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Umstrittene Energiequelle
Sachsen-Anhalt verteidigt die Braunkohle

Im Bundestag ist der Beschluss über eine zusätzliche CO2-Abgabe für Braunkohlekraftwerke, die älter als 20 Jahre sind, erst einmal vertagt worden. Besonders groß ist der Widerstand in Ostdeutschland, weil die Braunkohle hier ein wichtiger, wenn auch umstrittener Industriezweig ist. x

Von Christoph Richter | 27.03.2015
    Ein Bagger im Abbaufeld Schwerzau des Braunkohlentagebaus Profen der MIBRAG am 30.07.2013
    Ein Bagger im Abbaufeld Schwerzau des Braunkohlentagebaus Profen. (Imago / PicturePoint)
    Braunkohle ist sowas wie schwarzes Gold für Sachsen-Anhalt. Und für das Gelingen der Energiewende als Brückentechnologie unverzichtbar, sagte erst kürzlich CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff. Angesichts der fehlenden Grundlastfähigkeit von Wind- und Sonnenkraft und wegen des Atomausstiegs sichere Braunkohle die Versorgungssicherheit, ergänzt Katrin Budde. SPD-Fraktionsvorsitzende und Juniorpartner der Großen Koalition in Magdeburg. Die Braunkohle, sagt sie "ist ein zeitgemäßer Rohstoff, auch für die Verstromung. Das heißt auch Abbau, das ist absolut sinnvoll".
    Als die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft - kurz MIBRAG - kürzlich bekannt gab, dass man bis 2017 beabsichtige, Kohle aus Sachsen-Anhalt in die zwei tschechischen Kraftwerke Komorany und Opatovice zu liefern, gab es vonseiten der Landesregierung großen Beifall. Die Opposition dagegen schäumt. Grünen-Politikerin Dorothea Frederking: "Die MIBRAG sieht nur ihr betriebswirtschaftliches Einzelinteresse, und das lautet: Hauptsache Kohle verkaufen. Und dafür nimmt sie sogar in Kauf, dass gegen den Willen der Menschen Dörfer abgebaggert werden und die Kohle nach Tschechien gefahren wird."
    Zu den genauen Hintergründen erfährt man jedoch wenig. Die MIBRAG – ein Tochterunternehmen der tschechischen Holding EPH - wollte sich trotz mehrfacher Anfragen nicht äußern.
    Schätzungen sprechen von einer jährlichen Liefermenge von etwa einer halben Million Tonne Rohbraunkohle. Diese soll dann mit Eisenbahnzügen aus dem Tagebau Profen nach Tschechien geliefert werden. Irrsinn nennen das Klimaschützer und Umweltexperten, wie Benno Hein vom Umweltbundesamt in Dessau. "Es wird in jedem Fall so sein, dass dann die tschechischen Emissionsbilanzen nach oben gehen. Sprich bei mehr Kohle-Einsatz wird dann die tschechische CO2-Bilanz deutlich negativer werden. Insofern wird sich auch in Tschechien über kurz oder lang 'ne Strategie etablieren, die kompatibel ist mit den europäischen Klima-Anforderungen. Nämlich auch die Klimaschutzziele für das Jahr 2030 von 40 Prozent mit zu erreichen."
    Gemeint ist der Brüsseler EU-Beschluss vom Oktober vergangenen Jahres, in dem alle EU-Staaten gemeinsam beschlossen haben, das bis 2030 der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen um mindestens 40 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken soll.
    Doch aktuell ist Tschechien davon weit entfernt. Salopp formuliert: Dank der Braunkohleexporte aus den sachsen-anhaltischen Tagebauen. Zum Vergleich: Statistisch verbucht aktuell jeder Einwohner in Deutschland knapp elf Tonnen CO2 pro Jahr. In Tschechien sind es 13 Tonnen, also ein Fünftel mehr.
    "Ich halte es auch nicht für eine kluge Strategie, an dem Kohle-Abbau festzuhalten. Denn die Kohle ist kein Energieträger der Probleme löst, sondern der sie eher mit sich bringt." So Klimaexperte Benno Hein vom Umweltbundesamt. Argumente, die in der Landesregierung Sachsen-Anhalts auf wenig Widerhall stoßen.
    Stattdessen hört man, dass gerade für strukturschwache Regionen wie Sachsen-Anhalt die Braunkohle ein immens wichtiger Beschäftigungsfaktor sei. Nach Angaben des Magdeburger Wirtschaftsministeriums beschäftigt der Braunkohleförderer MIBRAG 3.000 Menschen. Als Auftraggeber sichere er aber noch weitere 4.000 Arbeitsplätze in der Umgebung. Einer der Gründe, weshalb die Ankündigung des Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel, alte Braunkohlekraftwerke zusätzlich zum Emissionshandel mit einer weiteren Klimaabgabe zu belasten, in Sachsen-Anhalt für große Aufregung sorgt.
    "Das ist ein genialer Coup, um ausschließlich ostdeutsche Braunkohlekraftwerke zu belasten. Weil ja in dem Papier ja drin steht, das im Ergebnis 90 Prozent der fossilen Stromerzeuger den Klimabeitrag nicht leisten müssen. Das sind Steinkohle – und Gaskraftwerke. Es werden ausschließlich, die vor 20 Jahren gebauten ostdeutschen Braunkohlekraftwerke belastet." Die Magdeburger SPD-Fraktionschefin Katrin Budde kündigt an, dass sich die ostdeutschen Länder gegen die nationale Klimaabgabe mit aller Macht wehren werden, um die Braunkohle-Standorte zu erhalten.