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Umwelt
Streusalz und seine Folgen

Herrscht draußen Tauwetter, wird das auf den Straßen liegende Streusalz in Flüsse gespült und gelangt so ins ohnehin salzige Meer, in dem es hoffentlich keinen Schaden anrichten kann. Dass diese weit verbreitete Annahme wohl nicht ganz stimmt, zeigen neue Untersuchungen US-amerikanischer Forscher.

Von Monika Seynsche | 06.01.2015
    Eine Schaufel voller Streusalz
    Aufgetragenes Streusalz belastet die Ökosysteme an Land deutlich stärker als weitgehend angenommen. (picture alliance / dpa - Friso Gentsch)
    Millionen von Tonnen Salz landen jeden Winter auf US-amerikanischen Straßen. Was aber nach der Schneeschmelze mit diesem Salz passiert, ist bislang kaum untersucht worden. Man nahm an, dass es im Frühling über die Flüsse ins Meer transportiert wird, die Ökosysteme an Land also kaum belastet. Aber das stimme nicht, sagt Stuart Findlay. Der Gewässerökologe vom Cary Institut für Ökosystemstudien in Milbrook hat Flüsse und Seen im Südosten des Bundesstaates New York untersucht und entdeckt, dass die Salzkonzentrationen im Sommer fast genauso hoch sind wie im Winter. Das Salz bleibt also und verschwindet nicht einfach. Und mit den Jahren werde das Problem immer größer, sagt der Forscher.
    "Vor 20 Jahren lag die Hintergrundkonzentration bei etwa fünf bis zehn Milligramm Chlorid pro Liter. Heute messen wir im Südosten New Yorks zwischen 30 und 50 Milligramm Chlorid pro Liter. Das Salz, das in den vergangenen 20 bis 30 Jahren gestreut wurde, ist also immer noch da und zeigt sich jetzt in den Oberflächengewässern."
    Künstlich erhöhter Salzgehalt bringt Wasserzirkulation durcheinander
    Vermutlich sei das Salz über die Jahrzehnte in oberflächennahe Grundwasserleiter eingedrungen und versorge von dort aus die Flüsse und Seen kontinuierlich mit Salz. Und das hat Folgen, die der Geochemikerin Carla Koretsky von der Western Michigan University auffielen, als sie sich zwei Seen im kühlen und schneereichen Michigan genauer anschaute. Salziges Wasser ist schwerer als Süßwasser und bringt dadurch die Wasserzirkulation durcheinander.
    "In dieser Weltregion würde man eigentlich erwarten, dass sich so ein See zwei Mal im Jahr durchmischt, das bodennahe Wasser also an die Oberfläche und das Oberflächenwasser zum Grund des Sees gelangt. In unsere beiden Seen ist aber über Jahrzehnte hinweg so viel Streusalz gelangt, dass sich die Dichte des Wassers verändert hat und diese Durchmischung behindert wird. In einem der Seen findet gar keine Durchmischung mehr statt, dort hat sich schon eine sauerstofffreie und sehr salzige Wasserschicht am Boden gebildet, die das ganze Jahr über bestehen bleibt."
    Das schwere Salzwasser sinkt zum Boden und wird auch von den kühlen Herbstwinden nicht mehr aufgewirbelt. Durch die fehlende Durchmischung gelangt allerdings auch kein Sauerstoff mehr zum Grund des Sees. Eine tödliche Mischung für viele Tiere.
    "Fische können unter diesen Bedingungen nicht leben, und auch die meisten anderen Süßwasserorganismen nicht. Wir haben das nicht untersucht, aber wir vermuten, dass sich auch die Bakteriengesellschaften in diesen Seen stark verändern: Die anaeroben Bakterien dürften diese Bedingungen lieben, während die aeroben Bakterien dort vermutlich nicht überleben können."
    Aber nicht nur für die Tierwelt sei das Streusalz im Wasser gefährlich, ergänzt Stuart Findlay.
    "Wir finden das Salz sogar in Trinkwasserbrunnen. Und zwar selbst in solchen, die weit entfernt von Straßen und Streusalzlagern liegen. Die Leute sehen nichts als Wiesen und Bäume rund um ihre Brunnen und ahnen nicht, dass ihr Wasser hohe Salzkonzentrationen aufweist. Für Menschen mit Herzproblemen kann das problematisch sein."
    Salzlösung statt Streusalz
    Andererseits kann man auch nicht komplett auf den Einsatz von Streusalz verzichten. Schließlich sind eisglatte Straßen auch gefährlich. In besonders sensiblen Ökosystemen könne Sand eine Alternative darstellen. Allerdings kann zu viel Sand für Flüsse und Seen auch zum Problem werden. Sowohl Stuart Findlay als auch Carla Koretsky drängen deshalb darauf, statt Streusalz eine Salzlösung auf die Straßen zu bringen. Diese lasse sich gezielter und effizienter sprühen und bringe dadurch weniger Salz in die Umwelt.