Freitag, 19. April 2024

Archiv


Umstrittener Einblick

Genetik. – Gentests sind umstritten, denn nicht nur die Betroffenen sind an ihren Ergebnissen interessiert, sondern auch Arbeitgeber und Versicherungen. Der Nationale Ethikrat hat jetzt seine Stellungnahme zu Gentests im Versicherungswesen veröffentlicht. Vorausgegangen war bereits eine Stellungnahme zu diesen Methoden im . Der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth erläutert die Stellungnahme im Gespräch mit Monika Seynsche.

01.02.2007
    Seynsche: Herr Wildermuth, wo liegen denn die Probleme bei Gentests im Versicherungswesen?

    Wildermuth: Ja, das Versicherungswesen lebt ja von der Unsicherheit. Wenn wirklich vorher schon klar wäre, wer krank wird, und wer gesund bleibt, dann würden sich überhaupt keine Versicherungsverträge abschließen lassen. Die einen Kunden würden sagen, ich brauche das nicht, die anderen würden keine angeboten bekommen. Also diese Unsicherheit ist zentral. Und Gentests erlauben einen gewissen Blick in die gesundheitliche Zukunft eines Menschen und verringern diese Unsicherheit, und das ist eben ein Problem. Und deshalb ist der Nationale Ethikrat hier an die Presse getreten und hat seine Vorschläge vorgestellt, wie man damit umgehen sollte.

    Seynsche: Haben Sie ein Beispiel? Welche Probleme gibt es konkret beim Versicherungsabschluss?

    Wildermuth: Beide Seiten können Probleme bekommen. Die Versicherungsunternehmens haben die Sorge, dass jemand, der durch einen Gentests erfährt, dass er meinetwegen ein hohes Krebsrisiko hat, dass der vorsorglich eine Lebensversicherung abschließt um seine Familie abzusichern. Das wäre dann natürlich aus der Sicht der Unternehmen schlecht, denn sie wären im Nachteil, wenn sie das nicht wüssten. Auf der anderen Seite haben die Kunden die Angst, dass die Unternehmen eine Versicherung davon abhängig machen, dass sie vorher einen Gentest erstellen lassen. Das ist natürlich ein ganz entscheidender Einschnitt, da erfährt man vielleicht, dass man eine Erbkrankheit hat, muss sein ganzes Leben ändern. Das ist eine große Sorge, dass solche Sachen Zwang und Pflicht werden. Da sind eben die Konflikte.

    Seynsche: Was schlägt der National Ethikrat jetzt vor?

    Wildermuth: Konkret sagt er einmal, Versicherungen sollen einen Gentest nicht veranlassen dürfen. Also es gibt dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung, und das schließt ein Recht auf Nichtwissen ein. Und deshalb soll auch niemand jemandem zwingen dürfen, vor Vertragsabschluss eine solche Untersuchung machen zu lassen. Der zweite Punkt, was ist mit Tests, die schon vorliegen? Da sagt der nationale Ethikrat, da sollte man vorsichtig sein. Und da befindet er sich im Grunde auf einer Linie mit der Versicherungswirtschaft. Die hat nämlich von sich aus schon vor fünf Jahren gesagt, wir wollen dieses Ergebnis eines Gentests gar nicht erfragen, wir halten uns damit zurück. Das ist eine freiwillige Selbstbeschränkung, die gilt bis zum Jahre 2011. Und das heißt, wenn jemand heute erfährt durch einen Gentests von einer schrecklichen Krankheit und er schließt dann eine Lebensversicherung ab, dann muss er das nicht sagen. Soweit ist die Versicherungswirtschaft bereit zu gehen. Der nationale Ethikrat sagt, sie sollte noch ein Schritt weiter gehen, ein DNA-Test ist ja keineswegs die einzige Methode, mit der man in die gesundheitliche Zukunft eines Menschen schauen kann. Ein Gespräch über die Familie sagt einem ja auch schon viel. Woran sind Vater, Mutter, Tante oder Onkel gestorben. Und solche Informationen, sagt der Nationale Ethikrat, sollten grundsätzlich nicht verwendet werden. Versicherungen sollten sich in den Verträgen darauf beschränken, bestehende Krankheiten zu untersuchen, und nicht nach irgendwelchen Risiken, die irgendwo in der Zukunft liegen, rumforschen.

    Seynsche: Was passierte nach dem Ende der freiwilligen Selbstbeschränkung 2011? Was schlägt der Nationale Ethikrat vor?

    Wildermuth: Für die Zeit danach wird sicherlich Bestand haben, dass es nicht angeht, das Versicherungen einen Test zur Pflicht machen, bevor sie einen Vertrag bewilligen. Das wird wegen dieses Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung vermutlich nicht kommen. Die Frage, inwieweit man bestehende Gentests offen legen muss, hängt stark davon ab, wie verbreitet diese Tests sind. Wenn sie nach wie vor niemand macht, in Deutschland ist das ja eher unpopulär, die Leute sind da eher zögerlich, einen Gentests zu machen, wird die Versicherungswirtschaft wohl kaum ein Problem damit haben, das Moratorium zu verlängern. Wenn sich das aber anders entwickelt, wenn bis dahin jeder von uns eine CD-Rom in der Tasche hat, wo die gesamte Gensequenz aufgeschrieben ist und daraus konkrete Prognosen über das Krankheitsrisiko abzuleiten sind, das wird die Versicherungswirtschaft erfahren wollen, bevor sie einen Lebensversicherungsvertrag eingeht. Wie das dann aber konkret zu regeln ist, da wollte keines der Mitglieder des Nationalen Ethikrates heute schon etwas zu sagen.