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Umstrittene Büchergelderhöhung

Ab dem 1. September 2013 bekommen Stipendiaten mehr Büchergeld. Insgesamt steigt der Betrag von 150 auf 300 Euro. Doch nicht alle, die davon profitieren, sehen die Erhöhung positiv. Ihre Kritik: Das Geld werde an anderer Stelle dringender gebraucht.

Von Philip Banse | 30.08.2013
    Thomas Stange studiert an der TU Berlin Geschichte und bekommt ein Stipendium von der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

    "Ich bekomme von der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit der September-Tranche, die seit zwei Tagen auf dem Konto ist, 970 Euro im Monat." - "Da sind die 300 Euro schon mit drin?" - "Die sind da schon mit drin."

    300 Euro Büchergeld statt 150 - das ist für viele der 25.000 Studienstipendiaten in Deutschland spürbar mehr Geld. Zwar gibt kaum jemand von ihnen 300 Euro im Monat für Bücher aus, aber darum gehe es auch nicht, sagt Patrick Meinhardt, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, der die Verdopplung des Büchergeldes mit angeschoben hat:

    "Wir haben Anfang der Regierungszeit 2009 noch ein Büchergeld von 80 Euro gehabt, dann 150, jetzt 300. Das bedeutet eine Steigerung um 220 Euro. Das ist die höchste Steigerung, die es je gegeben hat. Wir haben das damit auch auch angepasst an das Deutschlandstipendium, was ja unser politisches Ziel war, dass das Deutschlandstipendium 300 Euro ist und das Büchergeld 300 Euro."

    Das Deutschlandstipendium in Höhe von monatlich 300 Euro vergeben die Universitäten an bisher 14.000 Begabte - und zwar unabhängig vom Einkommen. Die Studien-Stipendien der 13 Begabtenförderwerke dagegen sind abhängig vom Einkommen der Eltern - nur das Büchergeld bekommen alle in voller Höhe. Doch die Verdopplung des Büchergeldes wird nicht von allen Stipendiaten begrüßt:

    "Wir sehen diese Erhöhung generell kritisch. Natürlich gibt es - das verneinen wir nicht - Stipendiaten, die auf diese Erhöhung angewiesen sind. Aber wir sagen generell, dass, wenn man sich das deutsche Bildungssystem anschaut und anschaut, wie das Geld dort verteilt wird, das Geld an anderen Stellen dringender gebraucht wird - auch außerhalb von Begabtenförderwerken."

    Anselm Oelze promoviert in Philosophie an der Humboldt-Uni in Berlin und bekommt ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Nach der ersten Erhöhung des Büchergelds von 80 auf 150 Euro gründete Anselm Oelze die Initiative Stipendien spenden. Stipendiaten, die es sich leisten können, sollen zumindest einen Teil ihres Stipendiums für drei ausgewählte Projekte spenden, die Migranten und Kinder aus sozial schwachen Familien fördern:

    "Das ist auch eines unserer Ziele, dass die Begabtenförderwerke in Zukunft noch viel stärker darauf achten, dass ihre soziale Zusammensetzung sich verändert und viel stärker Kinder aus Nicht-Akademiker-Haushalten eine Chance bekommen auf ein Stipendium."

    Auch der "Freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften" kritisiert die Verdopplung des Büchergelds: Sie diene nicht der Finanzierung des Studiums, sondern sei eine "ideelle Förderung für Bessergestellte". Schließlich gehe es Stipendiaten im Schnitt finanziell ohnehin schon besser als Durchschnitts-Studierenden. Statt das Büchergeld zu verdoppeln, solle besser das BAföG angehoben werden. Das sieht auch Thomas Stange im Prinzip so, der Sprecher der 1000 Stipendiaten der Rosa-Luxemburg-Stiftung - allerdings lehnten nicht alle Stipendiaten das höhere Büchergeld ab:

    "Das ist ein ganz interessanter Punkt. Intern sind die Argumentationspunkte tatsächlich, dass viele Leute auf das Geld angewiesen sind. Es ist für sie sehr, sehr vorteilhaft, weil nicht alle Leute die Möglichkeit haben, komplett über ihre Eltern finanziert zu werden, auch wenn die in manchen Fällen, auf dem Zettel sozusagen, besser betucht sind als andere Eltern."

    Lieber BAföG erhöhen, statt Büchergeld verdoppeln? Das sei die falsche Frage, sagt Albert Rupprecht, der bildungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Denn die Büchergeld-Erhöhung koste lediglich 34 Millionen Euro pro Jahr. Gäbe man dieses Geld stattdessen für eine BAföG-Erhöhung aus, brächte das für jeden BAföG-Empfänger ganze 2 Euro mehr pro Monat.

    "Wir sollten beides machen. Zum BAföG gibt es derzeit Vorschläge, die Ministerin Wanka auch eingebracht hat und die derzeit mit den Ländern verhandelt werden. Da müssen die Länder jetzt springen. Sie wissen, dass die Länder bei der Finanzierung beteiligt sind und derzeit den Schritt noch nicht gehen. Deswegen nicht gegeneinander ausspielen, sondern beides machen: Büchergeld erhöhen, aber auch BAföG erhöhen, Anspruchsberechtigte erweitern. Wir brauchen beides."