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Umstrittener Standort

Bislang ist Polen eines der wenigen europäischen Länder ohne Atomkraftwerke. Doch die polnische Regierung plant bereits den Bau von mindestens zwei Atomkraftwerken. Ein möglicher Standort ist dabei Gryfino an der Oder - nur einen Steinwurf von dem Nationalpark Unteres Odertal entfernt. In Brandenburg ist man deshalb nur wenig erfreut über die polnischen Pläne.

Von Claudia van Laak | 16.04.2009
    Gryfino an der Oder - ein guter Platz für ein Atomkraftwerk, meinen polnische Planer. Die Oder bietet genügend Kühlwasser, Stromtrassen sind bereits vorhanden, denn dort befindet sich ein Steinkohlekraftwerk. Der polnische Wissenschaftler Professor Marius Dombrowski hält sowohl Gryfino als auch Zarnowiez bei Danzig für die beiden geeigneten Kernkraftwerksstandorte.

    "Die wichtigsten Bedingungen sind dort erfüllt. Es gibt einen unmittelbaren Wasserzugang und die Gegend ist dünn besiedelt. Und gerade im Norden Polens herrscht ein akuter Strombedarf. Die heutigen Atomkraftwerke sind sicher und die gesamte Region würde profitieren von den Arbeitsplätzen, von den Einkünften der Kommunen und natürlich auch vom Ausbau der Infrastruktur."

    Was die polnische Regierung nicht gerne erwähnt - nur einen Steinwurf von einem möglichen Atomkraftwerk Gryfino entfernt beginnen von der EU geschützte Naturlandschaften. Auf polnischer Seite ein Landschaftsschutzpark, auf deutscher Seite der Nationalpark Unteres Odertal. Brandenburgs Landesregierung lehnt deshalb ein Atomkraftwerk Gryfino ab. Umweltminister Dietmar Woidke sagte dazu vor dem Potsdamer Landtag:

    "Polen als EU-Mitglied ist verpflichtet, angrenzende Staaten am Genehmigungsverfahren zu beteiligen. Unabhängig von den dargestellten rechtlichen Möglichkeiten hat Brandenburg kein Interesse darin, dass unmittelbar in Grenznähe ein solches Kraftwerk gebaut wird. Wir gehen davon aus, dass unsere Bedenken in die souveräne Entscheidung Polens mit einfließen."

    Vor drei Jahren unterschrieben Deutschland und Polen einen Vertrag, nach dem bei Projekten, die das jeweilige Nachbarland betreffen, eine gemeinsame Umweltverträglichkeitsprüfung stattfinden muss. Ein Kernkraftwerk wäre ein solcher Fall.

    Die Verwaltung des Nationalparks Unteres Odertal sammelt bereits Argumente gegen den Atomreaktor. Vizechef Michael Tautenhahn:

    "Man weiß ja spätestens seit Tschernobyl, dieser Katastrophe, dass trotz aller möglichen Sicherheitstechniken Kernkraftwerke ein gewisses Risiko bergen. Man kann nicht alle Risiken vollständig voraussehen und es gibt ja auch kleinere Störfälle, wo Radioaktivität dann in die Umwelt freigesetzt wird."

    Der Gewässerökologe weist auch auf die Risiken durch das in die Oder gelangende Kühlwasser hin. Bereits jetzt erwärmt das Kühlwasser des existierenden Steinkohlekraftwerks den deutsch-polnischen Grenzfluss, das Ökosystem verändert sich.

    "Die Erwärmung auch um wenige Grad Celsius verändert die Lebensgemeinschaften schon wesentlich. In der Oder unterhalb dieses existierenden Kraftwerks halten sich exotische Arten, vermehren sich, bilden Populationen. Es gibt einige asiatische Großmuschelarten, die sich hier etabliert haben, auch der Sonnenbarsch hat eine Population, die sich selbst vermehrt."

    In den Gemeinden rund um den Nationalpark finden sich kaum Befürworter der polnischen Atomkraftpläne. "Wir sind nicht erfreut", ist auf deutscher Seite der Oder zu hören.

    "Gar nicht lustig, wir sind hier in einer wunderschönen Landschaft, haben den Nationalpark hier, und gleich daneben ein Atomkraftwerk zu bauen, ich weiß nicht, ob das Sinn bringt, ich bin wirklich dagegen."

    "Nicht so gut, weil das ja gleich an der deutsch-polnischen Grenze ist, und da muss man ja die Deutschen erst fragen. Ich bin dagegen, gänzlich."

    "Das würde sicherlich viele Besucher abschrecken, wenn in direkter Nachbarschaft ein Atommeiler steht und gewisse Gefahren davon ausgehen."

    Die polnische Regierung drückt aufs Tempo. Bis Ende des Jahres soll entschieden sein, wo die ersten beiden Kernkraftwerke gebaut werden.