gelegt werden, wie für eine Operation beispielsweise; und dementsprechend fallen sie dann ganz schlaff, also ganz entspannt aus dieser Anlage aus; zeigen keine Bewegungen, atmen nicht mehr, die Augen sind geöffnet, sie blinzeln nicht und sie haben einen starren Blick."
    Ein Blick ins Leere. Und Schaum vorm Maul - ein Gemisch aus Speichel und Kohlensäure.
    Die Suche nach Alternativen zur CO2-Betäubung ist in vollem Gange. So vor allem am Max-Rubner-Institut in Kulmbach. Dort haben Wissenschaftler - darunter Matthias Moje - mit Argon und Helium experimentiert. Diese Edelgase lassen die Schweine sanft einschlafen - ohne irgendwelche Anzeichen, dass die Atmosphäre den Tieren unangenehm sein könnte:
    "Der Nachteil all dieser denkbaren alternativen Gase ist aber, dass die betäubende Wirkung bei Weitem nicht so lange anhält wie bei CO2; und wie es auch für den weiteren Schlachtprozess notwendig ist. Denn die Betäubung muss ja so lange sicher anhalten, bis das Tier nach der Entblutung durch den Blutverlust endgültig das Bewusstsein verloren hat."
    Suche nach alternativen Betäubungsmitteln
    Argon oder Helium können also keine Betäubung im klinischen Sinne hervorrufen. Es ist nur der Mangel an Sauerstoff, der die Schweine bewusstlos werden lässt - das allerdings sehr schonend. Beide Vorteile - sanftes Einschlafen und tiefe Betäubung - lassen sich durchaus miteinander kombinieren:
    "Die Tiere wurden in einer konventionellen Gasbetäubungsanlage mit Argon betäubt, dann aus der Anlage herausgefahren und in eine zweite geschlossene Box verbracht; dort wurde die mit Argon verursachte Betäubung vertieft mittels CO2 - also quasi eine zweistufige Gasbetäubung; und diese Betäubung ist aus Sicht des Tierschutzes als nahezu ideal zu beschreiben.
    Die Tierarztin des Friedrich-Loeffler-Instituts, Anne Balkema-Buschmann, überprüft am 05.09.2016 im Forschungsstall der Sicherheitsstufe L4 auf der Insel Riems (Mecklenburg-Vorpommern) die Haltung eines Kalbes. 
    Am Friedrich-Loeffler-Institut wird nach neuen Betäubungsmitteln gesucht. (dpa / picture-alliance / Stefan Sauer)
    Allerdings fanden die Kulmbacher Forscher später blutige Einsprengsel im Schweinefleisch. Ein Makel, der für die Fleischwirtschaft nicht akzeptabel ist und seit Langem bei der Elektrobetäubung negativ auffällt. Als Folge der Stromstöße bilden sich rote Blutpunkte im Kochschinken oder im Putenbrustfilet. Doch weitere Versuche von Michael Marahrens vom Friedrich-Löffler-Institut für Tierschutz zeigen, dass die Argonbetäubung durchaus eine Alternative sein kann:
    "In unseren Versuchen, die in der Praxis stattgefunden haben in einem Schlachtbetrieb, sogar in einem größeren, da haben wir 600 Tiere mit Argon betäubt; aber die in Kulmbach beschriebenen Fleischqualitätsmängel in Form von Blutungen haben wir dort in keiner Weise gefunden; die Fleischqualität war mit der der CO2-Betäubung vergleichbar."
    Unabhängig davon wären Blutpunkte im Schinken oder Filet kein Mangel, der das Fleisch ungenießbar mache, meint Michael Marahrens. Und: Je weniger Stress die Schweine bei Transport und Zutrieb erleiden, desto geringer ist später die Wahrscheinlichkeit von Qualitätsmängeln im Fleisch:
    "Wir wissen aus unseren Versuchen, dass der Umfang dieser Blutungen durchaus stressabhängig ist. Und zwar vor der Betäubung. Insofern gehen wir davon aus: Wenn ich Blutpunkte im Fleisch finde, in erhöhtem Umfang, dann muss ich auch davon ausgehen, dass das Tier belastet war."
    Schlachthöfe könnten umgebaut werden
    Die Schlachthöfe haben es also selbst in der Hand, hier steuernd einzugreifen. Zum Wohle der Tiere, aber auch zu ihrem eigenen Nutzen. Und da Argon - genauso wie CO2 - schwerer ist als Luft, könnten die Betäubungsanlagen in den Schlachthöfen durchaus umgebaut werden:
    "Das ginge. Argon ist allerdings auch in der Beschaffung nicht so ganz billig. Kostet ungefähr das Zehnfache des CO2. Alles orientiert sich ja an den Kosten der derzeitigen CO2-Anlagen. Es wird kein Verfahren geben, was billiger wird. Aber auf europäischer Ebene bestehen doch ausgeprägte Intentionen, die CO2-Betäubung aus der Schweine-Betäubung herauszunehmen."
    Würstchen und Bauchspeck auf einem Holzkohlegrill
    Fleisch und Wurst müssen in Deutschland möglichst billig sein. (Imago/ Eibner)
    Im VION-Schlachthof von Zeven sind viele hundert Schweine im Wartestall versammelt. Der Bereich ist größer als eine Schulturnhalle. Irgendwann in der Zukunft dürften ihre Artgenossen schonender betäubt werden. Doch wann das sein wird? VION-Tierärztin Anne Hiller mag das nicht voraussagen:
    "Man würde einleiten mit Argon und mit CO2 weiter betäuben und müsste eben eine Zwei-Phasen-Situation in der Anlage schaffen - was es bislang technisch in der Form nicht gibt. Grundsätzlich ist es natürlich wünschenswert, wenn es hier weitere Entwicklungen gibt, die dann auch für die eigenen Betriebe zu übertragen."
    Fleischpreis könnte minimal ansteigen
    Fleisch und Wurst müssen in Deutschland zwar möglichst billig sein. Doch was wären schon 30 oder 50 Cent mehr fürs Schnitzel oder Kotelett? Wenn dadurch den ohnehin schon geplagten Mastschweinen zumindest das Gefühl eines qualvollen Erstickungstodes genommen wird.