Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Umstrittene U-Bahn
Proteste im Kölner Süden gegen Nord-Süd-Stadtbahn

Eine Kirche sackte ab und vor sieben Jahren stürzte das historische Stadtarchiv ein, zwei Menschen starben - das waren Folgen des U-Bahn-Baus in Köln. Im Süden der Stadt protestieren deswegen Anwohner gegen die Entwicklung vor der eigenen Haustür.

Von Azadê Peşmen | 14.04.2016
    Schwarze Luftballons sollen bei der Eröffnung der Nord-Süd-Bahn-Linie 17 in Köln an die durch den Einsturz des Kölner Stadtarchivs im März 2009 getöteten Menschen erinnern.
    Am 13. Dezember 2015 wurde ein Teil der Nord-Süd-Bahn-Linie 17 in Köln eröffnet. Schwarze Luftballons sollen bei der Eröffnung an die durch den Einsturz des Kölner Stadtarchivs im März 2009 getöteten Menschen erinnern. (dpa / picture alliance / Maximilian Schönherr)
    Entlang der Bonner Straße in den Kölner Stadtteilen Zollstock, Bayenthal und Marienburg tragen die Bäume Trauer: Weiße Bänder an ihren Stämmen flattern im Wind. Die Bäume tragen dazu Kreuze aus weißem Papier. "Wird gefällt" steht dort geschrieben. Kirstin Büscher vom Verein Nabis erklärt, was es damit auf sich hat:
    "Wir haben die Bäume jetzt, damit möglichst viele Bürger aufmerksam werden, mit weißen Bettlaken umwickelt und schwarzen Bändern, wie ein Trauerflor, um deutlich zu machen, dass hier 300 Bäume sterben sollen, für ‘ne absolute Fehlplanung, die die Stadt hier gemacht hat."
    Fehlplanungen rund um den Kölner ÖPNV
    Mit "Fehlplanungen" rund um ihren Öffentlicher Personennahverkehr kennt sich die Stadt Köln aus. Der U-Bahnbau scheint vom Pech verfolgt: Eine Kirche sackte ab, vor sieben Jahren stürzte das historische Stadtarchiv ein, zwei Menschen starben. Nach wie vor wird nach den Verantwortlichen gesucht, der finanzielle Schaden treibt die Kosten für den weiteren Ausbau der sogenannten Nordsüdstadtbahn in die Höhe. Dabei ist die Intention keine schlechte: Die Stadt Köln möchte die Anbindung des Kölner Südens an den öffentlichen Personennahverkehr verbessern. Dafür sollen die alten Bäume an der Bonner Straße weichen. Damit dort in Zukunft eine Straßenbahn Platz hat, muss die Straße verbreitert werden. Dagegen hat sich Protest formiert. Protest, der vor allem aus informierten Bürgern besteht. Gebündelt wird der vom Verein Natur, Bildung und Soziales, kurz Nabis. Jeden Samstagnachmittag stehen einige Mitglieder mit einem Infostand und einer Spendenbox direkt unter den betroffenen Bäumen.
    "Da ist noch sehr viel Platz drin."
    Aber Geld scheint mittlerweile nicht mehr das größte Problem zu sein, denn den Umweltschützern von Nabis ist es gelungen, auch die gut situierten Anwohner des Villenviertels Marienburg ins Boot zu holen – mit guten Drähten zu den denen, die in der Stadt etwas zu sagen haben.
    Und so ist das Publikum, dass sich jeden Donnerstag in einem italienischen Restaurant im Viertel trifft, ziemlich unterschiedlich: baumbewegte Naturschützer und Bürgerliche besprechen hier das weitere Vorgehen. Im Moment sieht es gut aus, denn die Bäume dürfen erst einmal nicht gefällt werden, erst am Ende der Vegetationszeit:
    "Zumindest jetzt sind wir in einer Phase wo wir Luft holen, wo wir sagen, ja ok, zumindest diese Gefahr ist zunächst für ein paar Monate gebannt und jetzt können wir uns auf andere Sachen konzentrieren."
    Ottmar Lattorf ist der Sprecher des Vereins Nabis. Er hat lange, weißblonde Haare, trägt eine John-Lennon-Brille und einen beigen Wollpullover. Ihn beschäftigen nicht nur die Bäume, er möchte die Bauarbeiten stoppen, weil er eine Verdichtung des Verkehrs befürchtet, die Straßen in den Wohngebieten seien ohnehin schon sehr eng. Und Lattorfs Kritik geht noch viel weiter.
    Jahrelanges Verkehrschaos im Kölner Süden befürchtet
    Die Stadt Köln plant nämlich eine überirdische Hochflurbahn. Diese raumgreifenden Bahnen machen die Großumbauten samt Baumfällungen an der Bonner Straße erst nötig. So werde die Planung zielsicher in ein jahrelanges Verkehrschaos im Kölner Süden führen, schließlich ist die Bonner Straße ein Autobahnzubringer, kritisieren Lattorf aber auch renommierte Verkehrsexperten - und fordern eine Niedrigflurbahn – die deutlich platzsparende und zeitgemäßere Alternative. Aber sollte man in einer verkehrsverstopften Stadt wie Köln nicht jede Form vom Ausbau des ÖPNV begrüßen? Auch die beteiligten Bürgerinitiativen wollen mehr und besseren ÖPNV – doch die umstrittene Nordsüdbahn, argumentieren sie, werde ihren Zweck so lange nicht erfüllen, wie auf ihrer Strecke der Krater des eingestürzten Stadtarchivs klafft. Statt Anbindung an die Innenstadt sei so jahrelanges Verkehrschaos vorprogrammiert.
    Diese und andere Einwände haben die Bürgerinitiativen lange schon eingebracht in dem offenen, sogenannten Planfeststellungsverfahren. Ob ihre Bedenken in der Planung allerdings berücksichtigt werden, ist fraglich. Die Nordsüdstadtbahn wird aus den Fördertöpfen von Bund und Land NRW finanziert und diese Mittel werden nach bestimmten Kriterien vergeben. Eine Niedrigflurbahn, wie die Anwohner es gerne hätten, ist deshalb nicht möglich, erklärt Gerd Neweling, bei der Stadt verantwortlich für den Brücken-, Tunnel- und Straßenbau:
    "Da müssen wir sagen, wir werden gefördert von dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und da steht als Vorgabe drin, dass nur solche Maßnahmen gefördert werden, die einen eigenen Bahnkörper aufweisen können."
    Übersetzt heißt das: Nein zur Tram - also das, was die Baumschützer und Anwohner wollen. Friedrich Schaller, Architekt und betroffener Anwohner, ist sichtlich enttäuscht über die Reaktion der Stadt weil:
    "… von dieser Bürgerbeteiligung eigentlich so gut wie gar nichts nachher in die Planung einfließt und wir fühlen uns tatsächlich total verarscht."
    Klage gegen die Stadt in Planung
    Der Beginn der Bauarbeiten an der Bonner Straße steht noch nicht fest, aber sobald der Planungsfeststellungsbeschluss öffentlich ist, können Rechtsmittel gegen das Bauvorhaben eingelegt werden. Im Moment plant der Verein Nabis eine Klage gegen die Stadt Köln. Gut, dass in der Sache finanzstarke Partner aus der unmittelbaren Nachbarschaft zur Seite stehen und für eventuelle Anwaltskosten aufkommen können. Das erhofft sich zumindest der Verein Nabis. Ob dann die Hochflurbahn durch eine baumlose Bonner Straße fahren wird, bleibt offen.