Dienstag, 23. April 2024

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Umweltkommunikation
Wie man Menschen zum Klimaschutz motiviert

"Jetzt tut mal was für den Klimaschutz!" Kommunikationsexperte Carel Mohn vom Internetportal Klimafakten.de warnt davor, die Menschen mit solchen Appellen, etwa nach einem Hurrikan, zu überfordern. Sinnvoller sei es, individuelle Handlungsoptionen aufzuzeigen, sagte Mohn im Dlf.

Carel Mohn im Gespräch mit Georg Ehring | 27.09.2017
    Junges Paar auf einem Fahrrad mit Luftballons
    Menschen haben das tiefe Verlangen, gut sein zu wollen", sagt Carel Mohn. "Und wenn man dann kommuniziert, lass das Auto stehen, aber es gibt nicht diese Möglichkeit, dann erzeugt das ein Gefühl des Unbehagens." (Imago/ Ute Grabowsky)
    Georg Ehring: Es waren eindrucksvolle Bilder im Fernsehen: Die Wirbelstürme Harvey und Irma wüteten in der Karibik, sintflutartige Regenfälle sorgten für gewaltige Überschwemmungen, Rekordgeschwindigkeiten beim Wind machten ganze Ortschaften platt. Und hinterher erklärten Klimaforscher in den Medien, dass das durchaus etwas mit dem menschengemachten Klimawandel zu tun hat. Die Erderwärmung ist wieder ins Bewusstsein gerückt, sollte man meinen. Doch als Wahlkampfthema ist der Klimawandel trotzdem kaum präsent gewesen und es scheint schwierig, diese existenzielle Bedrohung in praktisches Handeln umzusetzen. Die vielen SUV’s auf den Straßen zeigen das.
    Warum ist es so schwer, über den Klimawandel zu reden? Dieser Frage widmet sich in diesen Tagen ein Kongress in Salzburg. Wir möchten darüber mit Carel Mohn sprechen. Er ist Projektleiter bei der Internetseite Klimafakten.de. Guten Tag, Herr Mohn!
    Carel Mohn: Hallo! - Guten Tag, Herr Ehring.
    Unwirksame Kommunikationsmodelle
    Ehring: Herr Mohn, die Wirbelstürme waren doch im Grunde eine Steilvorlage für alle, die das Klima zum Thema machen. Woran hapert es?
    Mohn: Wir haben in der Tat ein Problem damit, das Thema Klimawandel und Klimaschutz in die Politik und in die Gesellschaft zu bringen. Und das hat damit zu tun, dass diejenigen, die über das Thema sprechen und auch gerne möchten, dass etwas geschieht, Kommunikationsmodelle verfolgen, die nicht wirklich wirksam sind. Da gibt es einmal den Ansatz, dass das Ganze vor allem eine Frage des Wissens ist. Da stellt man sich dann sozusagen leere Köpfe vor. Dann gießt die Klimaforschung oder auch Umweltorganisationen Wissen in die Köpfe hinein und dann handeln die Menschen. Das ist eine weitverbreitete, heute immer noch angewandte Praxis in der Klima- und Umweltkommunikation, und dann wundert man sich, dass nichts passiert. Dann dreht man die Wissenschaft noch lauter auf den Lautsprecher und ist frustriert, wenn die Leute dann doch nicht handeln.
    Zweiter Punkt ist, Sie haben das angesprochen, wenn Sie Bilder vom Hurrikan zeigen und die Zerstörung, die das auslöst, und das dann mit einem Appell verknüpfen: "Jetzt tut mal was für den Klimaschutz!" So eine direkte Verknüpfung löst erst mal überhaupt nicht das aus, was man sich vielleicht wünscht, sondern das Gegenteil, nämlich das Gefühl der Überforderung und Abwehr und auch Flucht.
    Einstellungen und Werte des Adressaten kennen
    Ehring: Was funktioniert denn besser?
    Mohn: Sie haben das schon angesprochen oder zumindest den Begriff genannt: die Handlungsoptionen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, dass man Menschen sagen muss, was sie konkret und was man auch nicht nur auf der individuellen Ebene tun muss, sondern in der Politik als Gesellschaft, als Gruppe im Kollektiv. Das ist im Übrigen auch ein zentrales Problem. Es wird immer der Einzelne angesprochen und der Einzelne sagt sich dann, na ja, wenn das jetzt wirklich ein globales Menschheitsproblem ist, warum redet ihr dann immer zu mir, warum soll ich dann was machen und was liefern. Das ist ja auch manchmal nicht so einfach und unbequem oder es kostet was und auch das lädt das Problem an der falschen Stelle ab.
    Deswegen wichtig: Erst mal muss man sich überlegen, mit wem spricht man, was hat dieser Mensch für Einstellungen, für Werte, was will er im Leben, wo steht er, was kann er machen, und sich dann überlegen, okay, wenn ich diese Person zum Klimaschutz motivieren will, was ist dann die Forderung, das Angebot zu handeln, oder auch von mir aus eine Partei zu unterstützen, die zu dieser Person passt.
    Das tiefe Verlangen, gut sein zu wollen
    Ehring: Können Sie da mal ein Beispiel nennen?
    Mohn: Ja! Nehmen wir das Thema Mobilität. Wir haben ja in Deutschland viele Menschen, die weite Strecken zu ihrem Arbeitsplatz pendeln, und diese Menschen hören dann die Appelle, lass das Auto stehen, benutze Busse und Bahnen. Und wenn Sie dann in einer ländlichen Region wohnen, wo zweimal am Tag ein Bus fährt und einer davon um 6:25 Uhr, dann erzeugt das Frustration, weil Menschen haben das tiefe Verlangen, gut sein zu wollen und sich auch an gemeinschaftlichen Dingen, die wir als wichtig erkannt haben, wie Klimaschutz zu beteiligen. Und wenn man dann kommuniziert, okay, lass das Auto stehen, aber es gibt nicht diese Möglichkeit, das auch praktisch zu tun, dann löst das ein Gefühl des Unbehagens aus und führt dann dazu, bei manchen zumindest, dass man das ganze Konzept, dieses ganze Problem, was einem dann zu groß erscheint, einfach ablehnt und davon nichts mehr hören will.
    Verständigung darüber, was wir gemeinsam machen können
    Ehring: Eignet sich denn Klimawandel aus Ihrer Sicht auch als Wahlkampfthema?
    Mohn: Ob es sich eignet oder nicht – ich glaube, das Ganze muss politisch werden, weil wir werden das ja nur als Gesellschaft insgesamt angehen können, und es wird sicherlich in der nächsten Legislaturperiode nicht so funktionieren können, dass die Grünen für den Klimaschutz zuständig sind und die anderen machen was anderes, sondern da braucht man auch bei allen Parteien und in allen gesellschaftlichen Milieus eine Verständigung darüber, was wir gemeinsam machen können. Ich glaube, ein Unbehagen in diesem Wahlkampf war ja, dass wenig konkrete politische Konzepte, wenig Aktionen, wenig Dinge, die man sich vorstellen kann, verhandelt und diskutiert worden sind, und ich glaube, das gehört jetzt auf die Tagesordnung, ein Wettkampf um Konzepte. Denn wir haben in Deutschland nicht das Problem, dass die Wissenschaft beim Klimathema angezweifelt wird, sondern wir müssen ins Handeln kommen, und da ist auch Kommunikation über Handlungsmöglichkeiten notwendig.