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Umschlagplatz und Handelszentrum für Drogen

Eine globale Allianz von mehr als 50 Staaten beendet 2014 ihren Kampf gegen al-Kaida und die religiösen Fanatiker der Taliban in Afghanistan. Doch der nächste Krieg im Land hat gerade begonnen. Der Krieg gegen die Drogen.

Von Stephan Detjen | 09.05.2012
    In Afghanistan hat ein Countdown begonnen. Die Uhren zählen die Zeit rückwärts in Jahresschritten: 14, 13, 12.

    2014 ist in diesen Tagen vor dem NATO Treffen in Chicago der Ausgangspunkt aller afghanischen Zeitrechungen. Knapp 130.000 Soldaten der Internationalen ISAF Mission bereiten ihren Abzug vor aus den staubigen Wüsten am Hindukusch, dem Reich der Taliban, dem Land der zerstörten Illusionen und verlorenen Hoffnungen.

    Eine globale Allianz von mehr als 50 Staaten beendet ihren Kampf gegen al-Kaida und die religiösen Fanatiker der Taliban. Der nächste Krieg in Afghanistan aber hat gerade erst begonnen. Der Krieg gegen die Drogen. In Afghanistan hat in diesen Tagen die Saison der Vernichtung von Mohnfeldern begonnen. Das Blütenextrakt der Schlafmohnpflanze ist der Rohstoff, aus dem hier mehr als zwei Drittel des weltweit vertriebenen Opiums hergestellt werden. Ein großer Teil des Rohopiums wird noch in Laboratorien in Afghanistan und im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet zu Heroin weiter verarbeitet. Mit der Zerstörung von Mohnfeldern soll das Problem sprichwörtlich an der Wurzel gepackt werden. Doch diejenigen, die in Afghanistan den Kampf gegen die Drogen wagen, haben sich auf eine blutige Auseinandersetzung eingelassen.

    "Sie werden von Minen in die Luft gesprengt, die in den Opiumfeldern versteckt sind oder von den Taliban aus Hinterhalten beschossen. Wir haben in den letzten Tagen 47 Leute verloren und 50 Verletzte".

    Abdul Gayyum Samer ist Direktor für Internationale und Regionale Kooperationen im Ministerium für Drogenbekämpfung in Kabul. Ein junger Mann in einem Gebäude mit abbröckelnder Fassade hinter meterhohen Betonmauern und Stacheldrahtbarrieren in der Zufahrtsschleuse.

    "Das Vernichtungsprogramm ist in diesem Jahr sehr erfolgreich. Wir haben mehr als 6.000 Hektar vernichtet, viel mehr als 2011."

    Die Bilanz der Drogenbekämpfer war in den vergangenen Jahren ernüchternd. Die Gesamtanbaufläche für Opium in Afghanistan wird von dem UNODC - dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung – auf rund 130.000 Hektar geschätzt. Das ist in etwa die Grundfläche ganz Berlins, verteilt auf meist kleine Felder, versteckt zwischen Weizenfeldern, in schwer zugänglichen Tälern und den unwegsamen Bergregionen im Süden Afghanistans. Die Entwicklung des Drogenanbaus hat nach Beobachtungen des UNODC dramatische Züge angenommen. Im vergangenen Jahr ist die Anbaufläche um sieben Prozent gewachsen. Von den 34 Provinzen Afghanistans galten 2010 noch 20 – vor allem im Norden und Osten - als Opium-frei. 2011 waren es nur noch 17. 2012 rechnet das UNODC damit, dass die Opiumproduktion wieder in mindestens zwei weitere Provinzen vordringen wird.

    "Sehen Sie, wir haben jetzt die Phase des Übergangs, und als UNO müssen wir das Thema Drogenbekämpfung auf die Tagesordnung setzen, denn wenn wir Afghanistan stabilisieren wollen und hier Frieden und Sicherheit haben wollen, dann müssen wir uns dem Drogenproblem zuwenden."

    Ashita Mittal ist die Vertreterin des UN-Drogenbekämpfungsbüros in Afghanistan. Die Organisation verfolgt mit Hilfe von Satellitenbeobachtungen und Feldstudien in den Anbaugebieten, wie sich das Land aus einem Kriegsgebiet in ein Drogeneldorado verwandelt.

    "Wenn Sie auf die Preise schauen, die wir hier für den Schlafmohn gesehen haben, dann ist das ein Grund für den Anstieg des Mohnanbaus im Jahr 2011. Die Bauern haben auf steigende Preise gesetzt. Im letzten Jahr hat es eine Dürre gegeben, und die Ernten sind zurückgegangen. Die Bauern haben deshalb besonders viel ausgesät - und auch das war ein Grund für den Anstieg."

    Vor allem in den südlichen Provinzen Helmand, Kandahar und Faroz ist der Opiumanbau ein ebenso einfaches wie einträgliches Geschäft für die Bauern und eine sprudelnde Einnahmequelle für die Taliban, die die Bauern mit Mohnsamen versorgen, den Transport des Rohopiums zur regionalen Sammelpunkten gewährleisten und den Drogenschmuggel nach Pakistan und durch die nördlichen Nachbarländer nach Europa kontrollieren. Das herannahende Datum des Truppenabzugs wirkt noch einmal als Beschleuniger des Drogenbrandes in Afghanistan, meint Ashita Mittal:

    "Da ist eine Menge Unsicherheit. Die Leute sind besorgt, was hier passiert, wenn die Internationalen Truppen sich 2014 zurückziehen. Das heißt, die Menschen versuchen jetzt auch noch schnell ihre Kriegskassen aufzufüllen. Und das bietet sich an. Sie müssen sehen: da geht es um Geschäfte von 1,4 Milliarden Dollar im letzten Jahr."

    Der Drogenhandel ist in Afghanistan nicht mehr nur ein Motor des Krieges. Opium- und Heroinsucht sind längst auch im Land selbst angekommen. Mehr als eine Million der knapp 30 Millionen Afghanen sind nach Schätzungen von Gesundheitsorganisationen in den letzten Jahren selbst von harten Drogen abhängig geworden.

    In einem brüchig wirkenden, dreistöckigem Gebäude am Rande Kabuls hocken etwa 20 meist junge Männer im Kreis. In der Mitte sitzt Rahman, ein ehemaliger Drogensüchtiger, der jetzt als Sozialarbeiter im NEJAT Zentrum für Suchtbekämpfung arbeitet. Wenn du ein glückliches Leben haben willst, dann höre mit den Drogen auf, singt Rahman.

    Einer der jungen Männer, der den Weg in das Nejat-Zentrum gefunden hat, ist Abdul Shikur aus der Provinz Wardak, im Zentrum Afghanistans. Die Geschichte des 34-Jährigen ist typisch für viele der Männer, die hier Unterstützung finden.

    "Ich war vor zehn Jahren im Iran, um da Arbeit zu suchen. Da habe ich zuerst als Wachmann gearbeitet, dann Lastwagen entladen. Das war so eintönig und gleichzeitig schwer und anstrengend. Wir haben einfach aus Langeweile Drogen genommen, die uns der Chef der Firma organisiert hat."

    Das Nejat-Zentrum ist eine von zwei Therapieeinrichtungen für Drogensüchtige in Kabul. Ein paar Ärzte arbeiten hier, ein paar Therapeuten. Aus den schäbigen Toiletten dringt beißender Uringeruch in die Flure. Abdul Fatah Hamidi ist der Leiter des Zentrums, das seine Arbeit ohne internationale Hilfe nicht betreiben könnte.

    "Wir haben hier Heroin, wir haben Opiumsüchtige, wir haben Chrystalsüchtige. Dann gibt es einige gerade hier in der Gegend übliche Sachen: Shisha, Glass - das ist auch alles sehr verbreitet. Und unglücklicherweise ist das Heroin, das man hier bekommt, kein reines Heroin. Man nennt es Brown Sugar, Braunen Zucker"

    Mit der Heroinsucht kam auch das HI-Virus nach Afghanistan. Die Vereinten Nationen sprechen von einer epidemischen Ausbreitung von HIV Infektionen. Abdul Hamidi aber kennt noch andere, deprimierende Folgen der Drogensucht in Afghanistan:

    "Ich kann Ihnen von Frauen berichten, die in Teppichwebereien arbeiten und ihren Kindern Opium geben, damit die Kinder vom Morgen bis zum Abend schlafen. Und sie nehmen selbst Drogen, damit sie mehr arbeiten und mehr verdienen können."

    Kinder sind in wachsender Zahl die jüngsten Opfer der Drogenverbreitung in Afghanistan. Sie stehen am Ende eines Teufelskreises, dessen Dynamik von Milliardengeschäften, Waffen und Korruption ebenso angetrieben wird, wie von bitterer Armut, Arbeitslosigkeit und Krankheit.

    "Das beginnt gleich nach der Geburt, entweder werden sie schon im Mutterleib süchtig oder später, wenn die abhängigen Mütter ihre Kinder stillen. Und natürlich werden sie auch wenn sie mal drei oder vier Jahre alt sind süchtig, weil die Eltern ihnen das Opium in den Mund einhauchen, einfach um sie ruhig zu stellen, weil die Kinder eben schon von den Drogen abhängig sind."

    Abdul, der junge Mann, der als Wanderarbeiter im Iran der Sucht verfiel, kommt noch einmal auf den Besucher aus dem fernen Westen zu. Die Frage nach den Ursprüngen der Drogen in Afghanistan hat ihn aufgerüttelt.

    "Die Frage ist doch, warum wir dieses Problem erst seit zehn Jahren haben? Die Taliban waren wirklich ein Übel für das Land – aber dieses Problem gab es unter den Taliban nicht. Warum kam das Drogenproblem erst mit der Regierung von Karsai? Da machen ein paar Mächtige den großen Reibach. Diese Regierung ist doch von der Mafia beherrscht. Selbst der Bruder des Präsidenten gehörte zur Drogenmafia. Wie soll Afghanistan dieses Problem lösen, wenn die Mafia selbst an der Regierung ist?"

    Die Suche nach Antworten auf die Fragen des jungen Heroinsüchtigen führt zurück nach Deutschland, zu Citha Maaß. Die Wissenschaftlerin hat in einer weltweit beachteten Studie für die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, den außenpolitischen Think Tank der Bundesregierung, beschrieben, wie das Opium zum Wirtschaftsfaktor in Afghanistan wurde. Die Ursachenforschung rührt an den wunden Punkt des westlichen Engagements in Afghanistan, in den frühen 80er-Jahren, als die Geheimdienste der USA und Pakistans den Kampf afghanischer Warlords gegen die sowjetische Besatzungsmacht organisierten. Der Schmuggel von Waffen und Drogen nach und aus Afghanistan funktionierte damals wie eine Drehtür:

    "Das heißt die Mujahedin bekamen auf pakistanischer Seite die Waffen von der CIA, transportierten sie über Bergpfade nach Afghanistan und zurück brachten sie dann die Drogen, die unter politischem Schutz der CIA über eine bestimmte Bank in Pakistan dann vertreiben wurden."

    Es sei der Kardinalfehler des Westens gewesen, sich auch nach dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 weiter auf die Zusammenarbeit mit den alten Warlords zu verlassen, die längst auch zu mächtigen Drogenbossen geworden waren, sagt Citha Maaß. Auf zahlreichen Forschungsreisen, als offizielle Beobachterin und als Regierungsberaterin hat Maaß miterlebt, wie sich auch die deutschen ISAF-Truppen im Norden Afghanistans auf die verfilzten Beziehungsgeflechte korrumpierter Stammesführer eingelassen haben. Zunehmend frustriert hatte Maaß etwa verfolgt, wie der mächtige Kriegsherr Mohammed Daud von den deutschen ISAF-Kommandeuren zum Partner für Sicherheit und Demokratisierung im Norden Afghanistans erkoren wurde.

    "Ein intelligenter Mensch, jung dynamisch, der dann eben auch wusste, wie er sich den Internationalen anzudienen hatte, Er hatte seine regionale Hochburg in Kundus, in der Nachbarprovinz in Taloqan. Und wurde für Karsai dann zu mächtig. Daraufhin – und das ist exemplarisch – hat ihn Karsai als Staatssekretär ins Innenministerium geholt und zum Staatssekretär für die Drogenbekämpfung gemacht. Wir haben in Kabul nur gelacht und gesagt, da hat man den Bock zum Gärtner gemacht. General Daud – ich habe ihn 2010 im Regionalkommando Nord wieder getroffen – war inzwischen von den Amerikanern voll akzeptiert. Im Oktober wurde er zum Polizeichef für ganz Nordafghanistan. Er war damit der wichtigste Ansprechpartner für die Amerikaner und auch für die Deutschen in Nordafghanistan."

    Mohammed Daud fiel ähnlich wie Wali Karsai, der ebenfalls tief in den Drogenhandel verstrickte Halbbruder des afghanischen Präsidenten, im vergangenen Jahr einem Attentat zum Opfer. Auch der Wandel des Drogengeschäfts von der Kriegswirtschaft in ein mafiöses Geflecht aus kleinbäuerlichen Anbaustrukturen, illegalen Handelswegen und international vernetztem Drogenschmuggel fordert seine Opfer. Und: Er korrumpiert Staat und Gesellschaft.

    Zurück in Afghanistan, auf der Suche nach den Ansätzen zu einem Kampf gegen die Drogenmafia. Auf dem Campus der Universität von Kabul flanieren Studentinnen und Studenten fröhlich schwatzend nebeneinander unter Bäumen und über grüne Rasenflächen. Der Hörsaal der juristischen Fakultät ist bis in die hinteren Reihen gefüllt. Frontalunterricht. Weltliches Strafrecht und islamische Schariaregeln werden zusammen behandelt. Beide Rechtsordnungen verbieten Drogenanbau, -handel und -konsum gleichermaßen. Der Jurist Erkral Wazil ist Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät.

    "Die Anti-Drogengesetze gehören zu den besten Gesetzen Afghanistans. Das Problem ist nicht das Recht. Das Problem ist immer wieder die Sicherheit. Wegen der Sicherheitsprobleme ist das Anti-Drogenrecht noch nicht durchgesetzt."

    Wazil aber spricht auch klar aus, dass es nicht nur um Sicherheit geht:

    "Afghanische Regierungsvertreter sind tief in Korruption und Drogenhandel verstrickt. Das durchzieht die ganze Regierung. Die afghanische Gesellschaft kannte in den letzten Jahren keine Rechtsordnung. Recht ist in weiten Teilen des Landes einfach nicht akzeptiert. Und Präsident Karsai hat ja selbst zugegeben, dass sogar höchste Regierungsvertreter in die Korruption verstrickt sind."

    In der Tat wird das Korruptionsproblem inzwischen sowohl von der internationalen Gemeinschaft als auch von der afghanischen Regierung offen angesprochen. Im vergangenen Jahr hat Präsident Karsai seinen Innenminister entlassen, nachdem die Behörde in den Ruf geraten war, zum Zentrum korrupter Netzwerke geworden zu sein. Mit massiver internationaler Unterstützung soll eine unabhängige Justiz etabliert werden. Eigene Gerichte für Drogen- und Korruptionsdelikte haben erste Verurteilungen erwirkt. Und auch Ashita Mittal vom UNO Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung erkennt die Bemühungen afghanischer Behörden an:

    "Seit 2011 und 2012 hat es verstärkte Bemühungen um die Vernichtung von Opiumfeldern gegeben. Das ist auch gut. Wir brauchen Durchsetzungskraft für das Recht. Aber das muss zusammenkommen mit Angeboten zu einer alternativen Lebensführung für die Bauern. Wir müssen den Bauern, denen mit der Vernichtung von Feldern die Lebensgrundlage entzogen wird, auch helfen. Es muss also eine Mischung von beidem geben: die Drohung mit dem Stock und der Anreiz mit der Karotte."

    Mit millionenschweren Unterstützungsprogrammen will auch die Internationale Gemeinschaft kurz vor dem Abzug ihrer Truppen Anreize für Bauern in Drogenprovinzen schaffen, sich vom Opiumanbau und damit auch den hinter ihm stehenden Taliban abzuwenden. Der amerikanische Jurist und Landwirtschaftsexperte Kaus Arha ist in der US-Botschaft in Kabul für die Koordination von sogenannten Alternative Livelihood Programmen zuständig, Fördermaßnahmen, die den Opiumbauern eine legale Lebensgrundlage verschaffen sollen.

    "Es müssen in einer bestimmten Gegend zwei Dinge zusammenkommen: Sicherheit und eine gute Verwaltung. Dann hat man die Voraussetzung dafür, dass die Regierung dort die Verantwortung übernehmen kann und dass die internationalen Programme wirksam werden, die alternative Lebensgrundlagen schaffen können."

    100 Millionen Dollar haben die USA in diesem Jahr zur Verfügung gestellt, um Gouverneure zu belohnen, denen es gelingt, den Opiumanbau in ihren Provinzen zu unterbinden. Wie viel von diesen Geldern in den Taschen der regionalen Machthaber und ihrer Clans hängen bleibt, lässt sich nur erahnen. Entscheidend ist, dass am Ende die einfachen Bauern ihre Familien ohne das Opiumgeschäft ernähren können.

    "Das erste ist, dass unmittelbar nach der Vernichtung von Feldern ein Angebot kommt. So wie das Food-Zone Programm, dass wir hier aufgebaut haben, das Bauern alternative Pflanzen zur Verfügung stellt, zum Beispiel Weizen, Tierfutter, Gemüse oder Obst."

    Häufig geht es auch darum, eine Verkehrsinfrastruktur zu schaffen, die den Transport alternativer Landwirtschaftsprodukte zu regionalen Märkten erlaubt. Auch in geringen Mengen wertvolles Rohopium wird in den entlegenen Gegenden Afghanistans nach wie vor mit Eseln zu den nächsten Sammelpunkten transportiert. Gurken, Zwiebeln und Weizen müssen mit Lastwagen zu den nächsten Märkten gebracht werden. Auch Straßenbau wird so zum Instrument der Drogenbekämpfung. Ashita Mittal vom UNODC unterstreicht deshalb, in welchem Maß Afghanistan auch jenseits des Datums 2014 auf internationale Hilfe angewiesen sein wird.

    "Nach 2014 brauchen wir ein langfristiges Engagement. Die Weltbank hat ganz richtig gesagt, dass es hier nicht um einen Sprint, sondern um einen Marathon geht. Wenn die Internationale Gemeinschaft nicht langfristig in die Drogenbekämpfung investiert, wird es weder Frieden noch Stabilität in Afghanistan geben."

    Die Größe und Schwere der Probleme, die in Afghanistan auch nach 2014 bleiben, kann erdrückend wirken. Citha Maaß, die deutsche Afghanistan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, hatte sich nach ihrer Pensionierung im letzten Herbst vorgenommen, sich nicht mehr zu ihrem alten Forschungsschwerpunkt zu äußern. Zu viele Ratschläge sind in den Wind geschlagen worden, findet sie. Zu viele Chancen wurden verpasst. Doch Afghanistan lässt sie nicht los. Und auch die Hoffnung kann Citah Maaß nicht ganz aufgeben.

    "Ich habe eine pessimistische aber langfristig durchaus hoffnungsvolle Sicht, dass über mehrere Generationen die sehr erfahrenen Vertreter der Zivilgesellschaft, dass die es schaffen, als Inseln zu fungieren, um allmählich die Gesellschaft von innen zu verändern. Nicht durch eine internationale Intervention, nicht durch den Export von Demokratie nach Afghanistan. Es muss von innen heraus geschehen und dann vielleicht wie in arabischen Staaten dann auch ein Umsturz erfolgen können."

    In Chicago werden die mächtigen Vertreter der NATO-Länder Ende nächster Woche eine Dekade des Übergangs ausrufen. Schon wieder ein trügerischer Begriff. Der Wandel in Afghanistan wird sich nicht in schon jetzt abmessbaren Jahren vollenden lassen. Er ist Aufgabe für Generationen, für kommende Generationen wie die der 19-jährigen Zohra, die mit ihren Gesetzbüchern unter dem Arm aus dem Hörsaal der juristischen Fakultät unter die schattigen Bäume auf den Campus der Universität von Kabul tritt.

    "Wir sind das Volk. Wir müssen die Gesetze der Regierung befolgen. Und wir müssen hinnehmen, dass einige Minister korrupt sind. Das ist eine Schande für uns. Aber wir hoffen, dass wir diese Leute loswerden und dieses Problem bald lösen können."
    Opiumraucher in Afghanistan
    Die Zahl der Opium- und Heroinsüchtigen in Afghanistan ist deutlich gestiegen. (AP)
    Afghanistans Präsident Hamid Karsai spricht vor der Loja Dschirga
    Afghanistans Präsident Hamid Karsai entließ im vergangenen Jahr seinen Innenminister wegen Korruptionsvorwürfen. (picture alliance / dpa / Sabawoon)