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Umschwirrende und gleichgültige Eltern

Die einen lassen ihre Kinder nichts alleine machen, die anderen interessieren sich überhaupt nicht für ihre Sprösslinge. Beides ist für Lehrer schwierig.

Von Verena Herb | 15.10.2011
    Morgens kurz vor acht – ein Vater lehnt an seinem Auto und wartet, bis der Sohn in der Schule verschwunden ist:

    "Ich bring meinen Sohn immer in die Schule in der Früh. Weil es auch immer ein Sicherheitsproblem ist hier an der Schule. Gerade mit dem Fahrradweg usw. Da bin ich halt eher drauf bedacht, dass er halt gut in die Schule kommt."

    Weit wohnen die beiden nicht entfernt

    "Mit dem Auto eine Minute. Also eigentlich gleich um die Ecke. Er braucht das auch noch. Also er möchte es auch noch, dass ich ihn bringe. Er hätte die Wahl. Aber, er möchte dass der Papa das noch macht."

    Der Junge ist neun Jahre alt. Geht in die dritte Klasse. Die meisten seiner Mitschüler sind mit dem Rad gekommen. Alleine.
    Das typische Beispiel eines Hubschrauber-Vaters: "Helicopter-Parents" nennt man sie in den USA. Sie schwirren permanent um ihre Kinder, sind z.B. bei Einführungsveranstaltungen und sogar Vorstellungsgesprächen dabei. In vielen Schulen hängen bereits Schilder an den Eingangstüren: Eltern werden aufgefordert, den Klassenraum nicht zu betreten. Eine Schulleiterin erklärt:

    "Der Hintergrund ist der, dass viele Mütter – am Anfang sogar die Erstklassmütter – wochenlang ihre Kinder tagtäglich bis vors Schulzimmer begleiten. Die Kinder auch noch ausziehen. Den Schulranzen noch ins Klassenzimmer tragen und gucken, dass es dem Kind noch ganz gut geht. Vielleicht die Hausschuhe noch anziehen... "

    Jederzeit stehen diese Eltern bereit, um einzugreifen. Und die Lehrer sollen, ebenfalls zu jedem Zeitpunkt zumindest erreichbar sein.

    "Es ist schon vorgekommen, dass Eltern mich privat, zu Hause, am Wochenende, sonntags um zehn angerufen haben... das war so ein Fall, wo das Kind das Schulbuch nicht gefunden hat, das war total aufgeregt. Und die Mutter wollte dem Kind jetzt die Sorge nehmen, in dem sie mit mir Rücksprache hält, ob das jetzt dramatisch sei."

    Fälle wie dieser: Heutzutage kein Einzelfall, berichten viele Lehrer. Doch dem einen Extrem der Klammer-Eltern stehen die gegenüber, die sich so gar nicht für die Entwicklung ihrer Kinder in der Schule interessieren. Und sich auch nicht engagieren. Viele Schulen beklagen das mangelnde Interesse von Vätern und Müttern, sich als Elternvertreter wählen zu lassen. Bei Elternversammlungen sitzen Lehrer öfters vor halbleeren Räumen:

    "Man geht nicht hin, man sagt noch nicht mal Bescheid."

    Beschwert sich die Vorsitzende einer Klassenpflegschaft... Auf Rundbriefe kommen keine Rückmeldungen. Aufrufe zu Aktionen – kein Interesse. Vor allem an weiterführenden Schulen ziehen sich Eltern immer mehr aus dem Alltag ihrer Kinder zurück. Studien belegen, dass die Motivation der Eltern, sich an den Schulen zu engagieren, mit den jeweiligen Schulformen zusammenhängen. Der Anteil der Eltern an Gymnasien ist fast doppelt so hoch wie an anderen weiterführenden Schulen. Auch ist es nicht so einfach, Eltern aus bildungsfernen Familien für das Thema Schule zu begeistern. So berichtet eine Hauptschullehrerin:

    "Bei uns haben wir viele Eltern, die glaube ich, ein bisschen, ängstlich der Schule gegenüber stehen. Weil sie aus einem anderen Kulturkreis kommen, weil sie sich auch einfach unterlegen fühlen."

    Und so zeigt sich: Viele Eltern überlassen die Verantwortung der Erziehung ihrer Kinder allzu häufig den Schulen und Lehrkräften. Und andere wiederum trauen den Lehrinstitutionen nicht zu, ihre Kinder richtig zu erziehen. Zum Wohle aller wäre eine gesunde Mischung das Richtige.