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Umweltbilanz von Getränkekartons
Für Händler vorteilhafte Umweltsünde

Milch oder Saft werden längst zum größten Teil in Getränkekartons verkauft, in einer laut Herstellern besonders umweltfreundlichen Verpackungsart. Umweltschützer allerdings halten die Getränkekartons für eine regelrechte Umweltsünde. Neue Zahlen der Deutschen Umwelthilfe sprechen eine eindeutige Sprache.

Von Anja Nehls | 27.11.2014
    Nach der Sortierung werden die gebrauchten Getränkekartons zu großen Ballen gepresst und zwischengelagert. Anschließend erfolgt das Recycling in der Papierfabrik.
    Gebrauchte Getränkekartons sind zu großen Ballen gepresst und werden recycelt. (picture alliance /dpa)
    Apfelsaft, Eistee oder Vanillesoße und natürlich Milch gibt es in Getränkekartons. Und wer die kauft statt zum Beispiel Plastikflaschen konnte bisher ein einigermaßen gutes Umweltgewissen haben - denn vom Umweltbundesamt waren diese Getränkekartons im Jahr 2000 und 2002 als ökologisch vorteilhaft eingestuft worden. Aber das ist lange her - und heutzutage erfüllen diese Kartons die Bedingungen von damals überhaupt nicht mehr, hat die Deutsche Umwelthilfe recherchiert. Es gibt zum Beispiel Kartons, die bestehen zu 45 Prozent aus Polyethylen, zu fünf Prozent aus Aluminium und nur zu 50 Prozent aus Pappkarton, sagt Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe DUH. Die Getränkekartons seien allgemein deutlich schwerer geworden.
    "Getränkekartons haben heute einen deutlich höheren Kunststoffanteil, weil sie heute standardmäßig über solche Schraubverschlüsse und Ausgusshilfen, teilweise langstielige Ausgusshilfen, verfügen. Ein anderer Grund ist, und der absolut nicht nachvollziehbar, dass einige Getränkekartonmodelle heute, einen kompletten Ober- oder Unterboden aus Kunststoff haben und einen extragroßen Schraubverschluss."
    Recyclingquote von 36,5 Prozent
    Deshalb seien die modernen Getränkekartons eher Plastikflaschen mit Kartonummantelung und damit Schummelpackungen, meint die DUH. Die Marktführer der Getränkekartonhersteller, Tetra Pak, SIG und Elopak verbreiten außerdem, dass 71 Prozent ihrer Verpackungen recycelt werden. Das sei Unsinn, meint die DUH. Denn das sei nur das, was aus dem gelben Sack in die Verwertungsanlage gelangt. Wenn davon Restflüssigkeit, Fehlsortierungen und Plastikanteil abgezogen würden, bliebe gerade einmal eine Recyclingquote von 36,5 Prozent übrig - viel zu wenig um vom Umweltbundesamt für das Prädikat ökologisch vorteilhaft zu bekommen.
    "Die Ergebnisse unserer Recherche, dass nicht umweltfreundlich sind, müsse dazu führen, dass dieser Status als ökologisch vorteilhaft aberkannt wird, von der Bundesumweltministerin. Und das führt dann gleichzeitig dazu, dass Getränkekartons in die Pfandpflicht hineinkommen, wie beispielsweise auch Getränkedosen oder Einwegplastikflaschen. Das würde dazu führen, dass die jetzige Sammelquote von 58 Prozent über den gelben Sack, auf 98,5 Prozent steigen würde, das ist im Übrigen die Sammelquote von bepfandeten Dosen und Plastikflaschen."
    Der Plastik- und Aluminiumanteil landet in der Verbrennung
    Auch heute können aus recycelten Getränkekartons aus technischem Gründen keine neuen hergestellt werden, sondern nur zum Beispiel Pizzakartons, Wellpappe oder Faltschachteln. Der Plastik- und Aluminiumanteil landet in der Verbrennung, sagt die DUH. Das würde sich auch nicht ändern, dennoch plädiert Thomas Fischer für die Pfandpflicht.
    "Mit der Pfandpflicht hat man den Vorteil, dass die Kartons, dass die Materialien relativ sortenrein gesammelt werden und dass natürlich mehr gesammelt wird, denn die Leute wollen ja ihre 25 Cent Pfand zurückhaben. Die modernen Pfandrücknahmeautomaten für PET Flaschen und Dosen müssen nur umprogrammiert werden, die sind heute schon in der Lage, Getränkekartons zurückzunehmen."
    Eine bessere Alternative ist für die Deutsche Umwelthilfe nur der Umstieg auf Mehrwegflaschen.
    "Mehrwegflaschen sind deutlich umweltfreundlicher durch ihre häufige Befüllung, bis zu 60 Wiederbefüllungen schlagen da zu Buche. Und das spart Energie und Material ein und ist deutlich umweltfreundlicher als jede Einweggetränkeverpackung."
    98 Prozent der in Deutschland angebotenen Milch wird in Getränkekartons verkauft. Der Anteil der Kartons von allen hier in den Verkehr gebrachten Getränken beträgt 1,5 Prozent - Tendenz fallend.