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Umwelt
Sandmotor als Küstenschutz

In der Nähe der niederländischen Stadt Den Haag ist der Strand größer geworden. Wissenschaftler der TU Delft haben dort eine künstliche Halbinsel aufschütten lassen, so groß wie fünf Fußballfelder. Sie ist der Mittelpunkt eines Experimentes, mit dem die Niederlande eine neue Methode für den Küstenschutz ausprobieren.

Von Remko Kragt | 04.06.2014
    Ein junges Paar geht im niederländischen Scheveningen bei Den Haag am Strand entlang.
    Ein Sandmotor soll den Küstenschutz in den Niederlanden verbessern (picture alliance / dpa / Uwe Anspach)
    Von der nordfranzösischen Küste erstrecken sich Dünen und Strand über Belgien, die Niederlande und die Wattinseln bis nach Dänemark. Es ist eine dynamische Sandlandschaft, ständig ist sie in Bewegung. Westwind und Golfstrom tragen den Sand von Süd-West an der Küste entlang nach Nord-Ost. Dabei wandern Strand und Dünen wegen des vorherrschenden Westwindes allerdings auch langsam nach Osten, also landeinwärts - was böse Folgen haben kann, sagt Marcel Stive von der Technischen Universität Delft:
    "Damit hat man an vielen Küsten nicht gerechnet und viel zu dicht an den Strand gebaut. Und dann geht's leicht daneben."
    Die Strände werden deshalb regelmäßig mit neuem Sand aufgefüllt. Die Gemeinden an der Küste kostet das viel Geld. Niederländische Wasserbauingenieure haben sich nun einen alternativen Küstenschutz ausgedacht. Sie legten im Süden der niederländischen Strandküste den sogenannten Sandmotor an: eine künstliche Halbinsel aus 20 Millionen Kubikmeter Nordseesand. Er soll quasi der Treibstoff sein, mit dem die Natur selbst Strand und Dünen unterhalten soll. Das Projekt zielt nicht in erster Linie darauf, den Küstenschutz etwa angesichts steigender Wasserstände zu verstärken. Das ist nämlich nicht nötig, sagt Marcel Stive
    "Es gibt zwei Arten von Erosion. Die eine ist strukturell - wie auf Sylt. Dort geht Sand verloren, weil die Insel klein ist. Daneben haben wir eine episodische Erosion. Das heißt, bei Sturm werden zwar Dünen abgeschlagen, aber der Sand verschwindet nicht. Er wird nur anders verteilt und später von den Wellen wieder zurückgebracht."
    Allerdings: Auch wenn die Dünen auf natürlichem Weg regeneriert werden, muss der Mensch zum Schutz von Städten und Bevölkerung im Hinterland eingreifen, erklärt Marcel Stive:
    "Weil sich das System selbst dem Meeresspiegel anpasst, bräuchte man ja eigentlich gar nichts zu unternehmen. Aber eine Folge der Erosion ist, dass die Dünen wandern. Denn der Sand, der bei einer Düne angelagert wird, musste vorher woanders weggenommen werden."
    Das heißt: An Ende fehlt im Süden der Sand, der nach Norden gewandert ist. Deshalb liegt der Sandmotor vor der niederländischen Festlandküste im Süden.
    Billiger Sand
    Kontinuierlich beobachten Wissenschaftler der Technischen Universität Delft, wie Wind und Wellen den Sand über die Küste verteilen. Bisher verläuft das Experiment im Großen und Ganzen erwartungsgemäß.
    "Wir haben geschätzt, dass eine Million Kubikmeter im Jahr über den Strand verteilt werden würde. Wir haben 20 Millionen Kubikmeter aufgespült, damit der Vorrat für 20 Jahre reicht. In den ersten zwei Jahren sind jetzt zwei Millionen Kubikmeter Sand verschwunden, das stimmt also ganz gut."
    Falls sich die Erwartungen der Ingenieure bewahrheiten, hätten sie nicht nur eine sehr wirksame, sondern auch eine sehr preiswerte Lösung für den Küstenschutz gefunden. Und das, obwohl der Einsatz der nötigen Baggerschiffe ausgesprochen teuer ist. Die Menge macht's.
    "Weil wir so viel holen, ist der Sand billig wie nie. Ein Kubikmeter kostet nur etwa zweieinhalb Euro. Bei den üblichen jährlichen Strandaufschüttungen liegt der Preis zwischen gut vier und zehn Euro je Kubikmeter."
    Die Forscher versprechen sich viel von dem Projekt. Sie halten es sogar für möglich, einen Seedeich im Norden der Niederlande durch billige Dünen zu ersetzen.
    Eine ganze Reihe von Küstenstädten weltweit interessiert sich für das Projekt. Ob es aber übertragbar sei, hänge ganz von den jeweiligen Bedingungen vor Ort ab, sagt Marcel Stive. Den riesigen Sandvorrat der Nordsee gebe es halt nicht überall. Da hätten die Niederlande Glück gehabt.