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Umweltpolitik
Bundesländer wehren sich gegen Klimaschutz-Ziele

40 Prozent weniger CO2 bis 2020 - schon jetzt steht fest, dass dieses Klimaschutzziel der Bundesregierung nicht zu schaffen ist. Besonders beim Ausstieg aus der Braunkohle hakt es: Nun protestieren vier Bundesländer gegen neue EU-Umweltauflagen für ihre Braunkohle-Kraftwerke.

Von Bardara Schmidt-Mattern | 23.08.2017
    Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde (Brandenburg) (Aufnahme von 2015)
    Blick aus östlicher Richtung vom Dorf Grießen auf den Braunkohletagebau der Vattenfall AG und dem Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde (Brandenburg). (Aufnahme von 2015) (picture alliance / dpa / Foto: Patrick Pleul)
    Die Kleinstadt Welzow mitten im Lausitzer Braunkohlerevier: Ein aufrechter Protestzug von Klimaschützern marschiert gegen die Musik an: Die Einheimischen spielen die Hymne der Kohlekumpel: Das Steigerlied.
    Arbeitsplätze contra Naturschutz, Energiesicherheit versus Gesundheit: Seit Jahrzehnten wird in deutschen Braunkohlerevieren erbittert gestritten. Die rot-rote Landesregierung in Brandenburg wollte dem eigentlich ein Ende setzen mit einer ehrgeizigen Reduktion beim CO2-Ausstoß. Doch erst knickte vor ein paar Wochen die SPD ein, jetzt zieht die Linkspartei nach. Das Ziel, 72 Prozent CO2 einzusparen, sei leider nicht zu schaffen, heißt es aus Potsdam.
    Der "Zielkonflikt"
    "Dass wir einen Zielkonflikt haben, dass es auch bei uns zu unterschiedlichen Auffassungen kommt, das unterscheidet uns von keiner anderen Partei", sagt Ralf Christoffers, Fraktionschef der Linken in Brandenburg.
    Die Parteifreunde in Berlin kochen angesichts solcher Worte, steht doch der Kohleausstieg in ihrem Bundestags-Wahlprogramm drin. Aber auch die anderen Parteien tun sich schwer. Bei den Genossen mag sich - aus Rücksicht auf die Arbeitsplätze - nicht einmal die sonst so ambitionierte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks festlegen.
    "Ja, was den Kohleausstieg anbelangt - natürlich kann man irgendeine fixe Jahreszahl nennen. Ich glaube aber, dass es viel wichtiger ist, einen Pfad zu beschreiben."
    Ursprünglich hatte schon der frühere Parteichef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Einstieg in den Kohleausstieg schaffen wollen, und zwar mit seinem Plan für eine Kohle-Abgabe, doch Gabriel scheiterte.
    Frustriert erzählte er vor zwei Jahren, wie er die Industrie zu Klimaschutz-Gesprächen eingeladen habe - und eine Abfuhr erhielt: "Die Antwort der Energieunternehmen, auch der hier Ansässigen war: Herr Gabriel, wir wollen mit Ihnen darüber nicht reden."
    Viele Ziele auf der Strecke geblieben
    Aktuell sieht die Klimaschutz-Bilanz der Großen Koalition nicht viel besser aus: Es gibt zwar den Klimaschutzplan 2050. Doch andere Ziele blieben in den letzten vier Jahren auf der Strecke. Etwa der Plan, bis 2020 eine Million Elektroautos auf deutsche Straßen zu bringen. Auch die Einsparung von 40 Prozent beim CO2-Ausstoß ist bis 2020 ebenfalls nicht mehr zu schaffen. Für Grünen-Fraktionschef Toni Hofreiter ein gefundenes Fressen.
    "2009 und 2016 - was war da gleich? Gleich war der CO2-Ausstoß der Bundesrepublik Deutschland. Ja, und verdammt noch mal, wer ist denn dafür verantwortlich, wenn nicht die Bundesregierung?!"
    Angela Merkel lässt sich von der Kritik nicht aus der Ruhe bringen. Im Wahlprogramm der CDU ist im Abschnitt zur Braunkohle sogar das Wort "Ausstieg" zu lesen - ein wichtiger Wink für künftige Koalitionsgespräche.
    Aber, betont Merkel: "Die Energiewende ist schon ein herausforderndes Projekt. Und daraus ergibt sich ein Zieldreieck von sicherem, bezahlbarem und umweltschonendem Energieverbrauch. Und an diesem Dreieck zerren dann auch eben die verschiedenen Kräfte."
    Protest aus Sachsen
    Momentan zerrt Stanislaw Tillich. Der Regierungschef von Sachsen protestiert in einem Brief an das Bundeswirtschaftsministerium, der unserem Hauptstadtstudio vorliegt, gegen neue, klimafreundliche EU-Auflagen für Kohlekraftwerke.
    "Wenn es um Klima- oder Umwelt oder Verbraucherschutz geht, dann müssen das auch von der Industrie erreichbare Werte sein, und nicht irgendwelche frei gewählten."
    Und gegenüber dem MDR ergänzt der Christdemokrat, er werde es nicht zulassen, dass die Kohle "totgemacht" wird. Die Braunkohle-Gegner wollen wiederum nicht, dass die Natur "totgemacht" wird.
    Und auch Angela Merkel forderte beim Deutschen Nachhaltigkeitsrat mehr Mut für den Klimaschutz: "Seien Sie manchmal auch unbequem, damit wir nicht bockig werden. Aber wir sind guten Willens hinzuhören."
    Von Tillich bis Trump: Auch die nächste Bundesregierung wird viel fürs Klima tun müssen.